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VwGH vom 13.12.2011, 2010/22/0193

VwGH vom 13.12.2011, 2010/22/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des V in Salzburg, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. E1/2459/5/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde dieser Antrag abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom abgewiesen, und es wurde - wie bereits in erster Instanz - die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien erklärt. Der dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss vom , Zl. 2007/01/0734, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus Österreich aus. Begründend erklärte sie nach Darstellung des Sachverhalts und der Rechtslage, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem (Datum der Zustellung des Ablehnungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes) nicht mehr rechtmäßig und der Tatbestand des § 53 FPG daher erfüllt sei.

Im Hinblick auf § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Die "Existenz einer Lebensgefährtin" oder sonstige enge familiäre Bindungen in Österreich seien nicht aktenkundig. Laut Sozialversicherungsdatenauszug sei der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet einer Beschäftigung nachgegangen, weshalb keine arbeitsrechtliche Integration erfolgt sei. In seinem Heimatland Kosovo befänden sich noch die Eltern des Beschwerdeführers, zu denen er jederzeit zurückkehren könnte. Er weise eine strafgerichtliche Verurteilung durch das Bezirksgericht S vom wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Wochen auf.

Von einem Eingriff in das Privatleben müsse angesichts des acht Jahre dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet ausgegangen werden. Jedoch sei der Aufenthalt in Österreich lediglich durch die Bestimmungen des Asylgesetzes auf Grund eines letztlich als unberechtigt erkannten Asylantrages (vorläufig) legal gewesen. Seit fünf Monaten sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers rechtswidrig, worin eine grobe Verletzung der Bestimmungen des FPG liege. Angesichts des Fehlens eines Familienlebens im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK sowie des Fehlens einer entsprechenden Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit seien aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf Grund einer Interessenabwägung zulässig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG (in der Stammfassung) können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein eingangs dargestelltes Asylverfahren rechtskräftig beendet ist. Dies entspricht auch der Aktenlage. Der Beschwerde ist auch nicht zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - vorliegen würde. Gegen die behördliche Annahme, dass im vorliegenden Fall der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG verwirklicht sei, bestehen somit keine Bedenken.

Auch der am gestellte Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG steht, anders als der Beschwerdeführer meint, der Erlassung einer Ausweisung (die von der - eine solche umsetzenden - Abschiebung zu unterscheiden ist) nicht entgegen (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0293).

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, so ist diese gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."
Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Beschwerdeführer vor, dass er sozial und gesellschaftlich nachhaltig in Österreich integriert sei. Er habe hier eine Vielzahl von Freunden, nehme mit ihnen an Veranstaltungen, Treffen und Besuchen teil und spreche perfekt Deutsch. Aus den beigelegten Empfehlungsschreiben seiner Freunde gingen seine positiven Charakterzüge hervor. In der Familie K. habe er eine Art Ersatzfamilie in Österreich gefunden, die auch für seinen Lebensunterhalt aufkomme. Deshalb falle er keiner Gebietskörperschaft finanziell zur Last, obwohl er nach der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens nicht mehr legal arbeiten dürfe und sich auch davor - auf Grund der Wirren des Krieges in seiner Heimat und der Flucht nach Österreich sowie der beschränkten Möglichkeiten einer Arbeitsaufnahme für Asylwerber - nicht entsprechend am österreichischen Arbeitsmarkt integriert habe.
Die belangte Behörde ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen -

ohnedies davon ausgegangen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers vorliegt (nur das Bestehen eines Familienlebens wurde - ausgehend von den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu Recht - verneint). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte sie daraus aber nicht ableiten müssen, seine Ausweisung sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien unzulässig. Die ins Treffen geführten Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von im Bescheiderlassungszeitpunkt etwas mehr als acht Jahren als nicht so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Dabei war vor allem auch zu berücksichtigen, dass die Entstehung des Privatlebens in Österreich fast zur Gänze in einen Zeitraum fällt, in dem sich der Beschwerdeführer - nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages bereits rund eineinhalb Monate nach seiner Einreise - seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer seinen langjährigen Aufenthalt in keiner Weise für eine berufliche Integration genutzt hat; dass ihm dies rechtlich zumindest als Saisonier möglich gewesen wäre, räumt er selbst ausdrücklich ein. Überdies war auch die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Körperverletzung in die Interessenabwägung mit einzubeziehen.


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Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration zutreffend als gemindert angesehen. Es ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher bewertete als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit April 2010 unrechtmäßigen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes, direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden.
Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (insbesondere vom , Nr. 60654/00 - Sisojeva, und vom , 36757/97 - Jakupovic) und des Verfassungsgerichtshofes (vom , B 950 bis 954/10) betreffen Konstellationen, die mit dem Beschwerdefall nicht vergleichbar sind, und lassen schon deswegen nicht die vom Beschwerdeführer fallbezogen daraus gezogenen Schlüsse zu.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandsersatzverordnung 2008.
Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-82315