VwGH 24.04.2019, Ra 2019/09/0045
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | GSpG 1989 §54 Abs3 VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Stattgebung (insoweit, als die Einziehung der beschlagnahmten Glücksspielgeräte vorerst nicht stattzufinden hat) - Beschlagnahme und Einziehung nach dem Glücksspielgesetz - Gemäß § 54 Abs. 3 GSpG sind eingezogene Gegenstände nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten. Das angefochtene Erkenntnis ist demnach insofern einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich, als die Rechtskraft des (vor dem Verwaltungsgericht) angefochtenen Einziehungsbescheides Tatbestandsmerkmal des § 54 Abs. 3 GSpG ist und die nachweisliche Vernichtung der eingezogenen Gegenstände binnen Jahresfrist zur Folge hat. Die Interessenabwägung ergibt einen unverhältnismäßigen, weil irreversiblen Nachteil des Revisionswerbers im Falle des Vollzugs des angefochtenen Erkenntnisses. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/13/0044 B RS 1
(hier ohne den Klammerausdruck und ohne den ersten Satz) |
Normen | |
RS 1 | Die Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG) hängt von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG ab und das Verwaltungsgericht trifft daher im Einziehungsverfahren nach GspG die Verpflichtung, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens nähere Feststellungen zum Vorliegen der Verwirklichung des objektiven Tatbildes zu treffen (vgl. etwa ); |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/17/0019 B RS 1 |
Normen | VStG VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
RS 2 | Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Diese Bindung besteht allerdings nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten (vgl. mwN). Auch im Verwaltungsstrafverfahren ist von der Beschränkung der Bindungswirkung von Straferkenntnissen auf Parteien, denen gegenüber sie ergangen sind, auszugehen (vgl. z.B. ; , 2000/07/0075; , 2005/06/0387). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/17/0052 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 41.23-1451/2017-9, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom , mit dem die Einziehung von näher bezeichneten Glücksspielgeräten gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz verfügt worden war, als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist.
3 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. 4 Das angefochtene Erkenntnis ist insofern einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich, als die Rechtskraft des Einziehungsbescheides Tatbestandsmerkmal des § 54 Abs. 3 GSpG ist und die nachweisliche Vernichtung der eingezogenen Gegenstände binnen Jahresfrist zur Folge hat (vgl. ).
5 Der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wurde Gelegenheit gegeben, zum Antrag auf aufschiebende Wirkung Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde wurde insbesondere aufgefordert, sich zur Frage zu äußern, ob zwingende öffentliche Interessen dem Aufschub des Vollzuges des angefochtenen Verwaltungsaktes entgegenstehen. Die belangte Behörde hat keine Stellungnahme abgegeben und somit auch keine derartigen Interessen behauptet. Fallbezogen sind solche zwingenden öffentlichen Interessen für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.
6 Die Interessenabwägung ergibt einen unverhältnismäßigen, weil irreversiblen Nachteil des Revisionswerbers im Falle des Vollzugs des angefochtenen Erkenntnisses.
7 Dem Antrag war daher stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision der U G s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 41.23-1451/2017-9, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld vom wurde gegenüber der revisionswebenden Partei als Eigentümerin die Einziehung von acht näher bezeichnete Glücksspielgeräten und eines sonstigen Eingriffsgegenstandes (Abschreibeschlüssel) gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Glücksspielgesetz (GS pG) verfügt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom wurde die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichthof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 In der Begründung dieser Entscheidung ging das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Sachverhaltsfeststellungen unter anderem davon aus, dass im "durchgeführten Beschlagnahmeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark ... durch Durchführung von Testspielen nachgewiesen" habe werden können, dass "es sich bei den aufgestellten Geräten um Glückspielgeräte" handle. Der Geschäftsführer der J GmbH, die Inhaberin des Lokals gewesen sei, sei mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom bezüglich der im Lokal vorgefundenen Glückspielgeräte wegen neun Übertretungen des GSpG schuldig erkannt worden. Dieses Straferkenntnis sei mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom bestätigt worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde weiters ausgeführt, es werde festgestellt, dass "sowohl im Beschlagnahmeverfahren als auch im Strafverfahren der Beweis erzielt" habe werden können, dass "es sich um verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG handelt und dass es sich bei den vorgefundenen und beschlagnahmten Geräten um Gegenstände handelt, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen" worden sei. 4 In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Ansicht, dass "dem Verwaltungsgericht kein Raum mehr" bleibe, "im Einziehungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 GSpG eine andere Beurteilung zu treffen", wenn "bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid die Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG" feststehe. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 7 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
8 Die revisionswerbende Partei macht in ihrer Begründung unter anderem geltend, das Verwaltungsgericht habe in Verkennung der Rechtslage - insbesondere in Verkennung der Bindungswirkung eines Strafurteils - nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen, die eine Einziehung gemäß § 54 GSpG tragen könnten. Das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt, nur hinsichtlich jener Personen entfalte, denen gegenüber das Strafurteil ergangen sei, nicht aber gegenüber Dritten (Verweis auf ). 9 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:
10 § 54 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 70/2013, lautet auszugsweise:
"§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.
..."
11 Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist die Einziehung nach § 54 GSpG unabhängig von einer Bestrafung eines Beschuldigten und hängt gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG ab (vgl. ; , Ra 2018/17/0050; , Ra 2017/17/0763). Das Verwaltungsgericht trifft daher im Einziehungsverfahren nach dem GSpG die Verpflichtung, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens nähere Feststellungen zum Vorliegen der Verwirklichung des objektiven Tatbildes zu treffen (vgl. ; , Ra 2018/17/0157).
12 Im vorliegenden Fall nimmt das Verwaltungsgericht allerdings den Standpunkt ein, ihm bleibe "kein Raum mehr", im Einziehungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 GSpG eine andere Beurteilung zu treffen, da bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid die Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG feststehe. Damit geht es offenbar davon aus, dass dem rechtskräftigen Straferkenntnis gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Lokalinhaberin - einer von der revisionswerbenden Partei verschiedenen Gesellschaft - im vorliegenden Verfahren Bindungswirkung zukommt.
13 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Diese Bindung besteht allerdings nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten. Auch im Verwaltungsstrafverfahren ist von der Beschränkung der Bindungswirkung von Straferkenntnissen auf Parteien, denen gegenüber sie ergangen sind, auszugehen (vgl. , mwN; siehe auch ). 14 Da das Verwaltungsgericht demnach in Verkennung der Rechtslage von einer Bindungswirkung der gegenüber einem Dritten erlassenen, rechtskräftigen Entscheidung ausgegangen ist, war das angefochtene Erkenntnis schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | GSpG 1989 §54 Abs3 VwGG §30 Abs2 |
Schlagworte | Interessenabwägung Unverhältnismäßiger Nachteil |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090045.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAE-82236