VwGH vom 29.01.2014, 2013/08/0270
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des J S in Wien, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9-003976, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid widerrief die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß §§ 24, 33 und 36 iVm § 38 AlVG den Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum bis und berichtigte die Bemessung der Notstandshilfe für näher bezeichnete Zeiträume zwischen dem und dem . Gemäß § 38 iVm § 25 AlVG wurde die im Zeitraum bis zu Unrecht bezogene Notstandshilfe in Höhe von insgesamt EUR 27.238,02 zum Rückersatz vorgeschrieben.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit mit Unterbrechungen im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden sei. In seinen Anträgen auf Notstandshilfe vom und vom habe er die Frage, ob er ein eigenes Einkommen habe, jeweils verneint. In den Anträgen vom und vom habe er diese Frage jeweils mit "Ja: Folgeprovisionen, Vermietung" beantwortet.
Er habe dem Arbeitsmarktservice im Oktober 2009 erstmals bekannt gegeben, dass er seit dem Jahr 2006 Folgeprovisionen von verschiedenen Versicherungen erhielte. Er hätte seit Ende der Selbständigkeit im Jänner 2006 keinerlei selbständige Tätigkeit ausgeübt. Ab 2005 hätte er Garagengebäude errichten lassen und bis August 2008 nur Aufwendungen gehabt. Ab der Vermietung der Garagen beginnend mit September 2008 wären Einkünfte entstanden. Er würde dafür keine Gewerbeberechtigung benötigen, es gäbe kein Büro, er würde wöchentlich zwei Stunden aufwenden.
Er habe dem Arbeitsmarktservice ab Februar 2010 monatlich Erklärungen über sein Nettoeinkommen vorgelegt, wobei das von ihm erklärte Einkommen jeweils unter der maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze gelegen sei, weshalb vorerst - mit Ausnahme von Februar 2011 - keine Anrechnung auf den Notstandshilfeanspruch erfolgt sei.
Nach Anforderung und Überprüfung sämtlicher Einkommensteuerbescheide der Jahre 2007 bis 2011 habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit Bescheid vom die Notstandshilfe für die eingangs genannten Zeiträume widerrufen.
Laut Auskunft aus dem Zentralgewerberegister habe der Beschwerdeführer seinen Gewerbeschein mit dem Gewerbewortlaut "Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten" erstmals mit aktiviert und mit wieder ruhend gemeldet. In der Folge habe er ihn immer wieder aktiviert und ruhend gemeldet, wobei er in den Zeiten der "aktiven" Gewerbeberechtigung - in denen er der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG unterlegen sei - keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe. Der Beschwerdeführer verfüge außerdem über einen Gewerbeschein für das freie Gewerbe "Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen unter Ausschluss der dem Kraftfahrzeugtechniker und jeder anderen einem Befähigungsnachweis unterliegenden Tätigkeit vorbehaltenen Gewerbe (Servicestation)"; dieses sei jedoch im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum ruhend gemeldet gewesen.
Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2011 wiesen neben Verlusten aus Vermietung und Verpachtung jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus, und zwar (jeweils nach Abzug der Sonderausgaben) im Jahr 2007 EUR 12.566,78, im Jahr 2008 EUR 12.934,50, im Jahr 2009 EUR 10.854,78, im Jahr 2010 EUR 8.377,77 und im Jahr 2011 EUR 7.102,90. Die Einkommensteuer habe jeweils EUR 0,-- betragen.
Die in den Jahren 2007 bis 2011 vom Beschwerdeführer abgegebenen Einkommensteuererklärungen wiesen jeweils unter "Betriebliche Einkunftsarten" Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus mit dem Versicherungswesen verbundenen Tätigkeiten aus. Er habe trotz mehrmaliger Aufforderung keine Nachweise über Höhe, Art und Zeitpunkt des Zuflusses der Einkünfte vorgelegt, sodass die belangte Behörde davon ausgehe, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum regelmäßig Folgeprovisionen ausbezahlt bekommen habe, das heißt regelmäßig ein eigenes Einkommen aus seiner ehemaligen Tätigkeit als Versicherungsmakler erzielt habe.
Ausgehend davon berechnete die belangte Behörde das in den Jahren 2007 bis 2011 jeweils erzielte (Netto )Einkommen, woraus sich für die Jahre 2007 und 2008 jeweils ein über der täglichen Notstandshilfe liegender Anrechnungsbetrag und für die Jahre 2009 bis 2011 ein zu einer Reduktion des Notstandshilfeanspruchs führender Anrechnungsbetrag ergab.
Notlage sei, so die belangte Behörde weiter, schon insoweit nicht anzunehmen, als das anzurechnende Einkommen zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreiche. Steuerliche Verluste aus anderen Einkunftsarten, so wie im Beschwerdefall aus Vermietung und Verpachtung, seien dabei nicht zu berücksichtigen, weil man andernfalls im Ergebnis zu einer teilweisen indirekten Finanzierung einer anderweitigen Tätigkeit durch Mittel der Arbeitslosenversicherung käme und damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung geriete.
Auch der Einwand des Beschwerdeführers, er hätte einen Teil seiner Folgeprovisionen auf Grund privater Vereinbarungen an Dritte weitergegeben, könne nicht berücksichtigt werden. Die Notstandshilfe stelle eine Leistung zur Existenzsicherung dar, weshalb solche privatrechtlichen Vereinbarungen über die Verwendung von Einkünften außer Acht zu lassen seien. Der Versichertengemeinschaft könne nicht zugemutet werden, die Existenz von Personen, welche zwar ausreichendes Einkommen erzielten, dieses aber auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen anders als zur Befriedigung der dringenden Lebensbedürfnisse verwendeten, zu sichern.
Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung sei der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe oder wenn er erkennen habe müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Der Empfänger einer Leistung nach dem AlVG sei auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne sein Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergebe, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebühre; in diesem Fall dürfe jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.
Der Beschwerdeführer habe das Arbeitsmarktservice entgegen der ihn treffenden Meldepflichten unstrittig bis nicht über seine Einkommensverhältnisse informiert. Darüber hinaus bestehe gemäß § 25 Abs. 1 AlVG auch dann eine Verpflichtung zum Rückersatz, wenn sich ohne Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergebe, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebühre, weshalb auch der Einwand des Beschwerdeführers, er hätte die Angaben in unverschuldeter Unkenntnis getätigt und daher keinen Rückforderungstatbestand verwirklicht, ins Leere gehe.
Die Verpflichtung zum Rückersatz sei aber gemäß § 25 Abs. 6 AlVG für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts durch die regionale Geschäftsstelle, zurücklägen. Jedenfalls habe die regionale Geschäftsstelle am (Datum erstinstanzlicher Bescheid) Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts gehabt, sodass eine Verpflichtung zum Ersatz des vor dem unberechtigt Empfangenen unzulässig sei.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in einer Notlage iSd § 33 Abs. 3 AlVG befindet.
Nach § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.
Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners oder Lebensgefährten (seit der Novelle BGBl. I Nr. 135/2009 auch des eingetragenen Partners) zu berücksichtigen.
Nach § 36 Abs. 3 Abschnitt A AlVG ist das Einkommen des Arbeitslosen wie folgt zu berücksichtigen: Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt.
Gemäß § 36a Abs. 1 AlVG ist bei der Feststellung des Einkommens unter anderem für die Anrechnung auf die Notstandshilfe nach den folgenden Absätzen vorzugehen. Einkommen ist nach § 36a Abs. 2 AlVG das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich u. a. den Hinzurechnungen gemäß § 36a Abs. 3 AlVG. Gemäß § 36a Abs. 5 AlVG ist das Einkommen bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise nachzuweisen.
Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt; es ist neu zu bemessen, wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert.
Nach § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Nach Satz 3 leg.cit. ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.
Gemäß § 25 Abs. 6 AlVG ist eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 oder eine Verfügung zur Nachzahlung für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.
Die Bestimmungen der §§ 24 und 25 AlVG sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
2. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2007 bis 2011 jeweils über der Geringfügigkeitsgrenze liegende Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte, denen jedoch negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gegenüber standen. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass bei der Ermittlung des gemäß § 36 Abs. 3 AlVG zur Beurteilung der Notlage anzurechnenden Einkommens kein Verlustausgleich zwischen diesen Einkunftsarten vorzunehmen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits ausgesprochen, dass Notlage schon insoweit nicht anzunehmen ist, als das anzurechnende Einkommen aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit, aus einer Invaliditätsversorgung oder aus Vermietung und Verpachtung zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht, wobei steuerliche Verluste aus anderen Einkunftsarten nicht zu berücksichtigen sind. Andernfalls käme man im Ergebnis zu einer indirekten Finanzierung einer unternehmerischen Tätigkeit durch Mittel der Arbeitslosenversicherung und geriete damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2001/08/0124 u.a., mwN). Dies gilt auch in der hier vorliegenden Konstellation, in der positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gegenüber stehen. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf der Grundlage der in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu dem Schluss gekommen ist, dass der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers zu widerrufen bzw. zu berichtigen ist.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen war es dabei unerheblich, ob der Beschwerdeführer auf Grund schuldrechtlicher Vereinbarungen verpflichtet war, Teile der Einkünfte aus Gewerbebetrieb an Dritte weiterzugeben. Die Behörde ist nämlich bei ihrer Entscheidung über den Widerruf eines Notstandshilfebezuges hinsichtlich der Höhe der Einkünfte an den Einkommensteuerbescheid gebunden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das schon zitierte Erkenntnis vom , Zlen. 2001/08/0124 u.a., sowie aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0223, jeweils mwN). Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers gehen daher ins Leere.
Gegen die rechnerische Richtigkeit der Anrechnungsbeträge wendet sich die Beschwerde nicht.
3. Die belangte Behörde ist auch insoweit im Recht, als sie - innerhalb der Grenzen des § 25 Abs. 6 AlVG - die demnach zu Unrecht empfangene Notstandshilfe gemäß § 25 AlVG zurückgefordert hat. Auf ein Verschulden des Beschwerdeführers ist es dabei nicht angekommen, weil sich die Ungebührlichkeit der Leistung im Sinn des § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG auf Grund von nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheiden ergab.
4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-82200