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VwGH vom 30.03.2010, 2008/19/0686

VwGH vom 30.03.2010, 2008/19/0686

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der L P in W, geboren am , vertreten durch Hofbauer Wagner Rechtsanwälte Partnerschaft, in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom , Zl. 317.656-1/3E-XIX/61/08, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. (Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom als verspätet) wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Im Übrigen (also hinsichtlich des Spruchpunkts I. des angefochtenen Bescheids) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom (Postaufgabe ) beantragte die Beschwerdeführerin, eine weißrussische Staatsangehörige, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in ihrer Asylangelegenheit und erhob gleichzeitig Berufung. Die Brieffachanlage ihres Wohnhauses sei in einem äußerst desolaten Zustand. Das Brieffach ihrer Wohnung sei nicht schließbar, allgemein zugänglich und es gerieten immer wieder Briefsendungen in Verstoß. Aus diesem Grund habe sie erst dadurch, dass ihrem Ehemann anlässlich einer Vorsprache beim Bundesasylamt am eine Durchschrift des sie betreffenden erstinstanzlichen (negativen) Asylbescheids ausgefolgt worden sei, von dieser Entscheidung Kenntnis erlangt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag (Spruchpunkt I.) und die Berufung (Spruchpunkt II.) - aus näher dargestellten Gründen - als verspätet zurück.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Die belangte Behörde unterzog das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr Hausbrieffach sei in einem desolaten Zustand und damit allgemein zugänglich gewesen, keiner näheren Überprüfung. Träfe diese Behauptung aber zu, so wäre die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige im Hausbrieffach rechtswidrig gewesen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2003/01/0362, mwN, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom , 2005/01/0662). In diesem Fall läge ein Zustellmangel vor; der erstinstanzliche Bescheid wäre demnach nicht rechtswirksam erlassen und die Berufungsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Demnach hätte auch die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen.

Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, es läge ein Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor (siehe dazu gleich), hat die belangte Behörde es daher unterlassen, Feststellungen über den Zustellvorgang zu treffen und ihren Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Hinzu kommt, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin - wie aus dessen beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2008/19/0278 anhängigen Beschwerdeverfahren ersehen werden kann - gegen den ihn betreffenden erstinstanzlichen Asylbescheid eine nach Auffassung der Asylbehörden wirksame Berufung erhoben hat. Diese gilt nach dem hier anzuwendenden § 36 Abs. 3 AsylG 2005 im Familienverfahren auch für die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist der Rechtskraft zugänglich. Selbst wenn die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin - entgegen ihrem Vorbringen - rechtswirksam erfolgt wäre, hätte die belangte Behörde daher die gegen die Beschwerdeführerin ergangene Entscheidung als mitangefochten betrachten müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

2. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens der Beschwerdeführerin kommt nach dem Gesagten - mangels Versäumung einer Frist - eine Wiedereinsetzung nicht in Frage. Durch den die Wiedereinsetzung betreffenden Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wurde die Beschwerdeführerin daher nicht in ihren Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0662).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-82300