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VwGH vom 09.11.2011, 2010/22/0139

VwGH vom 09.11.2011, 2010/22/0139

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/18/0044 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des PS, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. E1/2817/2/2010, betreffend Fremdenpass, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines bosnischen Staatsangehörigen, vom auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am illegal eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. Dieser Asylantrag sei gemäß § 7 Asylgesetz in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen worden. Gleichzeitig sei dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinn des § 8 Asylgesetz zuerkannt worden, weil eine "derzeitige" Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat Bosnien nicht zulässig sei.

Am habe der Beschwerdeführer schriftlich einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gestellt. Als Gründe habe er ausgeführt, seinen in Serbien bei dessen Mutter lebenden dreizehnjährigen Sohn besuchen zu wollen. Weiters möchte er das Grab des verstorbenen Vaters in Serbien besuchen und pflegen.

Fremdenpässe könnten auf Antrag für Fremde ausgestellt werden, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erforderten. Die Republik Österreich habe sich bereit erklärt, den Beschwerdeführer aufgrund der derzeitigen Verhältnisse in Bosnien "unter Schutz" zu stellen. Die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter sei "ein vorübergehender Schutz", der immer wieder gewährt bzw. verlängert werden könne. Ein Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung des beantragten Fremdenpasses sei nicht zu prüfen.

Der leibliche Sohn des Beschwerdeführers lebe bei der Mutter in Serbien und der Beschwerdeführer habe zu ihm laut seinen Angaben ein sehr inniges Verhältnis. Der Reise des Sohnes mit einer erwachsenen Begleitperson nach Österreich stimme die Mutter nicht zu, weshalb diese Möglichkeit einer Kontaktpflege mit dem Sohn in Österreich von vornherein ausscheide. Der Beschwerdeführer verweise auf § 178 Abs. 1 ABGB, der aber nicht das Recht einräume, sich über "bestehende Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 hinweg zu setzen". Sowohl der beabsichtigte Besuch des Sohnes in Serbien als auch die Schaffung der Möglichkeit zur Grabpflege stellten keine humanitären Gründe im Sinn des § 88 FPG dar. Außerdem würden die bis dato gemachten Angaben durch keinerlei Bestätigungen dokumentiert. Auch die Verlassenschaftsabwicklung inklusive einer Grundbuchseintragung in Serbien stelle keinen humanitären Grund dar, weil es dem Beschwerdeführer frei stehe, dazu einen Vertreter zu entsenden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 88 Abs. 2 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 (FrÄG 2009) können Fremdenpässe auf Antrag für Fremde ausgestellt werden, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FrÄG 2009 (330 BlgNR 24. GP, 33) sieht der neu geschaffene Abs. 2 des § 88 FPG die Möglichkeit der Ausstellung eines Fremdenpasses auf Antrag in zwei Fällen vor, ohne dass ein darüber hinausgehendes Interesse der Republik vorliegen müsste. Die Bestimmung des § 88 Abs. 2 Z 2 FPG habe die Bestimmung des § 88 Abs. 1 Z 6 abgelöst. Damit werde der "Statusrichtlinie" 2004/83/EG des Rates vom Rechnung getragen.

Die belangte Behörde stellte zutreffend darauf ab, dass ein Interesse der Republik für die Ausstellung des beantragten Fremdenpasses ohne Relevanz ist. Sie irrte aber, wenn sie im Vorbringen keine humanitären Gründe im Sinn des § 88 FPG sah. So hat etwa der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2009/22/0232, festgehalten, dass der Wunsch, einen erkrankten Verwandten besuchen zu können, jedenfalls bei entsprechend intensivem Naheverhältnis einem humanitären Bedürfnis entspringen und die Ausstellung eines Fremdenpasses rechtfertigen könne. Umso mehr gilt das für den durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Anspruch des nicht sorgeberechtigten Elternteils auf Besuche und Kontakte mit seinen Kindern (vgl. Grabenwarter , Europäische Menschenrechtskonvention4, 206, mwN).

Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat. Sie hat lediglich darauf verwiesen, dass die Angaben nicht durch "Bestätigungen" dokumentiert worden seien. Da die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Kontakt zum Kind in Österreich nicht möglich ist, erfordern humanitäre Gründe im Sinn des § 88 Abs. 2 Z 2 FPG die Anwesenheit des Beschwerdeführers in einem anderen Staat. Dass die Ausstellung eines Fremdenpasses "aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten wäre" (die Intention des Gesetzgebers ist wohl: dass Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Ausstellung des Fremdenpasses entgegenstehen), hat die belangte Behörde nicht festgestellt und es ergeben sich dafür auch keine Anhaltspunkte aus dem Verwaltungsakt.

Indem die belangte Behörde die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses verneint hat, hat sie somit die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am