VwGH vom 06.10.2010, 2008/19/0185
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/19/0266
2008/19/0265
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerden 1. des X, geboren am , vertreten durch Mag. Wolfgang Kofler, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG, 2. der Y, geboren am , und 3. der Z, geboren am , beide vertreten durch Dr. Walter Vassol, Rechtsanwalt in 9620 Hermagor, Riedergasse 3/15, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom ,
1. Zl. 258.117/0/23E-X/47/05 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/19/0185), 2. Zl. 258.119/0/3E-X/47/05 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/19/0265), und 3. Zl. 266.697/0/1E-X/47/05 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/19/0266), betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Bescheide werden insoweit, als damit jeweils Spruchpunkt III. der erstinstanzlichen Bescheide (Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien) bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106,40 (insgesamt EUR 3.319,20) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wird abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien sind Familienmitglieder (Vater und Töchter) und russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.
Der Erstbeschwerdeführer beantragte am Asyl. Als Fluchtgrund gab er neben der allgemeinen Situation in Tschetschenien und dem Bürgerkrieg im Wesentlichen an, dass er sich im ersten Tschetschenienkrieg zwar nie aktiv an Kampfhandlungen gegen das russische Militär beteiligt, "Freiheitskämpfer" jedoch mit Lebensmitteln versorgt und ihnen Unterkunft gewährt habe. Von einem im Jahr 2003 ermordeten Freund, der in gleicher Weise geholfen habe, sei er vor einer Bedrohung aller Personen, die im "ersten Krieg" geholfen hätten, gewarnt worden. Von einem mit seinem Vater befreundeten Polizist habe er überdies erfahren, dass er auf einer "Liste" stehe.
Für die in Österreich geborenen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wurden am bzw. am Asylanträge gestellt, in welchen sich diese auf die Fluchtgründe des Vaters bezogen.
Mit Bescheiden vom (erst- und zweitbeschwerdeführende Partei) bzw. vom (Drittbeschwerdeführerin) wies das Bundesasylamt die Asylanträge der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien nach "Russland" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies diese gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (die Drittbeschwerdeführerin "nach Russland") aus (Spruchpunkt III.).
Die dagegen erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden ab; hinsichtlich erst- und zweitbeschwerdeführender Partei mit der Maßgabe, dass die Ausweisung in die Russische Föderation ausgesprochen wurde.
Dagegen wenden sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben; jene des Erstbeschwerdeführers enthält überdies den Eventualantrag auf Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und beantragt, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.
Über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
Auch die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und Mutter der übrigen Beschwerdeführerinnen befindet sich nach der Aktenlage in Österreich. Sie hat - nach der bindenden Rechtsansicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/19/0379 bis 0384 m. w.N.) der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom , mit dem der diese betreffende Bescheid des Bundesasylamtes vom behoben wurde - einen auf den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers bezogenen Asylerstreckungsantrag gestellt. Über diesen Asylerstreckungsantrag ist bislang nicht rechtskräftig entschieden worden.
Die belangte Behörde begnügte sich in der Begründung der Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien - unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in deren Familienleben - mit einem Verweis auf eine im erstinstanzlichen Bescheid mängelfrei vorgenommene Interessensabwägung. Zu den Ausweisungsentscheidungen verwies sie wechselseitig darauf, dass allen Beschwerdeführern weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren und sie auszuweisen gewesen seien, wobei sie die Begründungen des Bundesasylamtes übernahm, die Beschwerdeführer hätten keinen Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich, weshalb die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass diese Argumentation nicht dem Gesetz entspricht. In Fällen wie den vorliegenden, in denen einzelne Familienmitglieder einer Kernfamilie nach dem AsylG 1997 i.d.F. der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, auszuweisen wären, andere (hier: die Ehefrau bzw. Mutter der beschwerdeführenden Parteien) auf Grund der für sie anzuwendenden Rechtslage (AsylG 1997 i.d.F. vor der AsylG-Novelle 2003) aber von den Asylbehörden nicht ausgewiesen werden können, hat eine Ausweisung durch die Asylbehörde grundsätzlich zu unterbleiben, es sei denn, die Asylbehörde würde die aus öffentlichen Interessen resultierende Notwendigkeit darlegen, dass die beschwerdeführenden Parteien Österreich schon vor einer allfälligen Entscheidung der zuständigen Fremdenbehörde über die Ausweisung deren Ehefrau/Mutter verlassen müssen (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/19/0393, 0394 m.w.N.). Derartiges lässt sich den angefochtenen Bescheiden nicht entnehmen.
Die angefochtenen Bescheide waren daher insoweit, als damit die Ausweisungen der beschwerdeführenden Parteien bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Der gesonderte Zuspruch von Umsatzsteuer - wie in den Beschwerden der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin verzeichnet - findet in diesen Bestimmungen keine Deckung, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerden werfen - abgesehen von dem unter Punkt I. der Erwägungen angesprochenen Themenkomplex - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgebliche Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden im Übrigen abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-82183