VwGH vom 30.03.2010, 2008/19/0330
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/19/0332
2008/19/0331
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom , 1.) Zl. 309.604- 2/3E-II/04/08 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/19/0330),
2.) Zl. 309.602-2/3E-II/04/08 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/19/0331), und 3.) Zl. 309.603-2/3E-II/04/08 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/19/0332), betreffend Entscheidungen nach § 41 Abs. 3 Asylgesetz 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. L A, 2. S M U, 3. A S U, alle in B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Die Mitbeteiligten sind Mitglieder einer Familie (Mutter und minderjährige Söhne) und Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.
Sie beantragten im Dezember 2006 erstmals im Bundesgebiet internationalen Schutz. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde vom wurden diese Anträge gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurückgewiesen und für die Prüfung der Anträge Polen für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurden die Mitbeteiligten gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung dorthin gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom , Zl. 2007/20/0979 bis 0981 abgelehnt.
Am beantragten die Mitbeteiligten neuerlich internationalen Schutz. Diese Anträge wurden in erster Instanz wiederum gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Polens ausgesprochen, die Mitbeteiligten dorthin ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt.
Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen erhobenen Berufungen der Mitbeteiligten gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 statt. Begründend führte sie im erstangefochtenen Bescheid nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz hätte die Folgeanträge der Mitbeteiligten - im Falle eines unveränderten Sachverhalts - gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückweisen und eine Ausweisung unterlassen müssen. Die belangte Behörde nehme diese Abänderung des angefochtenen Bescheides aus Anlass der vorliegenden Berufung aber nicht selbst vor, da nicht auszuschließen sei, dass das in der Berufung vorgebrachte Familienleben der Erstmitbeteiligten zu einer in Österreich aufhältigen Schwester "jedenfalls nunmehr ... mit Blick auf Art. 3 Abs. 2" Dublin-Verordnung in Verbindung mit Art. 8 EMRK eine gegenüber dem rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahren geänderte Sachlage begründe. Die diesbezüglich notwendigen Erhebungen seien zweckmäßigerweise vom Bundesasylamt durchzuführen. Ausgehend davon seien auch die zweit- und drittangefochtenen Bescheide im Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 zu beheben.
Dagegen wendet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Amtsbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Amtsbeschwerde erachtet es als klärungsbedürftig, ob - entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde - die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Asylgesetz 1997 (in der Fassung vor der Asylgesetz-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101), wonach sich ein Zurückweisungsausspruch nach dieser Gesetzesstelle nur auf den jeweiligen Asylantrag bezieht und jeder neue (wiederholte) Asylantrag daher nach der Systematik des AsylG einer eigenen Zuständigkeitsprüfung zu unterziehen ist, auch unter dem Asylgesetz 2005 und "in vorliegender Konstellation" (gemeint: bei einem gegenüber dem vorangegangenen Asylverfahren unveränderten Sachverhalt) Anwendung zu finden hat.
Dem ist zu erwidern, dass die angesprochene Rechtsfrage keine tragende Begründung der angefochtenen Bescheide war und daher auch keine Bindungswirkung für die erste Instanz entfalten konnte (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb , AVG § 66 Rz 26 mwN). Die belangte Behörde hat die Behebung der erstinstanzlichen Entscheidungen gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 darauf gestützt, dass -
nach dem Vorbringen der Erstmitbeteiligten - eine maßgebliche Sachverhaltsänderung in Bezug auf ihr Familienleben zu einer in Österreich lebenden Schwester vorliegen könne, woraus sich die Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK ergäbe. Da das Verfahren insofern mangelhaft geblieben sei, müssten weitere Erhebungen "zweckmäßigerweise" durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden. Mit diesen entscheidungsrelevanten Erwägungen der belangten Behörde setzt sich die Amtsbeschwerde nicht auseinander und sie zeigt daher auch nicht auf, dass die Voraussetzungen für eine Behebung der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 41 Abs. 3 AsylG 2005 - wie von der belangten Behörde angenommen - nicht vorgelegen wären.
Schon deshalb war die Amtsbeschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass die in der Amtsbeschwerde angesprochene Rechtsfrage mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/0466, mittlerweile entschieden worden ist. Demnach ist im Anwendungsbereich des AsylG 2005 ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umständen, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union geführt haben, keine Änderung eingetreten ist. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Insofern erweist sich daher die im erstangefochtenen Bescheid vertretene Rechtsauffassung der belangten Behörde im Ergebnis als richtig.
Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0344, wurde auch bereits erkannt, dass jede Zurückweisung eines Folgeantrags nach § 68 Abs. 1 AVG mit einer Ausweisung zu verbinden ist, und zwar selbst dann, wenn sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt insoweit nicht geändert hat (vgl. dazu Punkt 5.3 der Erwägungen des zitierten Erkenntnisses). Die gegenteilige von der belangten Behörde im erstangefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht findet im AsylG 2005 keine Deckung.
Dem Kostenersatzbegehren der belangten Behörde kam gemäß § 47 Abs. 4 VwGG im Amtsbeschwerdeverfahren keine Berechtigung zu.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-82221