VwGH vom 01.04.2009, 2006/08/0307
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der S Handelsgesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Ploil Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS8-SV-440/001-2005, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Partei als Dienstgeberin zur Zahlung eines Nachrechnungsbetrages von EUR 144.020,57 für den Prüfzeitraum vom bis verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Einspruch.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom dahingehend geändert, dass in einem "Teil A" ausgesprochen wurde, dass bei Unterschreiten der gesetzlichen und der EU-rechtlichen Mindestruhezeit von acht Stunden im Zeitraum von 24 Stunden die verkürzte Ruhezeit eines LKW-Lenkers von Kraftfahrzeugen zur Güterbeförderung mit einem höheren Gesamtgewicht als 3,5 t (einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger) sowohl einen Bestandteil der Einsatzzeit als auch einen Bestandteil der Arbeitszeit in Form der Arbeitsbereitschaft darstelle. Für diese verkürzte Ruhezeit habe der LKW-Fahrer Anspruch auf ein Entgelt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG, welches als ihm gebührender Arbeitsverdienst Bestandteil der allgemeinen Beitragsgrundlage in der Pflichtversicherung für Dienstnehmer sei. Unter "Teil B" wurde ausgesprochen, dass die beschwerdeführende Partei verpflichtet ist, für den Prüfzeitraum vom bis die nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 144.020,57 zu bezahlen.
Aus der Bescheidbegründung ergibt sich im Wesentlichen, dass die Position "Ruhezeitverkürzung" strittig sei. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe aus diesem Titel resultierende "100 %ige Überstunden" und darauf aufbauende Beiträge (Urlaubs-, Feiertagsentgelt etc.) vorgeschrieben und festgestellt, dass es vielfach Ruhezeiten gegeben habe, die sogar unter sieben Stunden gelegen wären. Eine neue Tagesarbeitszeit beginne nach Ablauf des mindestens achtstündigen Teiles der Ruhezeit. Ruhezeiten unter acht Stunden seien daher Bestandteil der fortgesetzten Einsatzzeit. Die Einsatzzeit sei Anknüpfungspunkt für die Entlohnung der Fahrzeuglenker. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe aber lediglich Ruhezeiten von bis zu sieben Stunden (und nicht bis zu acht Stunden) nachverrechnet.
Im Einspruch sei vorgebracht worden, dass es sich bei den verkürzten Ruhezeiten jedenfalls um Ruhepausen handle, die nicht zur Arbeitszeit zählten und daher grundsätzlich nicht zu entlohnen seien. Der Dienstgeber habe nur während der Arbeitszeit ein Verfügungsrecht über den Arbeitnehmer.
Der Sachverhalt hinsichtlich der Anzahl der betroffenen LKW-Lenker und der nachverrechneten Stunden von verkürzten Ruhezeiten von weniger als sieben Stunden sei nicht strittig. Die beschwerdeführende Partei beliefere mit ihren Lastzügen die Restaurants der M-Kette im gesamten Bundesgebiet. Auf den Retourfahrten würden auch bestimmte Abfälle der Restaurants übernommen. Ausgangs- und Endpunkt der jeweiligen Touren sei das Unternehmensgelände der beschwerdeführenden Partei in K. Die Fahrer seien jeweils ca. zweieinhalb Tage unterwegs, übergäben am Unternehmensgelände den Lastwagen an einen anderen Fahrer und hätten die restliche Zeit der Woche sodann frei. Alle Lastwagen seien mit Schlafkabinen (Schlafgelegenheit) ausgestattet. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass die Fahrer überhaupt nur die theoretische Möglichkeit gehabt hätten, zu Hause oder sonst außerhalb des Kraftfahrzeuges Schlafmöglichkeiten zu nutzen.
Bei einer Aufteilung der täglichen Ruhezeit müsse ein Teil zumindest acht zusammenhängende Stunden betragen. Die tägliche Arbeitszeit beginne nach einer Ruhezeit von mindestens acht zusammenhängenden Stunden und ende mit dem Beginn einer Ruhezeit von mindestens acht zusammenhängenden Stunden. Dies sei aber bei einer verkürzten Ruhezeit von weniger als acht zusammenhängenden Stunden nicht der Fall. Die LKW-Lenker hätten sich während der verkürzten Ruhezeiten in der Schlafkabine des LKW aufgehalten, somit in einem Betriebsmittel des Dienstgebers und noch dazu unter ungünstigeren Umständen, als die im angeführten Ärzte des Bereitschaftsdienstes, denen üblicherweise ein normales Bett zur Verfügung gestanden sei. Auch übten die LKW-Lenker ihre Tätigkeit insofern aus, als es zu ihren Pflichten gehöre, für die Sicherheit und Unversehrtheit des LKW und seiner Ladung zu sorgen. Dies würden sie zweifellos im Sinne des Dienstgebers am besten dadurch tun, dass sie sich während der Ruhezeiten im LKW aufhielten. Eine bloße Rufbereitschaft liege nicht vor.
Darüber hinaus wurden in der Bescheidbegründung neben Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und des Kollektivvertrages für Handelsarbeiter auch die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 und das , zitiert. Ferner beruft sich die Bescheidbegründung auf die Richtlinie 2002/15/EG und auf die Verordnung (EG) Nr. 561/2006, hält aber auch fest, dass beide Rechtsquellen im gegenständlichen Zeitraum noch nicht in Geltung gestanden sind.
Die verkürzten Ruhezeiten stellten sich mehr als Arbeitszeiten als als Bereitschaftszeiten dar, da das Fahrpersonal in Wirklichkeit nicht frei über seine Zeit verfügen habe können und sich an seinem Arbeitsplatz im LKW bereit gehalten habe, um die Arbeit am nächsten Tag wieder aufzunehmen. Eine entsprechende Erholung habe nicht eintreten können, was im Hinblick auf die Sicherheit und Gesundheit im Straßenverkehr und auf eine Wettbewerbsverzerrung bedenklich sei. Hinsichtlich der Ruhezeit von mindestens acht zusammenhängenden Stunden sei auch darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht nur um die Schlafenszeit des Lenkers handle, sondern in diese Zeit auch noch die Zeiten für die Einnahme von Mahlzeiten, Körperpflege und das Aufsuchen einer Toilette fielen. Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes seien offensichtlich nicht geeignet, die notwendigen Ruhezeiten sicherzustellen. Um die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu Gewährleisten, bedürfe es somit der Nachverrechnung der verkürzten Ruhezeiten als Arbeitszeiten.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , Zl. B 1066/06-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In ihrer auftragsgemäß ergänzten Beschwerde begehrt die beschwerdeführende Partei die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Präambel der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr ist Ziel dieser Vorschriften die Harmonisierung der Bedingungen des Wettbewerbs zwischen Landverkehrsunternehmen sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Straßenverkehr. Die die Arbeitsbedingungen betreffenden Vorschriften der gegenständlichen Verordnung dürften die Zuständigkeit der Sozialpartner, insbesondere im Rahmen von Tarifverträgen für die Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen festzulegen, nicht beeinträchtigen. Zur Förderung des sozialen Fortschritts oder im Hinblick auf eine größere Sicherheit im Straßenverkehr müsse jeder Mitgliedstaat weiterhin das Recht haben, gewisse geeignete Maßnahmen zu treffen. Die ununterbrochene Lenkzeit und die Tageslenkzeit seien zu beschränken, ohne dass diese Regelung die einzelstaatlichen Vorschriften berühre, wonach der Fahrer das Fahrzeug nur solange lenken darf, wie er in der Lage ist, es sicher zu führen. Hinsichtlich der Ruhezeiten seien die Mindestdauer und die weiteren Bedingungen für die täglichen und die wöchentlichen Ruhezeiten der Mitglieder des Fahrpersonals festzulegen. Der Fahrtverlauf könne besser gestaltet werden, wenn der Fahrer die Möglichkeit habe, seine tägliche Ruhezeit aufzuteilen, insbesondere damit er nicht gezwungen ist, den gleichen Ort für die Mahlzeit und für die Übernachtung zu wählen. Es fördere den sozialen Fortschritt und komme der Sicherheit im Straßenverkehr zugute, wenn die wöchentliche Ruhezeit heraufgesetzt und dabei die Möglichkeit geboten werde, die Ruhezeit zu vermindern, sofern der Fahrer die Teile der Ruhezeit, die er nicht genommen hat, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes an einem Ort seiner Wahl in Anspruch nehmen könne.
Nach Art. 1 Z. 5 der genannten Verordnung ist Ruhezeit jeder ununterbrochene Zeitraum von mindestens einer Stunde, in dem der Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann.
Nach Art. 6 Abs. 1 der genannten Verordnung darf die nachstehend "Tageslenkzeit" genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen oder einer wöchentlichen Ruhezeit neun Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf zehn Stunden verlängert werden. Der Fahrer muss nach höchstens sechs Tageslenkzeiten eine wöchentliche Ruhezeit im Sinne von Art. 8 Abs. 3 einlegen.
Art. 7 und Art. 8 der genannten Verordnung haben auszugsweise
folgenden Wortlaut:
"Artikel 7
(1) Nach einer Lenkzeit von 4 1/2 Stunden ist eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt.
(2) Diese Unterbrechung kann durch Unterbrechungen von jeweils mindestens 15 Minuten ersetzt werden, die in die Lenkzeit oder unmittelbar nach dieser so einzufügen sind, dass Absatz 1 eingehalten wird.
...
(4) Der Fahrer darf während dieser Unterbrechungen keine anderen Arbeiten ausführen. Für die Anwendung dieses Artikels gelten die Wartezeit und die Nicht-Lenkzeit, die in einem fahrenden Fahrzeug auf einer Fähre oder in einem Zug verbracht werden, nicht als 'andere Arbeiten'.
Artikel 8
(1) Der Fahrer legt innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden ein, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.
Die Ruhezeit kann an den Tagen, an denen sie nicht nach Unterabsatz 1 verkürzt wird, innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen werden, von denen einer mindestens 8 zusammenhängende Stunden betragen muss In diesem Falle erhöht sich die Mindestruhezeit auf 12 Stunden.
(2) Für jeden Zeitraum von 30 Stunden, in dem sich mindestens zwei Fahrer im Fahrzeug befinden, muss jeder von ihnen eine tägliche Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden einlegen.
(3) In jeder Woche muss eine der in den Absätzen 1 und 2 genannten Ruhezeiten als wöchentliche Ruhezeit auf insgesamt 45 zusammenhängende Stunden erhöht werden. Diese Ruhezeit kann am Standort des Fahrzeugs oder am Heimatort des Fahrers auf eine Mindestdauer von 36 zusammenhängenden Stunden oder ausserhalb dieser Orte auf eine Mindestdauer von 24 zusammenhängenden Stunden verkürzt werden. Jede Verkürzung ist durch eine zusammenhängende Ruhezeit auszugleichen, die vor Ende der auf die betreffende Woche folgenden dritten Woche zu nehmen ist.
(4) Eine wöchentliche Ruhezeit, die in einer Woche beginnt und in die darauffolgende Woche hineinreicht, kann der einen oder anderen der beiden Wochen zugerechnet werden.
...
(6) Jede als Ausgleich für die Verkürzung der täglichen und/oder der wöchentlichen Ruhezeit genommene Ruhezeit muss zusammen mit einer anderen mindestens achtstuendigen Ruhezeit genommen werden und ist dem Betroffenen auf dessen Antrag hin am Aufenthaltsort des Fahrzeugs oder am Heimatort des Fahrers zu gewähren.
(7) Die tägliche Ruhezeit kann im Fahrzeug verbracht werden, sofern es mit einer Schlafkabine ausgestattet ist und nicht fährt.
Gemäß Art. 11 1. Satz der genannten Verordnung kann jeder Mitgliedstaat höhere Mindestwerte oder niedrigere Höchstwerte als nach den Art. 5 bis 8 anwenden.
Der EuGH hat im Urteil vom , Rechtssache C- 313/92, Van Swieten BV., ausgesprochen, dass der Ausdruck "innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden" in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3820/85 so zu verstehen ist, dass er sich auf jede Zeitspanne dieser Dauer bezieht, die in dem Moment beginnt, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt. Wenn die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen wird, muss die Berechnung am Ende des Abschnittes beginnen, dessen Dauer acht Stunden nicht unterschreitet.
In seinem Urteil vom , Rechtssache C-394/92, Marc Michielsen und Geybels Transport Service NV., hat der EuGH festgestellt, dass der Ausdruck "Arbeitszeit" in mehreren Bestimmungen der Verordnung Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr vorkommt. Eine Definition dieses Begriffes sei jedoch weder in dieser Verordnung noch in der (oben genannten) Verordnung Nr. 3820/85 enthalten. Des Weiteren führte der EuGH aus, dass die Begriffe "Arbeitszeit" und "tägliche Arbeitszeit" im Rahmen der Verordnungen Nr. 3820/85 und 3821/85 nicht als Synonym angesehen werden können.
Darüber hinaus hat der EuGH in dem zuletzt genannten Urteil Folgendes dargelegt:
"18 Es sind jedoch unter den in Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3821/85 genannten Zeiten diejenigen konkret zu bestimmen, die unter den Begriff 'tägliche Arbeitszeit' fallen.
19 Die ersten beiden Kategorien von Zeiten (die 'Lenkzeiten' und 'alle sonstigen Arbeitszeiten') sind definitionsgemäß Arbeitszeiten.
20 Was die dritte Kategorie (die 'Bereitschaftszeit') angeht, so wird eine von den Zeiten der tatsächlichen Arbeit unabhängige Berechnung bei der Kontrolle unmöglich, sobald diese Kategorie gemäß Artikel 15 Absatz 4 nach Wahl der Mitgliedstaaten zusammen mit der zweiten Kategorie ('alle sonstigen Arbeitszeiten') aufgezeichnet werden darf.
21 Zu den 'Ruhezeiten' ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 3820/85 in Artikel 6 Absatz 1 die Höchstdauer der Tageslenkzeit festlegt. Ebenso ist in Artikel 8 Absatz 1 dieser Verordnung die Mindestdauer der täglichen Ruhezeit vorgeschrieben. Dessen Unterabsatz 2 bestimmt, dass, wenn diese Ruhezeit innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen wird, einer davon mindestens acht zusammenhängende Stunden betragen muss und dass sich die Mindestruhezeit in diesem Fall auf zwölf Stunden erhöht.
22 Ausserdem ist zu bemerken, dass die Ruhezeit in Artikel 1 Nr. 5 der Verordnung Nr. 3820/85 als 'jeder ununterbrochene Zeitraum von mindestens 1 Stunde, in dem der Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann', definiert ist. Gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 3821/85 ist diese Definition für dieser Verordnung anwendbar.
23 Nimmt der Fahrer seine Ruhezeit in zwei oder drei Abschnitten, so gehören im Hinblick auf die Definition der Ruhezeit in dem genannten Artikel 1 Nr. 5 die Abschnitte dieser Zeit, die weniger als eine Stunde betragen, zur täglichen Arbeitszeit.
24 Zu den 'Arbeitsunterbrechungen' ist festzustellen, dass sie nach Artikel 7 Absatz 5 der Verordnung Nr. 3820/85 nicht als tägliche Ruhezeit betrachtet werden dürfen. Da sie definitionsgemäß zwischen Lenkzeiten liegen müssen, können sie nicht innerhalb der täglichen Arbeitszeit individualisiert werden.
25 Um den Beginn und das Ende der so umschriebenen täglichen Arbeitszeit zu bestimmen, ist von dem Urteil vom in der Rechtssache C-313/92 (Van Swieten, Slg. 1994, I-0000, Randnrn. 22 bis 27) auszugehen, in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass die tägliche Arbeitszeit des Fahrers in dem Moment beginnt, in dem er nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt. Wird die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen, so beginnt die Arbeitszeit am Ende der Ruhezeit, deren Dauer acht Stunden nicht unterschreitet. Folglich entspricht das Ende der täglichen Arbeitszeit dem Beginn einer täglichen Ruhezeit oder, wenn die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen wird, dem Beginn einer Ruhezeit von mindestens acht zusammenhängenden Stunden.
26 Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass die 'tägliche Arbeitszeit' im Sinne des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3821/85 die Lenkzeit, alle sonstigen Arbeitszeiten, die Bereitschaftszeit, die Arbeitsunterbrechungen sowie die tägliche Ruhezeit umfasst, sofern diese eine Stunde nicht überschreitet, falls der Fahrer sie in zwei oder drei Abschnitten nimmt. Die tägliche Arbeitszeit beginnt in dem Moment, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt oder, wenn die tägliche Ruhezeit in Abschnitten genommen wird, am Ende der Ruhezeit, deren Dauer acht Stunden nicht unterschreitet. Sie endet zu Beginn einer täglichen Ruhezeit oder, wenn die tägliche Ruhezeit in Abschnitten genommen wird, zu Beginn einer Ruhezeit von mindestens acht zusammenhängenden Stunden."
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 Arbeitszeitgesetz (AZG - dieses im folgenden stets in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 138/2006) ist Arbeitszeit iSd AZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Tagesarbeitszeit ist gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 AZG die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von 24 Stunden, Wochenarbeitszeit gemäß Z. 3 der genannten Norm die Arbeitszeit innerhalb des Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag. Gemäß § 2 Abs. 2 1. Satz AZG ist Arbeitszeit iSd Abs. 1 Z. 1 auch die Zeit, während der ein im Übrigen im Betrieb Beschäftigter in seiner eigenen Wohnung oder Werkstätte oder sonst außerhalb des Betriebes beschäftigt wird.
Beträgt die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, so ist die Arbeitszeit gemäß § 11 Abs. 1 1. Satz AZG durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen.
Gemäß § 12 Abs. 1 AZG ist den Arbeitnehmern nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren.
Gemäß § 14 Abs. 1 AZG umfasst die Arbeitszeit für Lenker die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und die Zeiten der Arbeitsbereitschaft ohne die Ruhepausen. Bei Teilung der täglichen Ruhezeit beginnt eine neue Tagesarbeitszeit nach Ablauf des mindestens achtstündigen Teiles der Ruhezeit, bei Unterbrechung der täglichen Ruhezeit bei kombinierter Beförderung nach Ablauf der gesamten Ruhezeit.
Gemäß § 15 Abs. 1 AZG ist nach einer Lenkzeit von höchstens vier Stunden eine Lenkpause von mindestens 30 Minuten einzulegen.
§ 15 Abs. 5 AZG sieht vor, dass Zeiten, die der Lenker im fahrenden Fahrzeug verbringt, ohne es zu lenken, auf Lenkpausen angerechnet werden können. Andere Arbeiten dürfen nicht ausgeübt werden.
Gemäß § 15 Abs. 6 AZG dürfen Lenkpausen nicht auf die tägliche Ruhezeit angerechnet werden.
Die Einsatzzeit von Lenkern umfasst gemäß § 16 Abs. 1 AZG die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit und die Arbeitszeitunterbrechungen. Bei Teilung der täglichen Ruhezeit beginnt eine neue Einsatzzeit nach Ablauf des mindestens achtstündigen Teiles der Ruhezeit, bei Unterbrechung der täglichen Ruhezeit bei kombinierter Beförderung nach Ablauf der gesamten Ruhezeit.
Punkt IV.2.1. des Kollektivvertrages für Handelsarbeiter (im Folgenden: KV) sieht vor, dass die Arbeitszeit des Fahrpersonals innerhalb von zwei Arbeitswochen 77 Stunden beträgt. Eine Überschreitung dieser Arbeitszeit um 18 Überstunden innerhalb zweier Arbeitswochen ist ohne behördliche Genehmigung zulässig.
Gemäß Punkt IV.2.2. KV umfasst die Arbeitszeit für Lenker unbeschadet des § 2 AZG die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und die Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Bei einer Teilung der täglichen Ruhezeit beginnt eine neue Tagesarbeitszeit und eine neue tägliche Lenkzeit nach Ablauf des letzten Teiles der Ruhezeit.
Gemäß Punkt IV.2.9. KV dürfen Lenkpausen auf die tägliche Ruhezeit nicht angerechnet werden.
Gemäß Punkt IV.2.16. KV gilt als Einsatzzeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit einschließlich aller Pausen. Sie darf in der Doppelwoche nicht mehr als 132 Stunden betragen, wobei in einer Woche nicht mehr als 72 Stunden zulässig sind.
Punkt IV.2.17. KV sieht vor, dass die gesamte Einsatzzeit mit Ausnahme von Ruhepausen gemäß § 11 AZG (z.B. Essenspause) als Arbeitszeit bezahlt wird.
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
In seinem Urteil vom , Zl. 9 ObA 28/01 k, hat der OGH unter anderem Folgendes ausgeführt:
"Da die Arbeitszeit von Lenkern nicht nur von Lenkpausen, sondern oft auch durch andere Pausen unterbrochen wird, würde die erlaubte Tagesarbeitszeit oft erst lange nach ihrem Beginn enden und die tägliche Ruhezeit entsprechend später beginnen. Um dem entgegenzuwirken, hat das AZG den Begriff der 'Einsatzzeit' eingeführt und diese ebenfalls - soweit hier von Interesse mit 12 Stunden (§ 16 Abs. 2 AZG) - begrenzt. Sie umfasst nach § 16 Abs. 1 AZG 'die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit und die Arbeitszeitunterbrechungen'. Zur Arbeitszeit zählen nicht nur Lenkzeiten, sondern auch sonstige Arbeitszeiten des Lenkers, inklusive Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Zu den Arbeitszeitunterbrechungen gehören insbesondere Lenk- und sonstige Ruhepausen, aber auch vorgezogene Teile einer Ruhezeit, wenn sie iSd § 15a Abs. 3 AZG geteilt wurde. Es kommt nicht auf die zwingend vorgeschriebenen Mindestunterbrechungen an; auch längere Pausen zählen zur Einsatzzeit (Grillberger, AZG 2 Anm 1 zu § 16 unter Hinweis auf VwGH, , Zl. 84/11/0139 = ARD 3743/85).
Damit ist klar, dass die hier in Rede stehende Arbeitszeitunterbrechung - mag man sie nun als Ruhepause oder als Arbeitsunterbrechung anderer Art qualifizieren - in die Einsatzzeit einzurechnen ist. Nur auf diese Weise kann dem klaren Wortlaut, aber auch dem Zweck der die Einsatzzeit normierenden Bestimmung des § 16 AZG entsprochen werden. Wieviel Zeit dem Lenker nach Beendigung der Einsatzzeit an Ruhezeit zur Verfügung steht, ist hingegen ohne Bedeutung; das Gesetz normiert eine ziffernmäßig bestimmte Obergrenze, die durch die Dauer der nachfolgenden Ruhezeit nicht beeinflusst wird.
Dass die EWG-VO 3820/85 den Begriff der Einsatzzeit nicht kennt, trifft zu, ist aber ohne Belang, weil das AZG gegenüber dieser Verordnung - soweit es strengere Bestimmungen trifft als diese - den Vorrang hat (Grillberger, AZG2 Anm 3.2. zu § 13).
...
Die vom Berufungsgericht auf der Grundlage seiner vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsauffassung zur Ermittlung der Ansprüche des Klägers angestellten Berechnungen werden nur vom Kläger und auch von diesem nur insofern bekämpft, als er jede Überschreitung der 12-stündigen Einsatzzeit als Überstundenleistung qualifiziert wissen will. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 6 Abs 1 AZG Überstundenarbeit dann vorliegt, wenn die Grenze der nach den §§ 3 bis 5, 5a oder 14 Abs 2 AZG zulässigen wöchentlichen Normalarbeitszeit oder die tägliche Normalarbeitszeit überschritten wird, die sich auf Grund der Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit ergibt. Die Begrenzung der (auch Arbeitsunterbrechungen umfassenden) Einsatzzeit verfolgt völlig andere Zielsetzungen und ist für den Begriff der Überstundenarbeit ohne Relevanz."
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die mindestens achtstündige Dauer von Ruhezeiten nicht eingehalten worden ist. Dennoch erweist sich die Auffassung der belangten Behörde aus folgenden Gründen als verfehlt:
Gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AZG zählen nicht einmal Ruhepausen zur Arbeitszeit. Es wäre ein dem Gesetz nicht entsprechendes Ergebnis, wenn man Ruhezeiten, die zwar nicht das Mindestausmaß erreichen, während derer aber jedenfalls keine Lenkzeit, keine Zeit einer sonstigen Arbeitsleistung und auch keine Zeit der Arbeitsbereitschaft - jedenfalls nicht in einem höheren Ausmaß als während einer Ruhepause - vorgelegen ist, als Arbeitszeit betrachten wollte. Es ist daher davon auszugehen, dass die gegenständlichen "Ruhezeiten", auch wenn sie kürzer als acht Stunden gedauert haben, eine Unterbrechung der Arbeitszeit dargestellt haben. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem Gemeinschaftsrecht, zumal der EuGH in der oben wiedergegebenen Judikatur ausgesprochen hat, dass allenfalls nur eine Ruhepause von weniger als einer Stunde zur Arbeitszeit zählt.
Damit fallen diese Zeiten zwar unter die Einsatzzeiten gemäß § 16 Abs. 1 AZG, nicht aber unter die Arbeitszeiten gemäß § 14 Abs. 1 AZG. Nach der dargestellten Rechtslage ist es dabei auch nicht von Bedeutung, ob diese Zeit im LKW oder anderswo zugebracht wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet dem OGH in seinem Urteil vom bei, dass die Begrenzung der Einsatzzeit andere Zielsetzungen verfolgt und für den Begriff der Überstundenarbeit ohne Relevanz ist. Insofern kommt es aber entgegen der Auffassung der belangten Behörde auch nicht in Frage, dass auf Grund der gegenständlichen Zeiten ein Überstundenentgelt zugestanden ist.
In dieses Ergebnis fügt sich auch Punkt IV.2.17. KV, wonach nicht einmal Ruhepausen als Arbeitszeit bezahlt werden.
Bemerkt wird, dass für den Standpunkt der belangten Behörde auch nichts aus dem von ihr zitierten , zu gewinnen ist. Dieses Urteil ist nämlich zur Richtlinie 93/104/EG ergangen, welche gemäß ihrem Art. 14 nicht gilt, soweit andere Gemeinschaftsinstrumente spezifischere Vorschriften über die Arbeitszeitgestaltung für bestimmte Beschäftigungen oder berufliche Tätigkeiten enthalten.
Die belangte Behörde hat aus den oben genannten Gründen ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am