VwGH vom 17.12.2019, Ra 2019/09/0046

VwGH vom 17.12.2019, Ra 2019/09/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision der J GmbH in W, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichte s Steiermark vom , Zl. LVwG 41.24-2453/2016-16, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei die Beschlagnahme von vier näher bezeichneten Glücksspielgeräten samt darin enthaltenen Geldbeträgen gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) verfügt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom Beschwerde.

3 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark führte am eine mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlungsschrift wurde unter der Überschrift "Eröffnung des

Beweisverfahrens:" protokolliert, dass dem "Verfahren ... der Akt

der belangten Behörde zur Grunde gelegt" werde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei abgewiesen und gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 In Bezug auf die getroffenen Feststellungen zu den beschlagnahmten Glücksspielgeräten, zum Kontrollvorgang und zur Funktionsweise der Geräte (Spielablauf) führte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend aus, diese Feststellungen stützten sich "auf die Wahrnehmungen der Kontrollorgane anlässlich der Kontrolle am , in Verbindung mit der Bilddokumentation samt verbaler Beschreibung zu dieser Kontrolle". 6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 4290/2018-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

7 In der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhob die revisionswerbende Partei die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 9 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision erweist sich mit Blick auf ihr Vorbringen, wonach gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 48 Abs. 1 VwGVG bzw. die hg. Judikatur (Verweis auf , VwSlg. 15501 A) verstoßen worden sei, weil in der Verhandlung "nichts verlesen" worden sei und auch "keine Zeugen einvernommen" worden seien, sodass das Verwaltungsgericht "nichts" gehabt habe, "worauf es bei Fällung seines Erkenntnisses Rücksicht hätte nehmen können", als zulässig und begründet:

11 Gemäß § 48 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 44 Abs. 5 VwGVG entfallen ist.

12 § 48 VwGVG legt die Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im Verwaltungsstrafverfahren fest, der für den Beschuldigten an Art. 6 EMRK zu messen ist. Demnach darf das Verwaltungsgericht, soweit es eine Verhandlung durchführt, bei seiner Entscheidung nur auf die in der Verhandlung selbst vorgekommenen Beweise Rücksicht nehmen (vgl. , mit Verweis auf ).

13 Nach der Verhandlungsschrift ist weder ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine Verlesung (§ 46 Abs. 3 VwGVG) gegeben gewesen wären, in der Verhandlung der "Akt der belangten Behörde" verlesen wurde noch dass die revisionswerbende Partei auf eine Verlesung verzichtet hätte. Das Verwaltungsgericht stützt sich in seiner Beweiswürdigung aber (ausschließlich) auf die Beweisergebnisse im Akt der belangten Behörde, zumal es selbst keine Zeugen einvernommen oder sonstige Beweise (neu) aufgenommen hat.

14 Stützt sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung zu einer entscheidungswesentlichen Tatfrage unter anderem auf Beweise, die entgegen § 48 VwGVG nicht in der durchgeführten Verhandlung aufgenommen wurden, ist daraus ein für den Beschuldigten nachteiliger Einfluss auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht auszuschließen. Ein solcher sich aus der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nach § 48 VwGVG ergebender Verfahrensmangel ist insofern entscheidungsrelevant und hat die Aufhebung eines entsprechend mangelhaften Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes zur Folge (vgl. das genannte Erkenntnis ).

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen gewesen wäre.

16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090046.L00

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