VwGH vom 19.09.2012, 2010/22/0131
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 317.695/6-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres den am bei der Erstbehörde eingelangten Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Kosovo, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Dazu führte die belangte Behörde unter Hinweis auf das Gebot der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am illegal eingereist "und seither hier durchgehend aufhältig" sei. Nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid vom dürfte der Beschwerdeführer das Bundesgebiet wieder verlassen haben und am wieder illegal eingereist sein. Sein weiterer Asylantrag vom selben Tag sei am rechtskräftig abgewiesen worden. Mit zweitinstanzlichem Bescheid vom sei der Beschwerdeführer ausgewiesen worden. Seiner gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. "Laut aktuellem Hauptverband scheinen zur Zeit keine aktuellen Versicherungszeiten auf." Der Beschwerdeführer habe am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, mit der er keine gemeinsamen Kinder habe. Er verfüge nach eigenen Angaben über gute Deutschkenntnisse. Im Heimatstaat lebten noch Verwandte. Sein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige in jedem Fall die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Somit seien die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen höher zu werten als das Privatinteresse des Beschwerdeführers an der Zulassung der Inlandsantragstellung. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK sei "zweifelsfrei nicht gegeben". Sein Privat- und Familienleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdefall vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom , C- 256/11 "Dereci u.a.", insoweit jenem Fall gleicht, der dem hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0309, zu Grunde lag, als die belangte Behörde in Verkennung der durch den EuGH nunmehr klargestellten Rechtslage nicht anhand des unionsrechtlich vorgegebenen Maßstabes geprüft hat, ob der vorliegende Fall einen solchen Ausnahmefall darstellt, wonach es das Unionsrecht gebietet, dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt zu gewähren. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Auch im vorliegenden Fall wird die belangte Behörde dazu im fortzusetzenden Verfahren nach Einräumung von Parteiengehör - diese Frage ist nicht mit der Beurteilung nach Art. 8 EMRK gleichzusetzen und war bisher nicht Gegenstand des behördlichen Verfahrens - entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
Erwähnt sei im Hinblick auf die von der belangten Behörde nach § 21 Abs. 3 NAG durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK, dass - entgegen der in der Gegenschrift enthaltenen Meinung der belangten Behörde - die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine wesentliche Änderung des Sachverhalts im Vergleich zu demjenigen bei Erlassung der Ausweisung vom bewirkte. Der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner kommt im Rahmen der Abwägung große Bedeutung zu und es müssen in einem solchen Fall nähere Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Fremden und seines Ehepartners getroffen werden. Dazu kommt, dass die belangte Behörde zu einer beruflichen Integration des Beschwerdeführers in Österreich keine Feststellungen getroffen hat. Auch wird der nunmehr eingetretene Zeitablauf seit Erlassung der Ausweisung entsprechend zu berücksichtigen sein.
Der angefochtene Bescheid war nach dem vorhin Gesagten wegen der vorrangig wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-82145