VwGH vom 21.03.2013, 2013/09/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des MA in N, vertreten durch Dr. Bernhard Kettl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Clemens-Krauss-Straße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen- 253038/15/Lg/Ba, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag, "in eventu die Beschwerde an den VfGH zur weiteren Überprüfung weiterzuleiten", wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber
(Spruchpunkte 1., 3. und 4.) drei näher bezeichnete bulgarische Staatsangehörige in näher angeführten Zeiträumen zwischen bis als Prostituierte und Animierdamen sowie
(Spruchpunkt 2.) die bulgarische Staatsangehörige AY vom bis als Bardame
im Nachtlokal "Bar R" in R beschäftigt, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.
Der Beschwerdeführer habe dadurch vier Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden vier Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 33 Stunden) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhalts des Bescheides der Behörde erster Instanz und der Berufung aus, es sei vergeblich versucht worden, die Ausländerinnen zur Berufungsverhandlung zu laden.
Zur Sachverhaltsfeststellung stützte sich die belangte Behörde auf die mit der Ausländerin BO am aufgenommene Niederschrift, die vom Beschwerdeführer durchgeführten Werbemaßnahmen und die Angaben des Beschwerdeführers in seinen Schriftsätzen.
Sie gelangte zum Ergebnis, dass unselbständige Beschäftigungen der Ausländerinnen vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer stellt Zweifel zur Richtigkeit der Übersetzung der Aussage der BO an. Er beruft sich auf Statistiken, wonach Bulgarien in der Aufstellung der Staaten, in denen Türkisch gesprochen werde, nicht aufscheine. Es sei "nicht nachvollziehbar", wie die belangte Behörde habe feststellen können, dass Türkisch die Muttersprache von BO sein solle.
Dies ist schon deshalb unverständlich, weil BO selbst angegeben hat, dass Türkisch ihre Muttersprache sei; sie wurde deshalb unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache vernommen. Das Faktum, dass BO Türkisch als Muttersprache "spricht und versteht", hat der Beschwerdeführer selbst u.a. in seiner Berufung bestätigt. Selbst der in der Berufung behauptete "Akzent" (dieses Vorbringen wird in der Beschwerde nicht aufrechterhalten) ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung darzutun, zumal der Beschwerdeführer im Einzelnen nicht aufzeigt, was BO anders zum Sachverhalt ausgesagt hätte.
Was im Hinblick auf die türkische Muttersprache die weitwendigen Ausführungen des Beschwerdeführers zur bulgarischen Grammatik in Bezug auf die Aussage der BO dartun sollen, ist nicht nachvollziehbar.
Die belangte Behörde hat versucht, mit der Zeugin BO an ihrer Adresse im Ausland durch Ladung zur mündlichen Verhandlung in Kontakt zu treten, die Zeugin hat dieser Ladung jedoch keine Folge geleistet. Auch dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, diese Zeugin stellig zu machen. Er hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sämtliche Ausländerinnen nicht mehr in Österreich aufhältig seien, eine Adresse im Ausland hinsichtlich der Ausländerinnen mit Ausnahme von BO war nach der Aktenlage nicht bekannt. Dass die Zeugin BO trotz der durch internationalen Rückschein im Akt ausgewiesenen Zustellung und Übernahme der Ladung nicht zur mündlichen Berufungsverhandlung erschienen ist, macht das vom Unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführte Verfahren nicht mangelhaft, weil der Unabhängige Verwaltungssenat nach § 19 AVG nicht in der Lage ist, das Erscheinen im Ausland ansässiger Zeugen durchzusetzen. Schon im Hinblick auf die gebotene Unmittelbarkeit des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist es auch nicht rechtswidrig, dass von einem Rechtshilfeersuchen Abstand genommen wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/09/0214, und vom , Zl. 2009/09/0122).
Im Übrigen hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, welchen anderen als den in der Niederschrift vom enthaltenen Sachverhalt BO nunmehr hätte vorbringen können. Dass diese Niederschrift in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht iSv § 51 f Abs. 3 VStG Eingang gefunden hat, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Diese Aussagen de BO waren unter anderem auch im Bescheid der Behörde erster Instanz enthalten, sodass der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit hatte, hiezu Stellung zu nehmen. Er hat wesentliche Teile (wie etwa zu der von M angeordneten Anwesenheitszeit, den Aufzeichnungen über ausgeübte Tätigkeiten und Getränkekonsumation) unbestritten gelassen, sodass die belangte Behörde diesbezüglich ohne Weiteres der Aussage der BO folgen durfte. Die von der belangten Behörde verwerteten "Werbemaßnahmen" des Beschwerdeführers (Annoncen in einer Bezirkszeitung, Homepage des Nachtclubs) durften schlüssig als Festsetzung des Preises für die Leistungen der Prostituierten gewertet werden und bestätigen somit auch dahingehend die Aussage der BO. Sind aber derart wesentliche Sachverhaltselemente der Aussage der BO bestätigt, so ist es nicht unschlüssig, dass die belangte Behörde auch den weiteren Angaben, etwa zur Aufteilung der von den "Kunden" zu leistenden Zahlungen für Prostitution und Getränke, folgte.
Da die belangte Behörde sich sohin nicht ausschließlich auf die Angaben der BO stützte, unterscheidet sich der gegenständliche Fall von dem dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0232, zu Grunde liegenden Fall und entspricht den in diesem Erkenntnis mitbehandelten Fällen Zl. 2007/09/0378 und Zl. 2007/09/0379.
Auch hinsichtlich der anderen Ausländerinnen, deren unterlassene Einvernahme der Beschwerdeführer rügt, übersieht er einerseits, dass keine Adresse bekannt war, und andererseits zeigt er nicht auf, welchen Sachverhalt sie ausgesagt hätten. Den Verfahrensrügen des Beschwerdeführers fehlt damit insgesamt die Relevanz.
Insofern sich der Beschwerdeführer im Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde (und zwar hinsichtlich der Auslegung von Inhalt und Bedeutung von Beweismitteln) von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt entfernt, stellt er eine Behauptung den Feststellungen der belangten Behörde gegenüber, ohne dass dargelegt würde, aus welchen Gründen die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig, d.h. unzureichend, widersprüchlich oder unvollständig wäre. Einer solchen Darlegung bedürfte es aber, da die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht schon mit der Behauptung mit Erfolg angegriffen werden kann, dass auch ein anderes (gegenteiliges) Ergebnis schlüssig begründbar gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, an die Stelle einer schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde eine andere, wenngleich ebenso schlüssige Beweiswürdigung zu setzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0300).
Hinzugefügt sei, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren nie bestritten hat, dass die unter Spruchpunkt 2. angeführte AY als Bardame Tätigkeiten ausgeübt hat, die als unselbständige Beschäftigung zu werten sei. Auch in der Beschwerde finden sich gegen diesen Spruchpunkt keine Ausführungen. AY übte nach dem Akteninhalt eindeutig und unbestritten als Bardame als unselbständige Beschäftigung zu wertende Tätigkeiten aus.
Im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung des zu den übrigen Spruchpunkten 1., 3. und 4. festgestellten Sachverhaltes ist auf die nunmehr ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine Tätigkeit als "Prostituierte und Animierdame" in einem Barbetrieb oder Nachtclub (wie hier in einem Bordell) unter Beteiligung am Umsatz in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wird, wie in einem Arbeitsverhältnis. In einem solchen Fall ist die Behörde berechtigt, zumindest von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0190).
Angesichts der planmäßigen Eingliederung der als Prostituierte und Animierdamen tätigen Ausländerinnen in die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Betriebsorganisation (wie etwa Festsetzung der Öffnungszeiten, der Preise für die Prostitutionsausübung, der Höhe der Provision für Getränkeanimation, die Zurverfügungstellung der Räume für die Anbahnung und Ausübung der Prostitution und deren Infrastruktur, wie des Barraumes und der Zimmer mit Bettwäsche und Reinigung derselben durch den Betrieb, Anbot einer günstigen Wohnmöglichkeit für die Ausländerinnen, ist ihre Tätigkeit diesem Unternehmen zuzurechnen. Die festgestellten Tätigkeiten der Ausländerinnen in ihrer Gesamtheit stellten auch im vorliegenden Fall angesichts der wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfung nahezu aller ihrer Aspekte mit dem Betrieb des Beschwerdeführers - von der Beistellung der zur Ausübung der Prostitution erforderlichen Räumlichkeiten bis zur angestrebten, durch die Tätigkeit der Ausländerinnen als Animierdamen und Prostituierte erreichten Steigerung der Attraktivität des vom Beschwerdeführer betriebenen Lokals - eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG dar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0120).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Der Beschwerdeführer beantragt (in der ausschließlich an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten "Bescheidbeschwerde") auch, "in eventu die Beschwerde an den VfGH zur weiteren Überprüfung weiterzuleiten". Er behauptet in der "Verfassungsgerichtshofbeschwerde" nach Art. 144 die Verletzung in mehreren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und beantragt die "kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides" durch den Verfassungsgerichtshof. Eine Deutung als Anregung an den Verwaltungsgerichtshof, ein Normprüfungsverfahren an den Verfassungsgerichtshof zu beantragen, verbietet sich, weil der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen keine Norm nennt, die seiner Ansicht nach verfassungswidrig wäre.
Dieser Antrag war zurückzuweisen, weil für eine derartige "Weiterleitung zur weiteren Überprüfung" keine gesetzliche Grundlage existiert.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am