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VwGH vom 02.09.2010, 2008/19/0631

VwGH vom 02.09.2010, 2008/19/0631

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des KB in W, geboren am , vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 308.706-2/2E-XV/54/08, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit gemäß § 63 Abs. 5 AVG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers vom gegen den in seiner Asylangelegenheit ergangenen erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid sei dem Beschwerdeführer am durch persönliche Übergabe gemäß § 24 Zustellgesetz rechtswirksam zugestellt worden. Erst am (also nach Ablauf der Berufungsfrist) habe er Berufung erhoben, weshalb sich das Rechtsmittel als verspätet erweise.

Dagegen richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, dass die belangte Behörde die Berufung ohne vorherige Gewährung von Parteiengehör zurückgewiesen habe. Wäre dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden, so hätte er vorbringen können, dass er sich im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides in Schubhaft und bereits über zwei Wochen im Hungerstreik befunden habe. Sein dadurch bedingter schlechter Gesundheitszustand habe dazu geführt, dass ihm sowohl zum Zeitpunkt der Übergabe des Bescheides als auch in der Folgezeit (bis frühestens ) der Inhalt und die Tragweite des zugestellten Bescheides nicht erkennbar gewesen seien. Deshalb sei die Berufungsfrist mit der Übergabe des Bescheides nicht ausgelöst worden.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel geltend, dem die Relevanz für das Verfahrensergebnis nicht von vornherein abzusprechen ist.

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich nicht, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor Zurückweisung seiner Berufung als verspätet Parteiengehör eingeräumt hat. Dementsprechend unterliegt sein obiges Vorbringen auch nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sonst bestehenden Neuerungsverbot (vgl. dazu Mayer , B-VG4 (2007) § 41 VwGG

II. 1. mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Nach diesem Vorbringen war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an ihn auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage, die Tragweite der Entscheidung zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen des Verfahrens entsprechend zu verhalten. Trifft diese Behauptung zu, so wäre er zum Zeitpunkt der Zustellung handlungsunfähig und damit auch nicht prozessfähig gewesen. In diesem Zustand wäre eine wirksame Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an ihn nicht erfolgt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0012).

Ausgehend davon wäre von der belangten Behörde zu prüfen gewesen, ob der vom Beschwerdeführer behauptete Zustellmangel tatsächlich vorlag.

Da eine solche Prüfung zu Unrecht unterblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am