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VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/09/0030

VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/09/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die außerordentliche Revision 1. des H L in D und

2. der L GmbH in G, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 30.17-1417/2018-9, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der zweitrevisionswerbenden Partei der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit vier näher bezeichneten Glücksspielgeräten für schuldig erkannt, weil die zweitrevisionswerbende Partei in der Zeit vom bis zum verbotene Ausspielungen in Form virtueller Walzenspiele unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Über den Erstrevisionswerber wurden vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils 30.000,-- Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils neun Tagen) verhängt. Die zweitrevisionswerbende Partei wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung verpflichtet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass die verhängten Geldstrafen auf jeweils 10.000,-- Euro (sowie die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils drei Tage) herabgesetzt wurden. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahrens der belangten Behörde auf den Betrag von 4.000,-- Euro verringere und dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. , mwN).

9 Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der

gegenständlichen Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment, C- 464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds, C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall mit seiner Beurteilung im Ergebnis nicht abgewichen. Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nichts auf, was diesbezüglich zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Die angefochtene Entscheidung steht entgegen diesem Vorbringen auch nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12.

10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. Sporting Odds, C-3/17, Rn. 55; ). 11 Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom zu verweisen.

12 Das Verwaltungsgericht hat sich - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen - zudem ausreichend mit der Funktionsweise der Geräte beschäftigt, entsprechende Feststellungen getroffen und sie darauf basierend rechtlich als Glücksspielgeräte qualifiziert. Bei der Frage, ob für eine solche Annahme ausreichende Beweisergebnisse vorhanden waren, handelt es sich jedoch um eine Frage der Beweiswürdigung. Zu deren Überprüfung ist der Verwaltungsgerichtshof als reine Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung oder die einzelfallbezogene Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme erforderlich ist, grob fehlerhaft und in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. , mwN). Dies wird hier aber nicht aufgezeigt.

13 Mit dem im Zusammenhang mit dem E-Commerce-Gesetz (ECG) erstatteten Vorbringen zeigen die revisionswerbenden Parteien eine Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf. Soweit sie meinen, sie könnten als Diensteanbieter im Sinne des § 13 ECG gemäß § 18 ECG nicht für den Inhalt von ihnen bloß durchgeleiteter Daten haften, ist darauf hinzuweisen, dass der Erstrevisionswerber nicht für die bloße Durchleitung von Daten, sondern für das unternehmerische Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen schuldig erkannt und deswegen bestraft worden ist. Rechtsvorschriften, die die Zulässigkeit der Aufnahme oder Ausübung einer geschäftlichen, gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit regeln und nicht besonders und ausschließlich für Dienste der Informationsgesellschaft oder deren Anbieter gelten, bleiben im Übrigen gemäß § 4 Abs. 2 ECG durch das ECG unberührt (vgl. , 0124, mwN).

14 Wenn die Revision weiters behauptet, dass im Hinblick auf die Möglichkeit der Durchführung von online-Glücksspielen auf den Geräten eigentlich der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 6 GSpG zur Anwendung hätte gelangen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass bei Geräten mit Internetverbindung die Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu erfolgen hat (vgl. nochmals , 0124, mwN).

15 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als unzulässig erweist. 16 Die revisionswerbenden Parteien sind jedoch im Recht, wenn sie sich gegen die Anwendung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG wenden und meinen, dass das Verwaltungsgericht den dritten Strafrahmen dieser Sanktionsnorm heranzuziehen gehabt hätte, weil es aktenwidrig sei, dass der Erstrevisionswerber im maßgebenden Zeitpunkt "wegen einer Vortat iSd § 52 Abs. 2 dritter Strafrahmen rechtskräftig" bestraft worden wäre. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet.

17 Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP, 23) an der Staffelung der Mindest- und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) (vgl. etwa auch ). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer "Wiederholung" im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein "Wiederholungsfall" im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt. Der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. , 0006, mit Verweis auf , mwN).

18 Die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG kann aber nur mit dem Vorliegen von solchen Vorstrafen nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG begründet werden, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren (vgl. nochmals , 0006). 19 Das Verwaltungsgericht begründete die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG damit, dass dem Erstrevisionswerber "von mehreren Verwaltungsstrafbehörden Übertretungen nach dem GSpG" zur Last gelegt worden seien, von denen aber allein ein näher bezeichnetes Straferkenntnis vom , mit dem elf Geldstrafen in der Höhe von jeweils 5.000,-- Euro verhängt worden seien, "bereits im Tatzeitraum" (hier: bis ) rechtskräftig gewesen sei.

20 Das Verwaltungsgericht hat weder festgestellt, dass in diesem Verfahren ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wurde, noch ausgeführt, wann die Beschwerdefrist durch Zustellung an den Revisionswerber zu laufen begonnen hat. Ein Bescheid wird aber nicht bereits mit seiner Erlassung, sondern mangels Rechtsmittelverzichts erst mit ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist formell rechtskräftig (vgl. ; , Ra 2014/10/0054).

21 Nach dem - in der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde nicht konkret bestrittenen - Vorbringen der revisionswerbenden Parteien sei dieses Straferkenntnis am zugestellt und ein Rechtsmittelverzicht nicht abgegeben worden, sodass es erst mit Ablauf des rechtskräftig geworden sei. Den vom Verwaltungsgericht vorgelegten Verfahrensakten lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Träfe dieses Vorbringen daher zu, läge (selbst am Ende des vorgeworfenen Tatzeitraumes) eine formell rechtskräftige Vorstrafe nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG aber nicht vor. 22 Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich somit infolge der dargestellten Begründungs- bzw. Feststellungsmängel insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit und war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

23 Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG, insbesondere § 50 und 53 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090030.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

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