VwGH vom 19.11.2010, 2008/19/0716

VwGH vom 19.11.2010, 2008/19/0716

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke, den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Rehak, sowie die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Stefan Petrofsky, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Pyrkergasse 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 315.405- 1/3E-II/06/07, betreffend §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2005 über die türkischgriechische Grenze in das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein und hielt sich vor seiner Weiterreise mehrere Jahre in Griechenland auf, wo er auch um Asyl ansuchte. Im August 2007 gelangte er in das Bundesgebiet und beantragte internationalen Schutz.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück. Für seine Prüfung erklärte sie gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung Griechenland für zuständig und sie wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dorthin aus. Demzufolge sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe vor seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Griechenland um Asyl angesucht. Griechenland habe seiner Wiederaufnahme auch zugestimmt. Demnach sei gemäß Art. 13 Dublin-Verordnung von der Zuständigkeit Griechenlands zur Prüfung des Asylantrages auszugehen. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die österreichischen Behörden lägen nicht vor. Wenn der Beschwerdeführer geltend mache, die erste Instanz habe keine Einzelfallprüfung vorgenommen, ob er in Griechenland tatsächlich sicher wäre, sei festzustellen, dass sich die erstinstanzliche Behörde ausführlich mit der griechischen Rechtslage und -praxis auseinandergesetzt habe. Im Übrigen hätten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kraft Gemeinschaftsrechts nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin-Verordnung erfolgt sei. Eine derartige Überprüfung sei durch die Organe der Europäischen Union erfolgt und bestehe insofern eine Bindung an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Zum Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer sei in Griechenland nicht ausreichend versorgt, von Sicherheitskräften misshandelt bzw. von Privatpersonen bedroht worden, verweise die belangte Behörde auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid. Ferner sei festzustellen, dass es sich bei etwaigen Misshandlungen durch Sicherheitskräfte um Gewaltexzesse einzelner Organe handle, die in jedem Land möglich seien. Der Beschwerdeführer habe diese jedoch in keinem Zeitpunkt des Verfahrens glaubhaft machen können und stattdessen lediglich nicht nachvollziehbare Behauptungen vorgebracht. Insbesondere habe eine psychiatrische Untersuchung des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren ergeben, dass einer Überstellung nach Griechenland keine schweren psychischen Störungen entgegenstünden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als "völlig unbegründet abzuweisen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, dass dem Beschwerdeführer bei Überstellung nach Griechenland eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohe. In diesem Zusammenhang verweist sie insbesondere darauf, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Monaten vor der Beschwerdeerhebung bereits fünf Selbstmordversuche verübt habe. Dieser "eine Ausweisung ausschließende gesundheitliche Zustand" wäre bei einer gewissenhaften Führung des Ermittlungsverfahrens zu erkennen gewesen. Gleichzeitig legte sie eine Stellungnahme des "Ecumenical Refugee Programm" vom vor, derzufolge der Beschwerdeführer - der noch vor Beschwerdeerhebung nach Griechenland abgeschoben worden sei - dort obdachlos sei und im Park schlafen müsse, keine Arbeitserlaubnis habe und ihm keinerlei soziale Unterstützung gewährt werde, er jedoch schwerwiegende psychische Probleme aufweise.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde - zumindest im Ergebnis - eine unrichtige rechtliche Beurteilung auf.

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 (in der im vorliegenden Fall noch maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 100/2005) ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist gemäß § 5 Abs. 3 AsylG 2005 davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die griechischen Asylbehörden nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnung das Asylverfahren des Beschwerdeführers führen müssten. Zu klären bleibt lediglich, ob Österreich auf Grund einer dem Beschwerdeführer bei Überstellung nach Griechenland drohenden Verletzung des Art. 3 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch hätte machen müssen.

Eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK garantierten Rechte, könnte einem Asylwerber dadurch drohen, dass er bei Überstellung nach Griechenland trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt wäre (Kettenabschiebung; vgl. etwa Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2006/19/0673, mwN), dass er dort schutzlos körperlichen Misshandlungen insbesondere durch Sicherheitskräfte ausgesetzt wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0317) oder dass ihm Unterkunft und Versorgung nicht (rechtzeitig) zur Verfügung gestellt würde und er deshalb keine Lebensgrundlage vorfindet (vgl. dazu allgemein etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/19/0174, und im Besonderen zur Lage in Griechenland jüngst das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , U 694/10).

Die belangte Behörde hielt der Behauptung des Beschwerdeführers, in Griechenland einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein, zunächst entgegen, auf Grund des Gemeinschaftsrechts (nun: Unionsrechts) keine Überprüfung der Sicherheitslage in Griechenland vornehmen zu müssen und zu dürfen. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine Beweisregel enthält, die es - im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung - grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor "Verfolgung" in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat (insbesondere gemeint im Sinne der Achtung der Grundsätze des Non-Refoulement durch diesen Staat) von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch widerlegt, wenn besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in diesem Mitgliedstaat sprechen (vgl. dazu im Einzelnen das zur gleichlautenden Argumentation der belangten Behörde ergangene hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/19/0593, mwN).

Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich im Wesentlichen in einem Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid.

In diesem wurde zum Vorbringen des Beschwerdeführers, in Griechenland von den Sicherheitskräften misshandelt worden zu sein, festgehalten, es könne nicht nachvollzogen werden, warum er bei routinemäßigen Personenkontrollen körperlich attackiert worden sein sollte. Insgesamt seien die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers auch nur vage und ungenau gewesen. Soweit er befürchte, im Falle der Rücküberstellung nach Griechenland kein Asyl zu erhalten, weil er dort bereits einen negativen Bescheid über seinen Asylantrag erhalten habe, sei anzumerken, dass die österreichischen Behörden keine hypothetischen Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen hätten. Im Übrigen sei das vom Beschwerdeführer angestrengte Asylverfahren in Griechenland noch nicht abgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe in einem - offensichtlich von ihm unterzeichneten - Anamnesebogen ausgeführt, an psychischen Problemen zu leiden. Eine am durchgeführte Untersuchung habe jedoch keine Gründe hervorgebracht, die einer Überstellung nach Griechenland entgegenstünden. Auch in der weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass es ihm "gut gehen" würde.

Dem trat der Beschwerdeführer in seiner Berufung entgegen. Zu seiner Einreise nach Griechenland und seinen dortigen Erlebnissen führte er wörtlich aus (Schreibfehler im Original):

"Dreimal versuchte ich mit vier weiteren afghanischen Flüchtlingen mit einem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland zu kommen. Alle fünf waren wir zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig.

Dreimal haben uns bei diesen Versuchen griechische Polizisten erwischt und sofort in die Türkei zurückgeschickt.

Beim ersten Versuch wurden wir auf dem Meer in der Nähe der Halbinsel Mytilini von griechischen Polizisten aus dem Boot gezerrt und festgenommen. Wir wurden nichts gefragt, sondern nur beschimpft und geprügelt. Sie sind mit uns zurück in türkische Gewässer gefahren, haben uns wieder ins Schlauchboot gesetzt und gezwungen zurück in die Türkei zu fahren.

Der zweite Versuch kurze Zeit später verlief so wie der erste.

Beim dritten Mal ging es uns ebenso, nur dass wir diesmal nicht geschlagen wurden.

Beim vierten Versuch gelang es uns, nach Mytilini zu kommen.

Doch statt mir als Minderjährigem besonderen Schutz zukommen zu lassen, wurde ich hier für drei Monate in eine Art Haft genommen. Es waren dort ungefähr 1.500 Flüchtlinge. Wir waren in drei großen Hallen untergebracht, in denen dicht nebeneinander Stockbett an Stockbett stand, es gab zwar Wasser zum Trinken und für die Toiletten, aber keine Duschen. Das Essen wurde mit einem PKW gebracht und von vier dafür verantwortlichen Flüchtlingen ausgeteilt. Die Situation dort empfand ich als Jugendlicher schrecklich. Nur 3x pro Monat haben wir die Hallen verlassen dürfen um im Freien ein bisschen Bewegung machen zu können. Es war wie in einem großen Gefängnis.

In Mytilini wurden mir Fingerabdrücke abgenommen und ich musste etwas unterschreiben. Was das war, weiß ich nicht.

Ich wusste nichts von einem Asylantrag, wurde außer nach meinem Namen nichts gefragt, bekam keinerlei Information, die ich hätte verstehen können, wusste nicht, wie es mit mir weitergehen sollte.

Während dieser Monate sind Mitarbeiter einer Organisation namens GCR gekommen und haben nach Minderjährigen unter den Flüchtlingen gefragt. Sie sagten zu mir, dass ich, sobald ich entlassen werde, nach Athen und ins Büro dieser Organisation, die für Minderjährige zuständig ist, kommen solle. Dann habe ich von der Polizei einen Bescheid bekommen, dass ich das Land innerhalb eines Monats verlassen müsste. Ich bin entlassen worden, nach Athen gefahren und zu dieser Organisation gegangen. Die sind mit mir zur Polizei gegangen, wo ich eine rote Karte bekommen habe, die alle sechs Monate zu verlängern war. Mir sind zwar auch in Athen Fingerabdrücke genommen worden, aber es hat keine Befragung, keine mir verständliche Antragstellung gegeben. Es sind nur meine Personalien aufgenommen worden, nach meinen Fluchtgründen wurde ich nicht gefragt.

Die Organisation GCR schickte mich in Begleitung einer griechischen Mitarbeiterin nach Kreta. Dort gab es im Dorf Anogia eine Einrichtung für Minderjährige, die Waisenhaus geheißen hat. Unter den Jugendlichen waren 20 Afghanen. Dort lernte ich auch meinen Freund M.K.S. kennen. Als ich in das Dorf kam war ich sehr erschrocken, da alle Dorfbewohner mit Waffen herumgelaufen sind. Das war für mich wie in Afghanistan. In dem Heim hatten wir vormittags Griechischunterricht, nachmittags mussten wir auf der Olivenplantage arbeiten. Wir konnten ein bisschen verdienen und bekamen etwas Taschengeld.

In dieser Einrichtung war ich ungefähr 2 1/2 Jahre. Im Februar 2007, glaube ich, hat das Waisenhaus für mich einen Brief bekommen mit der Aufforderung, dass ich das Land verlassen müsse. Die Waisenhausleitung machte den Versuch mich hier zu behalten, aber drei oder vier Monate später musste mich die Leitung entlassen, weil ich volljährig war. Ich hatte immer noch die rote Karte, die Verlängerung hatte im Waisenhaus immer der Chef gemacht.

Ich hatte etwas Geld gespart und kaufte mir in Heraklion ein Ticket nach Athen. In Athen, ziemlich zentral gelegen gegenüber einer Kirche im Stadtteil 'A.', gibt es ein Haus, das einem Afghanen gehört und der nur an Afghanen vermietet. Dort habe ich zwei oder drei Tage gewohnt, bis ich auf einem Platz in der Nähe des Hauses den Schlepper getroffen habe, der mich nach Griechenland befördert hatte. Ich schuldete ihm noch Geld, allerdings verlangte er plötzlich den mehrfachen Betrag. Er drohte, dass mir etwas passieren würde, wenn er bis am Abend nicht das Geld bekäme. Ich hatte jetzt Angst, denn ich war sicher, dass er es ernst meinte. Zur Polizei konnte ich nicht gehen, weil ich vor ihr ebenso große Angst hatte und überzeugt war, dass ich statt Hilfe höchstens wieder Prügel bekommen würde. Ich habe daher sofort Athen verlassen und bin nach Patras gefahren. Ich wollte nur mehr weg von Griechenland.

In Patras hat es eine große Menge von Flüchtlingen gegeben, die alle hofften irgendwie nach Italien zu kommen. Es sind dort auch Zelte aufgestellt, in denen die Menschen warten. Die Polizei kommt immer wieder zur Kontrolle, nimmt Leute fest oder verprügelt sie, hindert Schiffe an der Ausfahrt. Ich habe das selbst gesehen und verprügelt bin ich auch worden.

Zweimal habe ich versucht in einem LKW über einen anderen Hafen, vielleicht war es Igoumenitsa, auf ein Schiff nach Italien zu kommen. Jedes Mal bin ich von der Polizei herausgezogen und verprügelt worden.

Ich bin dann in Patras zur Organisation 'Ärzte ohne Grenzen' gegangen und habe dort zehn Tage als Dolmetscher für neue Flüchtlinge gearbeitet. Danach bin ich mit der Bahn zurück nach Athen und von dort wieder nach Kreta. In Rethimno habe ich drei Tage bei einem Freund gewohnt, der dann auch für mich den Schlepper gefunden hat, der mich nach Österreich brachte.

Ich habe in Griechenland weder Schutz noch Hilfe bekommen, ausgenommen in der Einrichtung für Minderjährige, ich bin ausschließlich erkennungsdienstlich behandelt worden, Information hinsichtlich der Asylpraxis oder rechtliche Hilfe habe ich keine bekommen.

Wenn die ho. Behörde in ihrem Bescheid anführt, dass ich in Griechenland noch ein offenes Asylverfahren habe, so entbehrt das jeglicher Realität. Ich wurde, wie schon oben erwähnt, von der Polizei ausschließlich erkennungsdienstlich behandelt. Es gab nie eine Einvernahme bei der ich meine Fluchtgründe hätte darlegen können.

Auf Grund meiner Erfahrungen mit den griechischen Polizeiorganen hab ich bei einer Rückführung nach Griechenland begründete Furcht, neuerlich Misshandlungen, die gegen Art. 3 der EMRK verstoßen ausgesetzt zu sein.

Die Feststellungen der og. Behörde zur Lage in Griechenland widersprechen in gravierender Weise den tatsächlichen Gegebenheiten."

Im Folgenden zitierte der Beschwerführer in seiner Berufung Berichte von Amnesty International, "OMTC", "Pro Asyl Deutschland" und des "Europaparlaments" aus dem Jahr 2007 zum Beleg der menschenrechtswidrigen Behandlung von Asylwerbern in Griechenland. Mit Berufungsergänzung vom legte er weitere derartige Berichte vor.

Bei dieser Sachlage greift die Begründung der belangten Behörde, das Bundesasylamt habe sich ausführlich mit der griechischen Rechtslage und -praxis auseinandergesetzt, während der Beschwerdeführer lediglich "nicht nachvollziehbare Behauptungen" (über seine Behandlung in Griechenland) vorgebracht habe, zu kurz.

Der Beschwerdeführer hat jedenfalls in seiner Berufung ein ausführliches und detailliertes Vorbringen erstattet, das in einem aufzuklärenden Spannungsverhältnis zu den erstinstanzlichen Länderfeststellungen über die griechische Asylrechtslage und - praxis steht. Das dieses Vorbringen wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot unbeachtlich sei (§ 40 AsylG 2005), wurde von der belangten Behörde nicht dargelegt. Ausgehend davon lässt sich aber die Einschätzung der erstinstanzlichen Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Erlebnissen in Griechenland (insbesondere zu den Misshandlungen) sei zu vage gewesen, nicht mehr aufrecht erhalten. Dementsprechend hätte sich die belangte Behörde auch nicht mit einem Verweis auf die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begnügen dürfen, sondern sie hätte selbstständig beurteilen müssen, ob das detaillierte und substantiierte Vorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft ist. Erst auf dieser Grundlage wäre - unter Berücksichtigung der Berichtslage über die Verhältnisse in Griechenland - zu beurteilen gewesen, ob besondere Gründe vorliegen, die die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 widerlegen.

Derartige Überlegungen hat die belangte Behörde auch ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, wonach an der Sicherheit eines Mitgliedstaats der EU generell nicht zu zweifeln ist, nicht angestellt und ihren Bescheid deshalb mit sekundären Verfahrensmängel belastet.

Im fortgesetzten Verfahren wird auch der - dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegende - Bericht des "Ecumenical Refugee Programm" vom zu beachten sein, wonach der nach Griechenland abgeschobene Beschwerdeführer dort obdachlos, arbeitslos und unversorgt gewesen sein soll, und überdies mit großen psychischen Problemen zu kämpfen gehabt habe. Träfen diese Behauptungen zu, so wäre der Beschwerdeführer jedenfalls der Gruppe besonders schutzwürdiger Personen zuzurechnen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 2008/19/0603 bis 0606 und 2007/19/0289 bis 0291, jeweils mit Bezugnahme auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , U 694/10).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am