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VwGH vom 20.03.2014, 2013/08/0283

VwGH vom 20.03.2014, 2013/08/0283

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmann von Steiermark vom , Zl. A11-A6126p88/2010-12, betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 412 Abs. 6 ASVG (mitbeteiligte Partei: C InsolvenzverwaltungsgmbH als Masseverwalterin im Insolvenzverfahren der B Botendienst GmbH in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat mit Bescheid vom ausgesprochen, dass


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die in Anhang I und III dieses Bescheides angeführten Personen in den dort genannten Zeiträumen auf Grund ihrer Tätigkeit für die mitbeteiligte Partei der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterliegen (Spruchteil I.),
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die in Anhang II dieses Bescheides angeführten Personen in den dort genannten Zeiträumen auf Grund ihrer Tätigkeit für die mitbeteiligte Partei der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterliegen (Spruchteil II.),
und
- die mitbeteiligte Partei wegen der festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet ist, Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge sowie Verzugszinsen im Betrag von insgesamt EUR 401.948,59 nachzuentrichten (Spruchteil III.).
Begründend führte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse im Wesentlichen aus, dass die bei der mitbeteiligten Partei beschäftigten Personen ihre Tätigkeit als Fahrer nicht auf selbständiger Basis als Subunternehmer, sondern als Dienstnehmer ausgeübt hätten. Den Fahrern fehle jegliche Unternehmensstruktur, vielmehr liege eine solche nur bei der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin vor. Die Fahrer seien eingeschult worden, nach fixen Schichten gefahren und mit Funkgeräten, Rucksäcken, Rechnungsblöcken, Lieferscheinen etc., die mit dem Logo der mitbeteiligten Partei versehen waren, ausgestattet gewesen. Zudem habe persönliche Arbeitspflicht bestanden. Die Fahrer hätten vorwiegend ihre eigenen Fahrräder benützt und sich an bestimmte Regeln halten müssen. Zudem erfolge die Vergütung nach einem fixen Satz. Nach Ansicht der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse hätten die bei der mitbeteiligten Partei beschäftigten Fahrer ihre Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt erbracht; sie unterlägen daher als Dienstnehmer im Sinne des ASVG der Pflichtversicherung.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte die mitbeteiligte Partei im Wesentlichen vor, dass die Merkmale der Selbständigkeit bei den Fahrern überwogen hätten. Es habe keine Arbeitspflicht bestanden, den Fahrern sei es frei gestanden, zu welchen Zeiten sie arbeiten wollten. Sanktionen seien nicht vorgesehen gewesen, Aufträge hätten jederzeit abgelehnt werden können. Den Fahrern sei es frei gestanden, sich auch durch betriebsfremde Personen vertreten zu lassen. Die Fahrer hätten die wesentlichen Arbeitsmittel selbst gestellt. Die Funkgeräte seien nur im Interesse der Fahrer benutzt worden, um Aufträge zu erhalten. Eine Kontrolle durch die mitbeteiligte Partei habe nicht stattgefunden. Die Fahrer hätten Honorare gestellt und es sei von einer Leistungsentlohnung auszugehen. Die mitbeteiligte Partei rügte zudem, dass nur ein kleiner Teil der Fahrer einvernommen worden sei und überdies eine mündliche Verhandlung hätte anberaumt werden müssen. Ebenso werde die Höhe der Nachverrechnung bestritten. Gleichzeitig stellte die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung Folge. In der Begründung stellte sie fest, dass die Beschwerdeführerin dem Antrag nicht entgegen getreten sei. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens noch nicht gesagt werden könne, ob der Einspruch erfolgsversprechend im Sinne des § 412 Abs. 6 Z 1 ASVG erscheine. Nachdem jedoch keine Anhaltspunkte vorlägen, die darauf schließen ließen, dass das Verhalten der mitbeteiligten Partei auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen im Sinne des § 412 Abs. 6 Z 2 ASVG gerichtet sei, sei dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte nach Einleitung des Vorverfahrens die Verwaltungsakten nicht vor; die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
§ 412 ASVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 411/1996 lautet auszugsweise wie folgt:
"Einspruch gegen Bescheide der Versicherungsträger

§ 412. (1) Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen können binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann angefochten werden. Der Einspruch hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den er sich richtet, und einen begründeten Entscheidungsantrag zu enthalten. Der Einspruch ist beim Versicherungsträger, der den Bescheid erlassen hat, einzubringen. Ein beim Landeshauptmann eingebrachter Einspruch gilt als beim Versicherungsträger eingebracht und ist an diesen unverzüglich weiterzuleiten.

(...)

(6) Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung; der Landeshauptmann kann jedoch dem Einspruch auf Antrag aufschiebende Wirkung dann zuerkennen, wenn

1. der Einspruch nach Lage des Falles erfolgversprechend erscheint oder

2. das Verhalten des Einspruchswerbers nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet ist.

§ 413 Abs. 5 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Landeshauptmann die vorläufige Durchführung und die Erbringung der in Betracht kommenden Leistungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung dem Versicherungsträger, der den Bescheid erlassen hat, zu übertragen hat. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Einspruches ist innerhalb der für die Einbringung des Einspruches vorgesehenen Frist (Abs. 1) beim Versicherungsträger zu stellen. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Einspruches gilt gleichzeitig als Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bei Einbringung eines Vorlageantrages; dies gilt auch dann, wenn der Vorlageantrag nicht vom Einspruchswerber, sondern von einer anderen Partei gestellt wird."

Für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach dieser Bestimmung reicht es demnach aus, dass einer der beiden genannten Tatbestände vorliegt, also der Einspruch entweder erfolgsversprechend ist oder das Verhalten des Einspruchswerbers nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0061). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Entscheidung, dem Einspruch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, auf den zweiten Tatbestand gestützt (§ 412 Abs. 6 Z 2 ASVG).

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse bringt dagegen vor, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, also knapp zwei Monate nach dem Insolvenzfall der mitbeteiligten Partei, sich deren Verhalten als Einspruchswerberin gegenüber dem Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2010 derart zum Nachteil der Beschwerdeführerin geändert habe, dass nunmehr eine massive Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge seit der Insolvenz bestehe. Die Beschwerdeführerin verfüge über keinen vollstreckbaren Titel und müsse damit rechnen, dass der Masseverwalter ihre Forderung bestreite und diese entweder nicht quotenmäßig befriedigt werde oder zumindest keine Sicherstellung der Quote durch den Masseverwalter erfolge. Wenn die Forderung der Beschwerdeführerin im Insolvenzverfahren vollstreckbar sei, gelte diese gemäß § 131 Abs. 4 IO nur dann als bestritten, wenn der Bestreitende seinen Widerspruch mit Klage geltend gemacht habe. Damit lägen die Entscheidung und das Klagerisiko beim Insolvenzverwalter. Im Fall einer nicht vollstreckbaren Forderung hätte hingegen die Beschwerdeführerin den Prüfungsprozess anzustrengen und das damit verbundene Risiko zu tragen. Damit sei eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge durch das Verhalten der mitbeteiligten Partei eingetreten. Folglich liege auch die Voraussetzung gemäß § 412 Abs. 6 Z 2 ASVG für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.

Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nicht im Recht. Entgegen ihren Ausführungen kommt es nämlich bei § 412 Abs. 6 Z 2 ASVG nicht darauf an, ob sich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung möglicherweise nachteilig auf die verfahrensrechtliche Position der Beschwerdeführerin im Konkursverfahren auswirkt und es dadurch zu einer Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge kommt. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall allein, ob ein Verhalten der mitbeteiligten Partei (der Einspruchswerberin) vorliegt, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet ist.

Dies trifft aus folgenden Erwägungen nicht zu:

§ 412 Abs. 6 ASVG (idF BGBl. I Nr. 335/1993) wurde gemäß den Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle (AB 968 BlgNR 18. GP 5 f) dem § 212a Abs. 2 BAO nachempfunden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0159). Gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 212a Abs. 2 lit. c BAO bereits ausgesprochen, dass die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit allein die Aussetzung nicht unzulässig macht. Vielmehr schließe erst ein bestimmtes auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabenpflichtigen die Bewilligung der Aussetzung aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/15/0044). Ein solches Verhalten liegt unter anderem dann vor, wenn der Abgabenpflichtige sein Vermögen auf nahe Angehörige oder eine Stiftung überträgt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/14/0096, und vom , Zl. 2002/13/0045), Liegenschaften und Wirtschaftsgüter verkauft und die Erlöse ausschließlich ihm nahe stehenden Gesellschaften überlässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/14/0088) oder ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten seiner Mutter einräumt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/15/0296). Der Zweck der Vorschrift des § 212a Abs. 2 lit. c BAO besteht somit darin, einen Abgabenpflichtigen, der sein Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen versucht, daran zu hindern, den durch eine Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschub zu einer erfolgreichen Fortsetzung solcher Versuche zu missbrauchen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/15/0044).

Ein Verhalten der Einspruchswerberin, das in diesem Sinn auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtet ist, legt auch die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nicht dar. Weder der Wortlaut, noch der Zweck des § 412 Abs. 6 Z 2 ASVG sprechen dafür, im vorliegenden Fall eine solche Gefährdungshandlung der beitragspflichtigen mitbeteiligten Partei anzunehmen. Auch kann dem mit der Konkurseröffnung eingesetzten Masseverwalter schon auf Grund der ihm nach der IO zukommenden Pflichten kein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge gerichtetes Verhalten unterstellt werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Vorlageaufwand war nicht zuzuerkennen, da im gegenständlichen Beschwerdefall die Verwaltungsakten nicht vorgelegt worden sind und auch kein entsprechender Antrag gestellt worden ist.

Wien, am