VwGH vom 26.02.2020, Ra 2019/09/0110
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-041/005/2388/2018-4, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: C D, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Rennweg 17/5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde die Mitbeteiligte als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A GmbH der sechsfachen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b iVm § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für schuldig erkannt, weil sie zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft die Arbeitsleistung von sechs näher bezeichneten ukrainischen Staatsangehörigen in Anspruch genommen habe, obwohl § 18 Abs. 2 Z 1 und 2 AuslBG nicht erfüllt gewesen und für diese auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt worden sei. Über die Mitbeteiligte wurden sechs Geldstrafen in der Höhe von je Euro 5.000,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je vier Tagen und acht Stunden) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom wurde der von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass nicht davon auszugehen sei, dass die A GmbH mit Sitz in Wien die Arbeitsleistungen der sechs ukrainischen Staatsangehörigen "in Anspruch genommen" habe, da sie die
tschechische Firma B "mittels Werkvertrag ... zur Durchführung der
Arbeiten beauftragt" habe und "sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben" hätten, dass "kein gültiger Werkvertrag" vorgelegen und die Mitbeteiligte "die Arbeitsleistungen der sechs Ukrainer selbst in Anspruch genommen" habe. Die Strafdrohung des § 28 Abs. 1 Z 4 AuslBG richte sich an denjenigen, der die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werde, in Anspruch nehme. Davon sei aber im gegenständlichen Fall nicht auszugehen. Es wäre vielmehr § 28 Abs. 6 AuslBG anzuwenden gewesen. Die Mitbeteiligte habe somit die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. 5 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 6 Die belangte Behörde verwies auf ihr Straferkenntnis und verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung. Auch die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 In der Revision wird (unter anderem) geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Annahme, die A GmbH habe die ukrainischen Staatsangehörigen nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b AuslBG in Anspruch genommen, von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Verweis auf ).
8 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:
9 Die Bestimmung des § 28 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, lautet auszugsweise:
"Strafbestimmungen
§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,
...
1. wer
...
b) entgegen § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder
...
4. wer
...
b) entgegen § 18 Abs. 12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt,
obwohl § 18 Abs. 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt ist und - im Fall der lit. b - auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro;
...
(6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, ist neben dem beauftragten Unternehmen gemäß Abs. 1 Z 1 zu bestrafen, wenn es
1. die Übertretung des von ihm unmittelbar beauftragten oder - im Fall der Auftragsweitergabe - jedes weiteren beauftragten Unternehmens bei der Auftragserfüllung wissentlich geduldet hat, oder
2. seiner Verpflichtung gemäß § 26 Abs. 6 nicht nachgekommen ist."
10 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, wird mit der Strafdrohung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b AuslBG das bloße "in Anspruch nehmen" von Arbeitsleistungen betriebsentsandter Ausländer ohne ein zwischen einem inländischen Unternehmen und den Ausländern bestehendes Beschäftigungsverhältnis unter Strafe gestellt. Derjenige nimmt die Arbeitsleistung eines "betriebsentsandten Ausländers" in diesem Sinn "in Anspruch", zur Erfüllung dessen Werks oder Auftrags die Arbeitsleistungen der vom ausländischen Arbeitgeber beschäftigten Ausländer dienen. Dies ist dann der Fall, wenn der Einsatz "betriebsentsandter Ausländer" als Erfüllungsgehilfen ihres ausländischen Arbeitgebers erfolgt, um dessen Verpflichtung aus einem Werkvertrag gegenüber dem inländischen Besteller zu erfüllen (vgl. , mit Verweis auf , 0213; siehe weiters ). Nichts anderes gilt für die gleichartige Vorschrift des § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b AuslBG (vgl. , 0100).
11 Bedient sich ein ausländischer Arbeitgeber für die Erfüllung eines mit einem inländischen Werkbesteller abgeschlossenen Werkvertrages ausländischer Arbeitskräfte, macht es grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob dies eigene Arbeitskräfte des ausländischen Werkunternehmers oder diesem lediglich überlassene Arbeitskräfte sind (vgl. das in der Revision genannte Erkenntnis , sowie nochmals ). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes ist die in § 28 Abs. 6 AuslBG geregelte "Generalunternehmerhaftung" ein spezifischer Tatbestand mit Tatbestandvoraussetzungen, die mit jenen der "Inanspruchnahmetatbestände" des § 28 (iVm § 18) AuslBG nicht verglichen werden können. Die "Generalunternehmerhaftung" greift etwa bei kompletter Weitergabe eines Auftrages oder Teilen davon an Auftragnehmer mit Sitz im Inland (vgl. nochmals , 0213).
12 Da demnach das Verwaltungsgericht mit seiner Ansicht, die A GmbH habe die Arbeitsleistungen der sechs ukrainischen Staatsangehörigen nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b AuslBG in Anspruch genommen, weil diese Gesellschaft die tschechische Firma B "mittels Werkvertrag zur Durchführung der Arbeiten beauftragt" habe, die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090110.L00 |
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