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VwGH vom 14.10.2009, 2006/08/0323

VwGH vom 14.10.2009, 2006/08/0323

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Burgenländischen Gebietskrankenkasse in Eisenstadt, vertreten durch Dr. Manfred Moser und Mag. Michael Wild, Rechtsanwälte in 7033 Pöttsching, Wiener Neustädter Straße 57, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom , Zl. 6- SO-N2254/4-2006, betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: RH GmbH in P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vom wurden der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Sonderbeiträge, Fonds- und Umlagebeiträge in der Höhe von S 133.525,50 (EUR 9.674,61) sowie ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 7.153,75 (EUR 519,88) vorgeschrieben.

Diese Nachverrechnung erfolgte auf Grund einer Beitragsprüfung für den Zeitraum von Jänner 1996 bis Oktober 1997, wobei in diesem Bescheid im Einzelnen dargelegt wird, für welche Dienstnehmer in welchem Zeitraum mit welchen Beträgen sowie aus welchem Grund eine Nachverrechnung erfolgte.

Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Einspruch und wandte sich darin gegen die Nachverrechnung von Beiträgen, Beitragszuschlägen bzw. Verzugszinsen für die Dienstnehmer ET, BP, AS, HG, EG, ID und KD.

Die Dienstnehmer ET, AS und HG hätten eine monatliche Bauleiterzulage in der Höhe von S 2.000,--, der Dienstnehmer BP eine Bauleiterzulage in der Höhe von monatlich S 5.000,--, als Prämie für besondere Leistungen ausbezahlt erhalten. Diese Zulagen seien von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse zu Unrecht als "Sonderzahlungsbestandteil" (gemeint: als Teil der Bemessungsgrundlage für den Anspruch auf Sonderzahlungen) in die Beitragsnachverrechnung aufgenommen worden. Nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe seien regelmäßig gewährte Prämien nicht in den Verdienstbegriff mit einzubeziehen. Bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration sei daher arbeitsrechtlich die Bauleiterzulage nicht zu berücksichtigen.

Beim Dienstnehmer EG handle es sich um einen besonders qualifizierten Arbeitnehmer nach dem einschlägigen Kollektivvertrag. Er habe keine Lehrabschlussprüfung und sei dementsprechend auch nicht als Facharbeiter verwendet worden. Die Beitragsnachverrechnung auf Basis der Facharbeiterentlohnung entbehre daher jeglicher Grundlage.

ID sei in einem Lehrverhältnis zur mitbeteiligten Partei gestanden, welches am aufgelöst worden sei. Für Zeiten der unentschuldigten Abwesenheit vom bis sowie vom bis müsse auch kein Entgelt bzw. keine Lehrlingsentschädigung bezahlt werden.

Beim Dienstnehmer KD habe die Lehrzeit am geendet. Er habe daher ab Anspruch auf Entlohnung als besonders qualifizierter Arbeitnehmer. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse habe aber in der Beitragsnachverrechnung den Facharbeiterlohn als Beitragsgrundlage herangezogen. Dies sei insofern unrichtig, als die mitbeteiligte Partei keine Kenntnis von der positiven Ablegung der Lehrabschlussprüfung durch diesen Dienstnehmer erlangt habe.

Die mitbeteiligte Partei stellte im Einspruch den Antrag an die belangte Behörde, den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass für die Dienstnehmer ET, BP, AS, HG, EG, ID sowie KD keine Beiträge und keine Beitragszuschläge und Verzugszinsen nachverrechnet werden.

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse erstattete eine Stellungnahme zum Einspruch, in der sie im Detail zu den Einspruchsgründen Stellung nahm. Sie hielt dabei fest, dass der Einspruch hinsichtlich des Dienstnehmers EG berechtigt sei, da eine Anfrage bei der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer ergeben habe, dass dieser die Lehre vorzeitig beendet und keine Lehrabschlussprüfung abgelegt habe. Dieser Dienstnehmer sei daher nicht als Facharbeiter, sondern als besonders qualifizierter Arbeitnehmer einzustufen. Auch im Hinblick auf den ehemaligen Lehrling ID erkannte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse den Einspruch der mitbeteiligten Partei als berechtigt an.

Die beschwerdeführende Partei stellte in ihrer Stellungnahme zum Einspruch den Antrag, dem Einspruch teilweise stattzugeben, indem die Nachverrechnung hinsichtlich des Dienstnehmers EG zu entfallen hätte und die Nachverrechnung hinsichtlich des Dienstnehmers ID zu korrigieren wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos behoben.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde ausschließlich mit der Nachverrechnung der Bauleiterzulage auseinander. Sie führt dazu aus, dass die von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vertretene Rechtsauffassung auch unter Zugrundelegung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 96/08/0291, auf den ersten Blick "durchaus plausibel" sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch im zitierten Erkenntnis den Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie seiner Rechtsauffassung zu Grunde zu legen gehabt, nicht jedoch - wie im gegenständlichen Fall - den Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe. Der im Beschwerdefall anzuwendende Kollektivvertrag gehe vom Verdienstbegriff aus, wobei Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Montage-, Schicht- und Nachtarbeiterzulagen sowie der Vorarbeiterzuschlag mit ihrem Durchschnittsbetrag in den Verdienst für die Berechnung der Sonderzahlungen einzubeziehen seien. Diese abschließende taxative Aufzählung eröffne keinen weiteren Auslegungsspielraum für die Miteinbeziehung der Bauleiterzulage. Aus diesem Grunde sei sie auch bei Sonderzahlungen nicht zu berücksichtigen. Es handle sich bei der Bauleiterzulage vielmehr um eine freiwillige dienstvertragliche Regelung, die nicht 14 mal pro Jahr zur Auszahlung gelange, sondern auf Grund der Vereinbarung nur 12 mal.

Eine weitere Begründung enthält der angefochtene Bescheid nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse über die Nachverrechnung von Beiträgen und die Verhängung eines Beitragszuschlags ersatzlos behoben. Bei einer solchen ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides handelt sich um eine (endgültige) Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG mit dem Inhalt, dass der mitbeteiligten Partei gar keine Beiträge nachverrechnet werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0358). Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ist durch diese Entscheidung schon deswegen beschwert, weil damit auch die Nachverrechnung jener Beiträge, die von der mitbeteiligten Partei im Einspruchsverfahren nicht bekämpft wurden, ausgeschlossen wäre.

Die belangte Behörde hätte den erstinstanzlichen Bescheid daher entweder - bei Vorliegen der Voraussetzungen - gemäß § 417a ASVG zum Zwecke der Verfahrensergänzung beheben oder ihn gemäß § 66 Abs. 4 AVG abändern müssen.

2. Soweit die belangte Behörde die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides auf den "Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe" (gemeint wohl:

Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe) stützt, ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde ihrer Verpflichtung, die maßgeblichen Bestimmungen des von ihr angewendeten Kollektivvertrages in der Begründung ihres Bescheides festzustellen (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0250), nicht nachgekommen ist, sodass der Bescheid auch aus diesem Grunde mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

3. Im Übrigen ist anzumerken, dass nach Ansicht der belangten Behörde die bestimmten Dienstnehmern gewährte Bauleiterzulage, die nach dem Einspruchsvorbringen der mitbeteiligten Partei "monatlich als Prämie für besondere Leistungen ausbezahlt" wurde, bei den Sonderzahlungen deshalb nicht zu berücksichtigen sei, weil sie in der den Verdienstbegriff regelnden Bestimmung des anzuwendenden Kollektivvertrags nicht ausdrücklich unter den in den Verdienst einzubeziehenden Zulagen genannt ist.

Die belangte Behörde übersieht damit, dass aus der Aufzählung jener kollektivvertraglich geregelten Zulagen, die in den Verdienst einzubeziehen sind, nicht der Gegenschluss gezogen werden kann, dass andere, nicht im Kollektivvertrag geregelte "Zulagen" oder "Prämien" nicht bereits als Bestandteil des Arbeitslohns in die Grundlage für die Berechnung der Sonderzahlungen einzubeziehen sein könnten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0291). Sie hätte daher bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachverrechnung auch Feststellungen darüber zu treffen gehabt, auf welcher Rechtsgrundlage die "Bauleiterzulagen" gewährt wurden; darauf aufbauend wäre zu beurteilen, ob diese Zulagen als (wenngleich mit einer besonderen Bezeichnung versehene) Entgeltbestandteil in die Berechnung der Sonderzahlungen einzuberechnen waren.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das den Ersatz der Pauschalgebühr betreffende Mehrbegehren war wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-82234