VwGH vom 13.12.2011, 2010/22/0197

VwGH vom 13.12.2011, 2010/22/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des F in N, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wendling GmbH in 6370 Kitzbühel, Kirchplatz, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom , Zl. E1/15001/10, betreffend Rückkehrverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Uganda, gemäß den §§ 62, 86, 87, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf sieben Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit als Asylwerber in Österreich sei. Das Asylverfahren befinde sich seit im Berufungsstadium. Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet.

Er habe am in alkoholisiertem Zustand eine Person durch einen Faustschlag ins Gesicht am Körper verletzt. Das Strafverfahren sei von der Staatsanwaltschaft I gemäß § 90c Abs. 5 Strafprozessordnung mit Diversion erledigt worden.

Weiters sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft K wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO mit einer Geldstrafe von EUR 450,-

- belegt worden, weil er am auf einer Gemeindestraße ein Fahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Mit Urteil vom sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach den §§ 15, 202 Abs. 1 StGB zu einer (im Berufungsweg herabgesetzten) Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon neun Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden. Er habe am eine weibliche Person mit Gewalt, indem er sie an den Oberarmen festgehalten und gegen eine Mauer gedrückt und dort gewaltsam versucht habe, ihre Hose aufzumachen, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht.

Dieses angeführte Gesamtfehlverhalten (seit 2007) zeige deutlich die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Verurteilung zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe erfülle den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall FPG.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG liege vor. Dieser Eingriff mache das Rückkehrverbot aber nicht unzulässig. Die sich aus dem Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Rückkehrverbot zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, mit der er seit Dezember 2008 in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Der Beschwerdeführer spreche deutsch, habe Bekannte und Freunde im Bundesgebiet und arbeite behördlich erlaubt seit 2003 saisonal als Hilfsarbeiter im Gastgewerbe.

Der Beschwerdeführer habe jedoch in Uganda seine Kindheit und Jugend verbracht und es seien ihm daher die dortigen Gegebenheiten nicht fremd. Strafgerichtlich unbescholten sei der Beschwerdeführer angesichts seiner "Vorstrafen" nicht. Das Privat- und Familienleben sei zur Gänze in einer Zeit entstanden, in der er sich des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei oder jedenfalls hätte bewusst sein müssen. Jeder Asylwerber wisse oder müsse jedenfalls wissen, dass er das Bundesgebiet nach rechtskräftigem negativem Abschluss des Asylverfahrens verlassen müsse. Die durch das Rückkehrverbot entstehenden Unannehmlichkeiten bzw. die Trennung, sollte seine Ehefrau nicht mit nach Uganda gehen, habe er ausschließlich selbst durch das schwere Fehlverhalten während des anhängigen Asylverfahrens zu verantworten.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 1455/10-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG idF vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38, kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass seine teilbedingte Verurteilung eine solche bestimmte Tatsache nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG darstellt. Da auf den Beschwerdeführer als Ehemann einer Österreicherin die Bestimmung des § 86 FPG für begünstigte Drittstaatsangehörige anzuwenden ist, müssen die dort genannten Voraussetzungen auch bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes gegeben sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0617).

Der Beschwerdeführer wendet sich zu Recht gegen die behördliche Begründung, wonach er gerichtliche "Vorstrafen" - demnach mehrere Verurteilungen - aufweise. Das Strafverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung wurde nämlich mit Diversion erledigt. Das ändert aber nichts daran, dass dieses unbestrittene Fehlverhalten in die Prognosebeurteilung einbezogen werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/18/0009).

Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer seine Neigung unter Beweis stellte, unter Alkoholeinfluss verschiedenartige gerichtlich bzw. verwaltungsbehördlich strafbare Delikte zu begehen, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Prognose gelangte, vom Beschwerdeführer gehe auch weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Sie durfte gemäß § 86 Abs. 1 FPG diese Gefahr als eine solche ansehen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Der Beschwerdeführer hat unter Alkoholeinfluss eine Person durch einen Faustschlag ins Gesicht am Körper verletzt und hat alkoholisiert am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Vor allem hat er - nach dem Akteninhalt ebenfalls unter Alkoholeinfluss - eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen hat der Beschwerdeführer seinem Opfer auch den Mund und die Nase mit der Absicht zugedrückt, diese am Schreien zu hindern. Da der Beschwerdeführer unter Alkoholeinfluss zur Begehung von Straftaten neigt, kann entgegen den Beschwerdeausführungen durchaus auf ein "einschlägiges Aggressionspotential" geschlossen werden.

Die belangte Behörde hat ebenso zutreffend das Rückkehrverbot nach Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK als zulässig beurteilt.

§ 66 Abs. 2 FPG (idF BGBl. I Nr. 29/2009) ordnet ausdrücklich an, dass bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens auch zu berücksichtigen ist, ob dieses in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren. Genau dies liegt hier vor, hat doch der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem sein Asylantrag in erster Instanz bereits abgelehnt worden war. Sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich ist somit relativiert und es ist dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen demgegenüber ein höheres Gewicht beizumessen. Die lange Dauer des Asylverfahrens hat zwar zu einer entsprechenden inländischen Integration des Beschwerdeführers geführt, ist jedoch kein Grund, das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer unter Alkoholeinfluss begangener Delikte in den Hintergrund treten zu lassen.

Entgegen der Beschwerdeansicht ist kein Umstand zu erkennen, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am