VwGH vom 31.07.2014, 2013/08/0260

VwGH vom 31.07.2014, 2013/08/0260

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der K GmbH in S, vertreten durch die Rechtsanwälte Gruber Kunze Partnerschafts KG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-1620/753-2013, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides stellte die belangte Behörde hinsichtlich der Dienstnehmer D. B. und V. B. die Beitragsgrundlagen für die Zeiträume bis bzw. bis fest und verpflichtete die beschwerdeführende Gesellschaft als Dienstgeberin zur Zahlung der sich daraus ergebenden Beiträge sowie von Verzugszinsen in der Höhe von EUR 1.466,60.

Mit Spruchpunkt II. wurde der erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in Bezug auf die Beitragsfeststellung und Beitragsnachverrechnung hinsichtlich des Dienstnehmers P. F. gemäß § 417a ASVG behoben und zur Ergänzung der Begründung und allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.

Begründend stellte die belangte Behörde nach der Darstellung des Verfahrensgangs und der Rechtslage im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

P. F. sei im Zeitraum bis (Festnahme und Einlieferung in das Gefangenenhaus K.) für die beschwerdeführende Partei tätig gewesen. Es sei ein Stundenlohn von EUR 7,-- vereinbart gewesen. P. F. sei mit diversen Umbauarbeiten an einem Anwesen auf der Liegenschaft A. (dem Sitz der beschwerdeführenden Gesellschaft) beauftragt worden.

D. B. sei vom bis für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig gewesen. Es sei ein Stundenlohn von EUR 8,-- vereinbart gewesen. Für den besagten Zeitraum ergäben sich aus einem Konvolut von Zahlungsbelegen Zahlungen in der Höhe von EUR 8.370,--.

V. B. sei vom bis für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig gewesen. Für diesen Zeitraum lägen Rechnungen in Höhe von EUR 2.076,-- sowie Zahlungsbelege über EUR 2.196,-- vor. Es sei ein Stundenlohn von EUR 8,-- vereinbart gewesen.

D. B. und V. B. seien in S. tätig gewesen. An dieser Arbeitsstätte seien die beiden am von der Finanzpolizei betreten worden. Es sei ein Beitragszuschlag von EUR 1.800,-- vorgeschrieben worden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0196).

Mit D. B. und V. B. sei seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft jeweils ein "Werkvertrag" abgeschlossen worden (vgl. dessen Wiedergabe im soeben genannten Erkenntnis vom ).

Bezüglich der Tätigkeit des V. B. lägen folgende zwei Auftragsschreiben vom und vom vor:

"Hiermit beauftragen wir Sie mit der Durchführung diverser Reinigung und Objektbezogener Wartungstätigkeit im Rahmen ihrer Gewerbeerlaubnis."

"Hiermit beauftrage ich Sie mit diversen Hausbetreuungsarbeiten an der o.a. Liegenschaft entsprechend ihres Gewerbescheines vom . Grundlage des Vertrages ist die Werkvertragsvereinbarung vom . Mit den Arbeiten kann jederzeit begonnen werden. Eine tägliche Anwesenheit von 7 Stunden gilt als vereinbart. Diese ist mittels Stundenberichten, Anwesenheitsberichten, Arbeitsberichten nachzuweisen."

Nach eigenen Angaben habe V. B. noch folgende Tätigkeiten verrichtet: Baustellenreinigung, Werkzeugreinigung, Gartenarbeit und gelegentliche Arbeiten als Helfer für "Kleinigkeiten".

Bezüglich der Tätigkeiten des D. B. ergebe sich folgendes Bild: Er sei je nach Auftrag dazu verpflichtet gewesen, ein Gesimse zu putzen, Ytongsteine vom LKW abzuladen und auf ein Dachgeschoß zu verbringen, sonstige Regieleistungen zu erbringen, Ziegelschutt zu verfrachten, diverse unbestimmte händische Transportarbeiten vorzunehmen, Holz zu schlichten, Jalousien zu montieren, Isolierplatten zu verlegen und diverse Baustoffe zu heben und zu senken, Reinigungs- und Hilfsarbeiten vorzunehmen (laut Schriftsatz der beschwerdeführenden Gesellschaft vom ). D. B. erwähne zusätzlich in seinem Fragebogen vom noch Maurerarbeiten mit Ytong, Abbrucharbeiten zB von Mauern, Bodenisolierung mit Schwarzdeckung, Mineralwolleisolierung am Dachboden und Versetzen von Fenstern und Türen.

In der Folge bejahte die belangte Behörde die Dienstnehmereigenschaft von V. B. und D. B. im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten wie im Verfahren betreffend den Beitragszuschlag (vgl. dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0196). P. F. habe zeitlich vor

V. B. und D. B. für die beschwerdeführende Gesellschaft gearbeitet. Seine Tätigkeiten hätten mit den späteren Tätigkeiten von V. B. und D. B. übereingestimmt, wobei jedoch kein schriftlicher "Werkvertrag" abgeschlossen worden sei. Weiters sei P. F. auch auf anderen Baustellen der beschwerdeführenden Gesellschaft tätig gewesen. Bezüglich der Qualifikation der Tätigkeit des P. F. ergebe sich kein gegenüber V. B. und D. B. abweichendes Bild. Vielmehr sei auch P. F. mangels Vertretungsrechts und sanktionslosen Ablehnungsrechts und kraft seiner Einbindung in den Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft sowie seiner Weisungsgebundenheit Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG.

V. B. und D. B. seien als vollbeschäftigte Hilfsarbeiter nach dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe eingestuft worden. Sie hätten EUR 8,-- pro Stunde an Entgelt erhalten. Bezüglich D. B. lägen Zahlungsbelege über insgesamt EUR 8.320,-- vor, was auf eine Tätigkeit im Ausmaß von insgesamt ca. 1.040 Stunden schließen lasse. Über tatsächlich geleistete Stunden seien keine Aufzeichnungen geführt worden. Demnach sei die Kasse bzw. der Prüfer gemäß § 42 Abs. 3 ASVG berechtigt, die Arbeitszeit in nachvollziehbarer und begründeter Weise zu schätzen.

Lege man (für D. B.) den Tätigkeitszeitraum von bis (23 Wochen) der Schätzung zugrunde, so ergebe sich unter Anwendung einer Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche eine geschätzte Gesamtarbeitszeit von 897 Stunden. In Anbetracht der belegten Zahlungsflüsse und des vereinbarten Stundenlohns von EUR 8,-- könne dieser insoweit nachvollziehbaren Schätzung daher nicht entgegen getreten werden. Auf Grund der mangelnden Stundenaufzeichnungen könne auch der Annahme nicht entgegen getreten werden, dass die Arbeit gleichmäßig über den Beschäftigungszeitraum verteilt gewesen sei, wie dies auch durch die Zahlungsbelege indiziert sei.

Wie sich aus § 49 Abs. 1 ASVG ergebe, gelte im Sozialversicherungsrecht das Anspruchslohnprinzip. Es komme daher nicht auf die tatsächlichen Zahlungsflüsse, sondern vielmehr auf das von Gesetzes wegen oder auf Grund einer kollektivvertraglichen Vereinbarung geschuldete Entgelt an.

Der Stundenlohn für Hilfsarbeiter im Kollektivvertrag des Baugewerbes betrage bis zum EUR 9,42 und ab dem EUR 9,76.

Daraus ergäben sich die für D. B. angenommenen Beitragsgrundlagen (die im angefochtenen Bescheid in der Folge tabellarisch dargestellt wurden).

Hinsichtlich V. B. betrage das belegte Entgelt EUR 2.190,--. Lege man diesem wiederum einen Stundenlohn von EUR 8,-- zugrunde, so ergebe sich eine Stundenzahl von etwas über 270. Lege man wiederum den Tätigkeitszeitraum bis (sechs Wochen) zugrunde, so ergebe sich eine geschätzte Gesamtarbeitszeit von 234 Stunden. Wiederum sei dieser nachvollziehbaren Schätzung in Anbetracht der mangelnden Stundenaufzeichnungen nicht entgegen zu treten. Daraus ergäben sich wieder näher bezifferte Beitragsgrundlagen für D. B.

Hinsichtlich P. F. erachtete die belangte Behörde die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides in Bezug auf die Beitragsgrundlagen für mangelhaft, weshalb er insoweit zu beheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurückzuverweisen sei.

In der Folge legte die belangte Behörde die Berechnung der Beiträge für D. B. und V. B. dar.

Zu den Verzugszinsen führte sie aus, dass für die Jahre 2009 und 2010 der Verzugszinssatz von 2010 anzuwenden sei (da die GPLA erst 2010 stattgefunden habe und daher erst im Jahr 2010 Verzugszinsen vorzuschreiben gewesen seien). Sodann sei der jeweils aktuelle Verzugszinssatz anzuwenden.

Als Berechnungsgrundlagen würden 360 Tage (Zinsjahr) herangezogen. Für ein Zinsjahr von 360 Tagen spreche § 44 Abs. 2 ASVG, weil der Beitragsmonat nach dieser Bestimmung 30 Tage habe.

Da die belangte Behörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu berücksichtigen habe, seien die Verzugszinsen bis dahin zu berechnen, weil die Beiträge noch nicht gezahlt worden seien.

In der Folge schlüsselte die belangte Behörde die Berechnung der Verzugszinsen für die einzelnen Jahre in Form von Tabellen auf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Die Beschwerde wendet sich zunächst - sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts als auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - gegen die Annahme, dass es sich bei D. B., V. B. und P. F. um Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gehandelt habe. Insoweit kann hinsichtlich D. B. und V. B. gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgrunde des Erkenntnisses vom , Zl. 2010/08/0196, verwiesen werden. Dies gilt gleichermaßen für P. F., weil die Beschwerde der Feststellung der belangten Behörde, dieser sei in gleicher Weise wie D. B. und

V. B. tätig geworden, nicht entgegen tritt.

2. Weiters bestreitet die Beschwerde die Höhe der Beitragsgrundlagen und Beiträge für D. B. und V. B. Die von der belangten Behörde festgesetzten Beträge beruhten ausschließlich auf Annahmen und Schätzungen, sodass der Bescheid schon aus diesem Grund an einem Begründungsmangel leide.

Zu einer Schätzung war die belangte Behörde aber gemäß § 42 Abs. 3 ASVG mangels Arbeitszeitaufzeichnungen berechtigt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0069, mwN). Die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der vorgenommenen Schätzung vermag die Beschwerde mit der bloß pauschalen Bestreitung ihrer Richtigkeit nicht zu erschüttern.

3. Hinsichtlich der Verzugszinsen meint die Beschwerde, dass die belangte Behörde einerseits von "einem falschen Zinssatz" und andererseits von einem unrichtigen Zinsjahr ausgehe.

Worin diese Unrichtigkeiten bestehen sollen, wird von der Beschwerde nicht ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat die belangte Behörde für jedes einzelne Jahr richtig den sich jeweils aus § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Zinssatz angewendet und dies auch nachvollziehbar dargestellt.

Was die Zinsmethode - die die Beschwerde mit ihrer Behauptung eines unrichtigen Zinsjahres offenbar anspricht - betrifft, ist zwar einzuräumen, dass sie im ASVG nicht ausdrücklich geregelt ist. Für die von der belangten Behörde angewendete "30/360- Methode", bei der - unabhängig von den tatsächlich im Kalendermonat liegenden Tagen - jeder Monat zu 30 Tagen gerechnet und dafür nur durch 360 (und nicht durch 365) dividiert wird, spricht aber, dass gemäß § 44 Abs. 2 ASVG auch der Beitragsmonat einheitlich mit 30 Tagen anzunehmen ist (so auch Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG5 § 59 Rz 8). Es ist davon auszugehen, dass die Annahme eines Monats mit 30 Tagen und folglich eines Jahres mit 360 Tagen im Bereich der Verzugszinsenberechnung ebenso Anwendung finden soll, zumal darin eine nicht unbedeutende Verwaltungsvereinfachung bei nur minimalen Unterschieden im Ergebnis liegt (vgl. zu den Zinsmethoden auch Lukits , Zinsenberechnung im österreichischen Zivilrecht, ÖJZ 2011/32, 293).

Soweit die Beschwerde meint, Verzugszinsen könnten nur "bei einem entsprechenden Verschulden" vorgeschrieben werden, genügt es, darauf zu verweisen, dass die Verzugszinsen keinen pönalen Charakter haben, sondern ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust darstellen, den der Beitragsgläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erhält; daher kommt es für die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß den Beitragspflichtigen am Zahlungsverzug ein Verschulden trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0594, mwN).

4. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. etwa die Entscheidung des EGMR vom , Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext "any hearing at all") erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft, und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat).

Wien, am