VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/09/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die außerordentliche Revision des Dr. X Y in Z, vertreten durch Dr. Stefan Stastny, Rechtsanwalt in 8650 Kindberg, Hauptstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 49.30-1132/2017-30, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark und Kärnten; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Österreichische Ärztekammer hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der 1957 geborene Revisionswerber ist Arzt für Allgemeinmedizin in der Steiermark.
2 Mit Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrats der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark und Kärnten (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) vom wurde der Revisionswerber des Disziplinarvergehens gemäß § 136 Abs. 1 Z 1 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) für schuldig erkannt, weil er anlässlich eines Vortrags vom im Pfarrheim D G ausschließlich negative Äußerungen zum Impfen getätigt habe:
1. "Wenn Sie ein gesundes Kind haben wollen, impfen Sie nicht!";
"Tetanus kommt im Stadtstaub nicht mehr vor";
"Erkrankungen wie Diphterie und Keuchhusten sind ein Problem der Arbeit, also der Hygiene; Impfen hat darauf keinen Einfluss";
4.das Österreichische Impfprogramm ausschließlich negativ bewertete;
5.die gentechnologische Herkunft der Impfstoffe gegen Hämophilus B und HPV kritisierte und
6.Masern als eine harmlose Kinderkrankheit, die jeder überstehe, beschrieb.
3 Über den Revisionswerber wurde hiefür gemäß § 139 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- verhängt und die Strafe gemäß § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem Jahr bedingt nachgesehen. Unter einem wurde ihm der Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens in der Höhe von EUR 1.000,-- gemäß § 163 Abs. 1 ÄrzteG 1998 zum Ersatz auferlegt. 4 Die gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit dem angefochtenen Erkenntnis vom mit der Maßgabe als unbegründet ab, als es im Spruch die als verletzt zitierte Norm des § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 durch § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 iVm § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 und § 1 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Information in der Öffentlichkeit ersetzte (Spruchpunkt I.). Weiters verpflichtete es den Revisionswerber zum Ersatz der mit EUR 668,20 bestimmten Barauslagen für die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen gemäß § 163 Abs. 1 ÄrzteG 1998 iVm § 76 AVG (Spruchpunkt II.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
5 Nach Darstellung des Verfahrensganges traf das Verwaltungsgericht dazu folgende Feststellungen:
"Sachverhalt:
Der (Revisionswerber) ist seit etwa 25 Jahren niedergelassener praktischer Arzt und betreibt seit dieser Zeit in Graz und Leibnitz Praxen. Der (Revisionswerber) hält öfter Vorträge zum Thema Impfen, 2015 etwa zwei oder drei Vorträge.
Am wurde vom Eltern-Kind-Zentrum Weinburg ein Fortbildungsabend im Pfarrheim D G veranstaltet zum Thema 'Impfen'. Das Publikum, ca. 25-30 Personen, bestand in erster Linie aus jüngeren Eltern.
Der (Revisionswerber) wurde vom Eltern-Kind-Zentrum telefonisch kontaktiert, um als homöopathischer Arzt zum Thema 'Impfen' zu referieren. Titel seines Vortrages war: 'Impfen - Wohl und Wehe'. Er hat für den etwa zweieinhalbstündigen Vortrag ein Honorar erhalten. Einen ausformulierten Vortrag gab es nicht, der (Revisionswerber) redete frei. Im Rahmen des Vortrages zeigte der (Revisionswerber) einen aktuellen, etwa zehnminutigen Film, vermutlich des WDR, in dem der Fall einer Mutter mit Kind präsentiert wurde, der von einer Impfung an einem Kind und einem Impfschaden handelte.
Als Einleitungszitat seines Vortrages wählte der (Revisionswerber) ein Zitat von Dr. B 'Wenn Sie ein gesundes Kind haben wollen, impfen Sie nicht'. Er sagte dazu, dass es sich um ein Zitat handelt und stellte Dr. B als Experten für Impfschäden vor. Der (Revisionswerber) teilte den Eltern mit, dass die Entscheidung über das Impfen in ihrem Verantwortungsbereich liegt. Der (Revisionswerber) deklarierte sich als jemand, der sich sehr kritisch mit dem Thema Impfen auseinandersetzt. Er äußerte nichts Positives über den Österreichischen Impfplan. Positive Informationen könnten bei jedem Hausarzt oder in der Apotheke geholt werden. Bei den Lebensbedingungen in Mitteleuropa müsste man bei entsprechender Lebensführung nicht impfen.
Im Zuge seines Vortrages tätigte der (Revisionswerber) unter anderem folgende Aussagen: 'Wenn Sie ein gesundes Kind haben wollen, impfen Sie nicht.'; 'Tetanus kommt im Stadtstaub nicht vor.'; 'Erkrankungen wie Diphterie und Keuchhusten sind ein Problem der Arbeit bzw. der Armut, also der Hygiene; Impfen hat darauf keinen Einfluss.' sowie 'Masern sind eine harmlose Kinderkrankheit, die jeder übersteht'. Der (Revisionswerber) äußerte sich ausschließlich negativ zum österreichischen Impfplan und kritisierte die gentechnologische Herkunft der Impfstoffe gegen Hämophilus B und HPV.
Diese oben angeführten, im Zuge des Vortrages getätigten Äußerungen entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Der Impfplan 2015
(https://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Krankheiten/Newsletter _Public_Health/Archiv_2015/Impfplan_Oesterreich_2015) enthielt folgende Präambel:
'Der Impfplan Österreich 2015 wurde am österreichischen Impftag, welcher am 17. Janner 2015 erstmalig in Wien stattfand, präsentiert. Weiters wurde neben dem Impfplan seitens des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) erstmalig ein Plakat mit dem Impfkalender des nationalen Kinderimpfprogrammes zur Verfügung gestellt. Es bildet alle kostenlosen Impfungen im Rahmen des nationalen Kinderimpfkonzeptes ab. Beides ist sowohl als PDF auf der Homepage des BMG abrufbar, als auch über das kostenlose Bestellservice beziehbar.
Der Impfplan wurde auch heuer wieder in enger Zusammenarbeit zwischen dem BMG und Expertinnen/Experten des Nationalen Impfgremiums erarbeitet und aktualisiert. Ziel ist es vor allem, interessierten Ärztinnen/Ärzte und Impfwilligen einen einfachen Überblick über aktuelle zur Verfügung stehende Impfungen zu geben. Auch wird eine bessere Differenzierung zwischen jenen Kernimpfungen getroffen, welche im Rahmen des kostenlosen Kinderimpfprogramms von der Öffentlichkeit getragen werden, und anderen wichtigen Impfungen, welche nicht im öffentlichen Impfkonzept bereitgestellt werden, aber dennoch für den Individualschutz empfohlen werden. Priorität bei der Auswahl des kostenlosen Kinderimpfprogrammes haben nach dem letzten Stand des Wissens einerseits sehr häufig vorkommende Erkrankungen, andererseits seltene sehr schwer verlaufende Krankheiten. Eine weitere Vorgabe war, die Kinder mit möglichst wenigen Stichen gegen möglichst viele Krankheiten zu schützen.
Die 2014 in das öffentlich finanzierte Schulimpfprogramm eingeführte HPV Impfung wird fortgesetzt und so wie seit Herbst 2014 weiterhin in Schulen und an öffentlichen Impfstellen angeboten.
Die Angaben zur Influenza Impfung wurden präzisiert und die Erläuterungen dazu erweitert. Ein Hinweis auf die nasale Applikation eines Lebendimpfstoffes für Kinder und Jugendliche wurde inkludiert.
Zur Meningokokken B Empfehlung wurden die Hinweise und das Impfschema überarbeitet.
Den epidemiologischen Entwicklungen hinsichtlich der Pertussis wurde Rechnung getragen, indem bei anlassbezogenen Tetanusimpfungen und den Auffrischungsimpfungen die Kombinationsimpfung Dip-TET-PEA-IPV empfohlen wird.
Weiters wurde ausdrücklich analog den aktuellen Empfehlungen der ACIP die Pertussis Impfung der nicht-immunen Schwangeren ab der 27. Schwangerschaftswoche empfohlen, wie auch die Impfung aller Personen im engen Umfeld von Neugeborenen (cocooning - analog der STIKO Empfehlung) und unter Hinweis auf die Unbedenklichkeit dieser Maßnahme bei Schwangeren.
Die Empfehlungen für die Impfung gegen Pneumokokken von Kindern, Erwachsenen und Personen mit erhöhtem Risiko wurde präzisiert.
Im Kapitel der Rötelnimpfung wurde eine Präzisierung der Interpretation der Antikörper-Befunde laut Mutter-Kind-Pass eingefügt. Weiters wurde zur Rötelnimpfung bei Anti D Prophylaxe die Vorgehensweise erläutert.
Zur Tetanus Prophylaxe nach Verletzung wurde die entsprechende Tabelle aktualisiert und präzisiert.
Aufgrund zahlreicher Anfragen zum Thema Aluminium in Impfstoffen wurde hierzu ein entsprechendes Kapitel eingefügt. Eine Ergänzung der postexpositionellen Prophylaxe Möglichkeiten von impfpräventablen Erkrankungen wurde in Anlehnung an die Empfehlungen der STIKO inkludiert.'
Im Einzelnen:
Zu 'Wenn Sie ein gesundes Kind haben wollen, impfen Sie
nicht':
Der (Revisionswerber) zitierte nach eigenen Angaben in seinem Vortrag eine Aussage von Dr. B. Dr. B publizierte zwischen 1957 und 1975. Der (Revisionswerber) bezieht das von ihm gewählte Zitat von einem Autor, dessen letzte Publikation aus 1975 datiert und untermauert dieses Zitat mit einer Untersuchung der Grundschullehrerin Petra Cortiel, die in einer privaten Aktion Gesundheitsdaten von Kindern erhoben hat.
Die Publikationen von Dr. B entsprechen seit langem nicht mehr dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Das von Petra Cortiel gewählte Vorgehen ist als unwissenschaftlich und die daraus ermittelten Ergebnisse sind als irrelevant für Schlussfolgerungen anzusehen. Die vom (Revisionswerber) angezogene Studie aus Finnland war bei einer wissenschaftlichen Recherche im PubMed durch den medizinischen Sachverständigen nicht auffindbar. Nähere Angaben zu der vom (Revisionswerber) angeführten finnischen Studie zur Auffindung und Bewertung derselben konnten vom (Revisionswerber) nicht gemacht werden.
Die Aussage 'Wenn Sie ein gesundes Kind haben wollen, impfen Sie nicht' entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Zu 'Tetanus kommt im Stadtstaub nicht mehr vor':
Tetanus wird durch das Bakterium Closthdium (C.) tetani verursacht. Es handelt sich um ein obligat anaerobes, bewegliches, grampositives, sporenbildendes Stäbchenbakterium, das vorwiegend im Erdreich weltweit vorkommt. Die Sporen sind widerstandsfähig gegen Hitze und Desinfektionsmittel. Wenn sie nicht dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, können sie jahrelang überleben. Vor allem in feuchtwarmen Ländern mit niedrigen Impfquoten und schlechter medizinischer Versorgung erkranken und sterben auch heute noch viele Menschen an dieser Krankheit, im Jahr 2006 etwa 290.000 Menschen weltweit.
Das Bakterium kommt auch in Österreich unter anderem im Erdreich auch im städtischen Bereich vor. Stadtstaub ist für eine Infektion wenig bis sehr wenig relevant. Infektionen von Stadtbewohnern sind jederzeit bei Kontakt u. a. mit Erdreich auch bei Bagatellverletzungen, z.B. beim Sturz während eines Schulwandertages, möglich. Die Aussage 'Tetanus kommt im Stadtstaub nicht mehr vor' ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar und entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Zu 'Erkrankungen wie Diphterie und Keuchhusten sind ein Problem der Armut, also der Hygiene; Impfen hat keinen Einfluss':
Der Erreger der Diphtherie ist Corynebactenum (C.) diphtheriae . Dabei handelt es sich um ein aerobes, unbewegliches, nicht sporenbildendes, grampositives, unbekapseltes Stäbchen. Die Virulenz des Diphtherie-Erregers entsteht durch das Diphtherietoxin. C. diphtheriae tritt weltweit auf. Die meisten Erkrankungen werden in gemäßigten Klimazonen mit einem saisonalen Gipfel im Herbst und Winter beobachtet. In den westlichen Industrieländern ist die Zahl der Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Die in den 1990er Jahren beobachteten regionalen Epidemien in den GUS-Staaten wurden mit umfangreichen Impfaktionen bekämpft. Der Mensch ist das einzige epidemiologisch relevante Reservoir für C. diphtheriae. Die Übertragung erfolgt bei pharyngealem Befall durch Tröpfcheninfektion, bei der Hautdiphtherie durch Kontakt. Wichtig ist, dass es auch zu einer Übertragung durch asymptomatische TrägerInnen kommen kann. Ähnlich wie beim Tetanus besteht die Prophylaxe in der aktiven Immunisierung (mit einem Toxoid-Impfstoff), die weltweit von allen Expertlnnen anerkannt ist. Der Erreger des Keuchhustens, Bordetella (B.) pertussis, ist ein kleines, gramnegatives, unbewegliches, bekapseltes, aerobes Stäbchen, welches sich auf dem Zilien-tragenden Epithel der Atemwegsschleimhaute vermehrt. Dabei kommt es zu einer lokalen Zerstörung der Mukosa. Die Inzidenz des Keuchhustens, einer meldepflichtigen Infektionskrankheit, ist im Herbst und Winter etwas höher als im Rest des Jahres. Der Mensch ist das einzige Reservoir für B. pertussis. Keuchhusten ist sehr ansteckend. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Auch hier besteht die Prophylaxe in der aktiven Immunisierung, die weltweit von allen Expertlnnen anerkannt ist. Es ist jedoch zu beachten, dass die Dauer der Immunität auch nach vollständiger Grundimmunisierung (und übrigens auch nach durchgemachter Erkrankung) begrenzt ist, sodass auf rechtzeitige Auffrischungsimpfungen besonders geachtet werden muss. Dies ist besonders auch bei Erwachsenen (und dabei ganz besonders älteren Menschen) zu beachten.
Beide Erkrankungen konnten allenfalls indirekt mit dem Faktor 'Arbeit' in Zusammenhang gebracht werden, und zwar in dem Sinne, dass es zum Beispiel bei der Fahrt zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem engen Kontakt mit eventuell infizierten Personen und dadurch zu einer Tröpfcheninfektion kommen könnte. Jedenfalls kann dies nach dem heutigen Stand der Wissenschaft weitgehend (es kann natürlich nach jeder Impfung zu einer nicht ausreichenden Immunreaktion kommen) durch die empfohlene Impfprophylaxe vermieden werden.
Aber auch eine Verknüpfung von Diphterie und Keuchhusten als Problem der Armut ist nicht nachvollziehbar.
Es ist nicht nachvollziehbar, woher der (Revisionswerber) die Aussagen zu Diphtherie und Keuchhusten entnimmt. Die Aussage entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Zur Kritik an der gentechnologischen Herkunft der Impfstoffe gegen Haemophilus B und HPV:
Alle zur Impfung gegen Haemophilus influenzae B in Österreich zugelassenen Impfstoffe sind Konjugatimpfstoffe und haben mit 'Gentechnologie' nichts zu tun. Die Aussage ist unwahr und entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Im Gegensatz zu Haemophilus B-Impfstoffen, werden HPV- und Hepatitis-B-Impfstoffe mit Hilfe der Gentechnik hergestellt.
Zur gentechnischen Herstellung eines Impfstoffes wird aus dem Erbgut eines bestimmten Virus ein Stück herausgeschnitten, das die Bauanleitung für ein Virus-Oberflächenprotein enthält und in Bakterien, Hefepilze oder andere Zellen eingeschleust. Die Zellen übernehmen nun die Herstellung des viralen Proteins (Bruchstücke der Virushülle), welches anschließend gereinigt und für den Impfstoff verwendet wird.
Gentechnisch hergestellte Impfstoffe sind seit mehr als 20 Jahren weltweit in Verwendung und zeichnen sich durch weniger Nebenwirkungen, bei schwächerer Antigenität im Vergleich zu Vollantigen-Impfstoffen aus.
Die Verbindung 'Gentechnologie' und 'Impfstoff gegen Hämophilus B' entbehrt jeder Grundlage.
Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind gentechnisch hergestellte Impfstoffe, wie z.B. jene gegen Hepatitis B- und humane Papillomaviren als sicher einzustufen und werden daher weltweit zur Vermeidung der spezifischen Krankheiten eingesetzt.
Zur Beschreibung von Masern als harmlose Kinderkrankheit, die jeder übersteht: Masern werden durch das Masernvirus, ein humanpathogenes RNA-Virus, verursacht.
Masern sind weltweit verbreitet und gehören in den sogenannten Entwicklungsländern, besonders in Afrika und Asien, zu den zehn häufigsten Infektionskrankheiten, wobei der Anteil tödlicher Verläufe dort besonders hoch ist. Infizierte und akut erkrankte Menschen bilden das natürliche Reservoir des Masernvirus. Masern zählen zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten, was sich durch die besonders hohe Basisreproduktionszahl (Ro; gibt an, wie viele andere Personen eine infektiöse Person im Mittel in einer empfänglichen, d. h. keine Immunität gegenüber dem Erreger besitzenden Population ansteckt) von etwa 12 zeigt. Die Übertragung erfolgt durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen. Das Masernvirus führt bereits bei kurzer Exposition zu einer Infektion (Kontagiositätsindex nahe 100%) und löst bei über 95% der Infizierten klinische Erscheinungen aus (Manifestationsindex ebenfalls nahe 100%). Die Masernvirusinfektion bedingt eine vorübergehende Immunschwäche von mindestens 6 Wochen.
Als Konsequenz kann in dieser Zeit eine erhöhte Empfänglichkeit für bakterielle Superinfektionen bestehen, am häufigsten treten Masern-assoziiert eine Mittelohrentzündung, Bronchitis, Pneumonie und Durchfalle auf. Gemäß den Angaben des US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und des deutschen Robert Koch-Instituts kommt es bei etwa 0,1% der Masernfälle zur besonders gefürchteten Komplikation der akuten postinfektiösen Enzephalitis mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen, die bis zum Koma führen können. Bei bis zu 25% der Betroffenen endet sie tödlich, bei etwa 20-30% muss mit Restschäden im zentralen Nervensystem gerechnet werden. Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) stellt eine sehr seltene Spätkomplikation dar, die sich durchschnittlich 6-8 Jahre nach Infektion manifestiert.
Nach Literaturangaben kommt es durchschnittlich zu 4-11 SSPE-Fällen pro 100.000 Masernerkrankungen. Ein deutlich höheres Risiko besteht bei Kindern unter 5 Jahren. Dieses wird auf etwa 20- 60 SSPE-Fälle pro 100.000 Masernerkrankungen geschätzt. Beginnend mit psychischen und intellektuellen Veränderungen entwickelt sich ein progredienter Verlauf mit neurologischen Störungen und Ausfällen bis zum Verlust zerebraler Funktionen. Die Prognose ist stets infaust.
Die weltweit von allen Expertlnnen anerkannte wirksamste präventive Maßnahme gegen Masern ist die Schutzimpfung. Der Impfstoff gegen Masern ist ein Lebendimpfstoff und wird aus abgeschwächten Masernviren, die in Hühnerembryozellen gezüchtet werden, hergestellt. Die Impfung erzeugt sowohl eine humorale als auch zellulär vermittelte Immunität. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft wird von einer lebenslangen Immunität nach zweimaliger Impfung ausgegangen. Die Elimination der Masern kann nur dann erreicht werden, wenn ein ausreichender Teil der Bevölkerung über eine ausreichende Immunität gegen die Masern verfügt. Dabei ist in Folge der hier besonders hohen Basisreproduktionszahl (siehe oben) ein hoher Prozentsatz (über 95%!) anzustreben. Erst bei Überschreiten dieses Prozentsatzes ist von einer sogenannten Herdenimmunität auszugeben, bei Unterschreiten kann es zu Masernausbrüchen, wie zum Beispiel im Jahr 2008 in Österreich (von Salzburg ausgehend) kommen.
Im Gegensatz zu der vom (Revisionswerber) getätigten Aussage handelt es sich bei Masern um eine besonders gefährliche Erkrankung, bei der nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene betroffen sein können. Der hohen Zahl von Enzephalitiden (1 pro 1.000 Masernfalle mit einer Letalität von bis zu 25%) und der SSPE (etwa 1 pro 10.000 Masernfälle mit praktisch immer tödlichem Verlauf) stehen gemäß CDC-Daten Impfmasern (mit zumeist mildem Verlauf) in 5-15% der Geimpften und weniger als 1 Enzephalitis pro 1 Million Geimpfter gegenüber, womit der große Nutzen der Masernimpfung deutlich dokumentiert ist.
Die Aussage 'Masern ist eine harmlose Kinderkrankheit, die jeder übersteht' ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar und entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Zur negativen Bewertung des Österreichischen Impfprogrammes:
Der (Revisionswerber) meint offenbar mit dem 'österreichischen Impfprogramm' den 'österreichischen Impfplan'.
Der österreichische Impfplan wird in enger Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Arbeit, Sozial, Gesundheit und Konsumentenschutz und Experten des nationalen Impfgremiums erarbeitet und jährlich aktualisiert. Dabei werden auch internationale Vorgaben, wie zum Beispiel WHO-Forderungen zur Ausrottung verschiedener Krankheitserreger berücksichtigt.
Ziel dieses Imfplans ist es, einen Überblick über derzeit zur Verfügung stehende Impfungen und diesbezüglich für Österreich einheitliche, evidenzbasierte Empfehlungen zu geben. Dabei wird differenziert zwischen Basisimpfungen und anderen wichtigen Impfungen, die dennoch für den Individualschutz empfohlen werden.
Nach der Präambel des Impfplanes 2018 ist Ziel des kostenfreien Impfprogrammes des Bundes, allen in Österreich lebenden Kindern bis zum 15. Lebensjahr Zugang zu den für die öffentliche Gesundheit wie 'Herdenschutz' notwendige Impfbeteiligung in der Bevölkerung erreicht werden. Priorität bei der Auswahl der kostenfreien Impfungen haben einerseits sehr häufig vorkommende Erkrankungen, andererseits seltene, sehr schwer verlaufende Krankheiten. Eine weitere Vorgabe ist es, Kinder mit möglichst wenigen Stichen gegen möglichst viele Krankheiten zu schützen.
Nach dem Impfplan 2018 gehören Schutzimpfungen zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Geimpfte sind im Regelfall vor der entsprechenden Krankheit geschützt. Zudem können Krankheiten, die nur von Mensch zu Mensch übertragen werden, z.B. Poliomyelitis, Hepatitis B, Masern oder Keuchhusten, bei einer anhaltend hohen Durchimpfungsrate eliminiert werden. Vor Erreichen der notwendigen hohen Durchimpfungsrate werden Infektionen bei Nichtgeimpften zwar seltener, aber die Erkrankungen ereignen sich oft erst in einem höheren Alter, weil sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Infektionskrankheit verlangsamt. Da bei manchen Krankheiten, z. B. bei Masern, Erkrankungen mit zunehmendem Alter schwerer verlaufen, können nicht geimpfte, die später infiziert werden, schwerer erkranken. Es wird daher im Impfplan 2018 dringend empfohlen, die Impfungen rechtzeitig vorzunehmen, es sei denn, es liegt eine klare Kontraindikation vor.
Die derzeitige epidemiologische Situation in Österreich erfordert vor allem Anstrengungen zur Reduktion des Erkrankungsrisikos am Keuchhusten und Masern. Influenza verursacht mit der fast jedes Jahr auch in Österreich auftretenden Epidemie bis zu 1.000 Todesfälle, hier ist es ebenfalls notwendig, die Durchimpfungsraten deutlich zu erhöhen. Durch die zuletzt in das kostenfreie Impfprogramm übernommene 9-fach-Impfung gegen humane Papillomaviren, ist nun ein erweiterter Schutz gegen die, durch diese Erreger hervorgerufenen (Krebs-)Erkrankungen zu erwarten.
Unerwünschte Folgewirkungen von Impfstoffen sind sehr selten, jedoch existent. Einzelne Punkte des österreichischen Impfplans sind immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Verbesserungen.
Eine ausschließlich negative Bewertung entbehrt jeglicher ärztlichen Sichtweise. Die ausschließlich negative Bewertung des Österreichischen Impfplanes entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin.
Zusammengefasst entsprechen die vom (Revisionswerber) in seinem Vortrag am getätigten Äußerungen nicht dem aktuellen Wissensstand der Medizin."
6 Nach Darlegung beweiswürdigender Erwägungen und Wiedergabe maßgeblicher Gesetzesbestimmungen führte das Verwaltungsgericht fallbezogen rechtlich aus, dass dem Revisionswerber ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 vorgeworfen werde, indem er anlässlich eines Vortrags am in einem Pfarrheim ausschließlich negative Äußerungen - wie oben ausgeführt - zum Thema Impfen getätigt habe, unabhängig davon ob die Ausführungen des Revisionswerbers in seinem Vortrag dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entsprächen. Eine sachliche Information wäge Vor- und Nachteile ab und begnüge sich nicht mit oberflächlichen, nicht konkretisierten Hinweisen auf andere Informationsquellen, wie Medien oder die Apothekerzeitung. Darin erblicke die belangte Behörde ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998.
7 Im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass der Revisionswerber Berufspflichten seinen eigenen Patienten gegenüber verletzt hätte. Fraglich sei allerdings, ob er allfällig andere Berufspflichten zu deren Einhaltung er sich anlässlich der Promotion zum Doctor medizinae universae verpflichtet habe oder zu deren Einhaltung er nach dem Ärztegesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sei, verletzt habe.
8 Gemäß § 1 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Information in der Öffentlichkeit ("Arzt und Öffentlichkeit" in der Folge kurz: Werberichtlinie) sei dem Arzt jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersagt. Konkretisierend führe § 2 Abs. 1 leg. cit. aus, dass eine medizinische Information dann unsachlich sei, wenn sie wissenschaftlichen Erkenntnissen oder medizinischen Erfahrungen widerspreche. Unwahr sei eine Information dann, wenn sie den Tatsachen nicht entspreche (§ 2 Abs. 2 leg. cit.). Wenn § 53 ÄrzteG 1998 iVm § 2 Werberichtlinie dem Arzt jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersage, stelle dies eine zulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit dar, weshalb sich der Revisionswerber nicht auf das ihm grundrechtlich gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung berufen könne.
9 Auch aus der Tatsache, dass es ein Impfschadengesetz gebe, lasse sich für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts gewinnen. Dem Arzt sei jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersagt, das heiße eine medizinische Information, die wissenschaftlichen Erkenntnissen oder medizinischen Erfahrungen widerspräche oder den Tatsachen nicht entspreche. Die vom Revisionswerber in seinem Vortrag "Impfen - Wohl oder Wehe" weitergegebenen Informationen widersprächen dieser Verpflichtung. Wenn auch der Titel des Vortrages eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Impfen suggeriere, so vermittle bereits die Einleitung des Vortrages durch den lapidaren Hinweis darauf, dass positive Informationen vom Hausarzt, den Medien oder den Apothekern zu erhalten seien, eine ausschließlich kritische und ablehnende Haltung zum Thema Impfen.
10 Das Landesverwaltungsgericht kam zusammenfassend zum Schluss, dass der Revisionswerber die ihm im angefochtenen Disziplinarerkenntnis vorgeworfenen Aussagen im Rahmen seines Vortrages getätigt habe und diese Aussagen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprächen. Die vom Revisionswerber in seinem Vortrag getätigten Äußerungen zum Thema Impfen seien sowohl geeignet, das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft zu beinträchtigen (§ 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998), als auch die Berufspflichten zu verletzen, zu deren Einhaltung der Revisionswerber sich anlässlich der Promotion zum Doctor medizinae universae verpflichtet habe und zu der er unter anderem gemäß § 1 der Werberichtlinie verpflichtet sei (§ 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998). Anschließend begründete das Verwaltungsgericht näher die Strafbemessung und die Kostenentscheidung. Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht ohne nähere Bezugnahme auf die entschiedene Rechtssache mit dem Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst deshalb als gegeben an, weil das Verwaltungsgericht im Spruch eine Verletzung des § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 ausgesprochen habe, in der Begründung aber von einer solchen nach § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 ausgehe. Zudem verbinde es in unzulässiger Weise § 1 der Ärztekammerverordnung "Arzt und Öffentlichkeit" mit § 53 und § 136 Abs. 1 ÄrzteG 1998.
§ 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 stelle überdies auf einen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs des Arztes ab, während das Verwaltungsgericht selbst ausführe, dass der Revisionswerber keine Berufspflichten gegenüber seinen Patienten verletzt habe. Zudem widerspreche das verurteilende Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis (vom ,) 2010/11/0075 zu einem vergleichbaren Sachverhalt.
13 Die Revision ist aus den im Zulässigkeitsvorbringen aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet. 14 Die maßgeblichen Vorschriften des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998), BGBl. 1 Nr. 169/1998, § 53 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2001, § 136 in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2014, lauten (auszugsweise):
"Der Beruf des Arztes
§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.
(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;
2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;
die Behandlung solcher Zustände (Z 1);
die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;
die Vorbeugung von Erkrankungen;
die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der
medizinischen Fortpflanzungshilfe;
7.die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;
8.die Vornahme von Leichenöffnungen.
(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
...
Werbebeschränkung und Provisionsverbot
§ 53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.
(2) ...
(3) ...
(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs. 1 genannten Informationen erlassen.
2. Abschnitt
Disziplinarvergehen
§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland
1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder
2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.
(2) Ärzte machen sich jedenfalls eines Disziplinarvergehens nach Abs. 1 Z 1 oder Z 2 schuldig, wenn sie
1. den ärztlichen Beruf ausüben, obwohl über sie rechtskräftig die Disziplinarstrafe der befristeten Untersagung der Berufsausübung (§ 139 Abs. 1 Z 3) verhängt worden ist oder
2. eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagessätzen oder zu einer Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro verurteilt worden sind.
Werden in einem oder mehreren Urteilen Freiheitsstrafen und Geldstrafen (nebeneinander) verhängt, ist die Summe der Freiheitsstrafen und der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen verhängten Freiheitsstrafen maßgeblich. Wird in einem oder mehreren Urteilen ausschließlich auf Geldstrafen erkannt, sind diese zusammen zu zählen.
..."
15 Die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit (Arzt und Öffentlichkeit 2014), Stammfassung, beschlossen von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer am im Rahmen des 129. Österreichischen Ärztekammertages in der hier noch anzuwenden Fassung der von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer im Rahmen des
Österreichischen Ärztekammertages am beschlossenen
Änderung lautet (auszugsweise):
"Aufgrund des § 53 Abs. 4 in Verbindung mit § 117b Abs. 2 Z 9 lit. b) des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 59/2018, wird verordnet:
§ 1. Der Ärztin (dem Arzt) ist jede unsachliche, unwahre oder das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information untersagt.
§ 2. (1) Unsachlich ist eine medizinische Information, wenn sie wissenschaftlichen Erkenntnissen oder medizinischen Erfahrungen widerspricht.
(2) Unwahr ist eine Information, wenn sie den Tatsachen nicht entspricht.
(3) Eine das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information liegt vor bei
1. herabsetzenden Äußerungen über Ärztinnen (Ärzte), ihre Tätigkeit und ihre medizinischen Methoden;
2. Darstellen einer wahrheitswidrigen medizinischen Exklusivität;
3. Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche und/oder marktschreierische Darstellung.
§ 3. Unzulässig ist die Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber. Zulässig ist die sachliche, wahre und das Ansehen der Ärzteschaft nicht beeinträchtigende Information über Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige Medizinprodukte sowie über deren Hersteller und Vertreiber in Ausübung des ärztlichen Berufes.
..."
16 Im gegenständlichen Fall wurde der Revisionswerber wegen eines Disziplinarvergehens nach § 136 Abs. 1 Z 1 iVm § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 und § 1 Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 verurteilt.
17 Die nähere Begründung des Verwaltungsgerichts in seinem Erkenntnis, weshalb der Revisionswerber durch die inkriminierten Aussagen Berufspflichten verletzt habe, zu deren Einhaltung er sich anlässlich seiner Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet habe oder zu deren Einhaltung er nach dem Ärztegesetz 1998 oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sei, vermag daher den Spruch des Erkenntnisses nicht zu tragen. Eine Verletzung dieser Berufspflichten stellte ein Disziplinarvergehen nach der Ziffer 2 des § 136 Abs. 1 ÄrzteG 1998 dar; dem Revisionswerber wurde hingegen - wie ausgeführt - ein solches nach § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 (in Verbindung mit § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sowie § 1 der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014) zur Last gelegt.
18 Ein - vom Landesverwaltungsgericht im Übrigen angenommener -
Verstoß gegen die Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 ist grundsätzlich geeignet, als ein standeswidriges Verhalten im Sinn des § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 qualifiziert zu werden (siehe zu aufdringlicher und marktschreierischer Werbung ausführlich ).
19 Es kann aber auch ein außerberufliches Verhalten eines Arztes eine Verletzung der in § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 normierten allgemeinen Standespflichten darstellen, hat der Arzt nach dieser Vorschrift doch in seinem gesamten Verhalten und auch außerhalb der Ausübung seines Berufs auf die Wahrung des Standesansehens zu achten (). Weiters können auch Aussagen zu medizinischen Methoden unter die Ärzte treffenden Werbebeschränkungen fallen (vgl. , VfSlg. 18.763; siehe aber auch B 1476, VfSlg. 14.037).
20 Die in § 136 ÄrzteG 1998 normierten Standespflichten umfassen daher sowohl das Verhalten des Arztes bei der Ausübung seines Berufes als auch außerberufliches Verhalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof zum insoweit vergleichbaren § 43 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 ausgesprochen hat, ist bei der Prüfung, ob ein außerdienstliches Verhalten eines Beamten einen Dienstbezug (Rückwirkung auf den Dienst) aufweist, ein strengerer Maßstab (nicht bloß geringfügiges Fehlverhalten) anzulegen als bei dienstlichem Fehlverhalten (siehe dazu etwa ; ebenso , zum Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark). Gleiches gilt für die Beurteilung eines außerberuflichen Verhaltens eines Arztes.
21 Vorliegend wurde dem Revisionswerber ein Disziplinarvergehens nach § 136 Abs. 1 Z 1 iVm § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 und § 1 der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 zur Last gelegt. Der vom Verwaltungsgericht in seiner Begründung dazu formulierte Vorwurf lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die vom Revisionswerber in einem bereits aufgrund der Ankündigung als impfkritisch zu erkennenden Vortrag gegenüber Eltern - und somit medizinischen Laien - getätigten Aussagen nicht dem Stand der Wissenschaft entsprochen hätten. Eine Verletzung von Berufspflichten gegenüber eigenen Patienten verneinte das Verwaltungsgericht.
22 Den Feststellungen des Verwaltungsgerichts lässt sich nun nicht entnehmen, dass der Revisionswerber bei seinem Vortrag andere Ärzte, die Impfungen vornehmen, herabgesetzt hätte. Eine werbemäßige Hervorhebung eigener Behandlungsmethoden gegenüber jenen, die von ihm abgelehnt wurden, erfolgte nicht. Der Revisionswerber deklarierte sich nach den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen eingangs des Vortrags selbst als jemand, der dem Thema Impfen kritisch gegenüber stehe und verwies für positive Informationen auf (andere) Hausärzte und Apotheken. Er legte damit offen, dass seine Ansicht in der medizinischen Fachwelt zumindest nicht nur auf Zustimmung stößt und sie sogar von der weitaus überwiegenden Mehrheit der Mediziner sowie der "Schulmedizin" abgelehnt wird. Seine Hinweise waren jedenfalls dahin zu verstehen, dass Ärzte Schutzimpfungen auch (überwiegend) anders beurteilen, wenn er auch selbst die Vorteile einer solchen vorbeugenden Behandlung in seinem Vortrag nicht darlegte. 23 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den gegen den Revisionswerber vom Disziplinarrat erhobenen Vorwurf einer Verletzung der Standespflicht gemäß § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 dahingehend präzisiert und zugleich eingeschränkt, dass der Revisionswerber nunmehr wegen einer Standespflichtverletzung gemäß "§ 136 (1) 1 Z 1 ÄrzteG iVm § 53 Abs. 1 ÄrzteG und § 1 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger Informationen in der Öffentlichkeit" für schuldig erkannt wurde (vgl. ).
24 § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 betrifft nur Informationen durch einen Arzt "im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes". Die vom Revisionswerber in seinem Vortrag geäußerten Informationen betrafen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Nachteile und Gefahren des Impfens. Das Verwaltungsgericht hat jedoch ausdrücklich festgestellt, im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass der Revisionswerber Berufspflichten seinen eigenen Patienten gegenüber verletzt hätte. Es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass er die inkriminierten Äußerungen etwa als betreuender oder behandelnder Arzt getätigt hätte oder ob und welcher sonstiger Zusammenhang der Äußerungen des Revisionswerbers mit der Ausübung seines ärztlichen Berufes bestand. Bei dieser Sachlage ist für die Erfüllung des Tatbestandes einer Verletzung der Standespflicht des § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ein ausreichender Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes nicht erkennbar.
25 Ausgehend von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt ist daher die vom Verwaltungsgericht angenommene Verletzung des Standesansehens nach § 136 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 durch einen Verstoß gegen die sich aus § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 und der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 ergebenden Verpflichtungen eines Arztes zu verneinen. Das Verwaltungsgericht hat hier nicht dargelegt, dass die mit seiner Disziplinierung erfolgte Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit des Revisionswerbers zu einem in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Ziel im Sinn eines zwingenden sozialen Bedürfnisses insbesondere der Gesundheit erforderlich gewesen wäre (vgl. EGMR , The Sunday Times/Vereinigtes Königreich, Nr. 6538/74, und VfSlg. 18.763 und , VfSlg. 14.037). Zwar hat nämlich der Revisionswerber nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in seinem Vortrag einseitig Nachteile und Gefahren des Impfens unsachlich und unwahr dargestellt. Den weiteren Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge war aber offensichtlich auch für die Zuhörer zu erkennen, dass es sich bei der vom Revisionswerber vertretenen Auffassung um eine nicht anerkannte Mindermeinung handelt, die sowohl von der überwiegenden Fachwelt als auch den Gesundheitsbehörden nicht geteilt und abgelehnt wird. Das Verwaltungsgericht hat nicht dargetan, ob und inwiefern angesichts einer dergestalt relativierten Gefahr für die Gesundheit die Disziplinierung des Revisionswerbers tatsächlich erforderlich war. Eine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht trifft den Arzt (vgl. ) jedoch nur gegenüber den von ihm betreuten Patienten.
26 Ob durch den schon aufgrund der Ankündigung als impfkritisch zu erkennenden Vortrag vor medizinischen Laien eine - vom Verwaltungsgericht in seiner Begründung bejahte - Verletzung der Berufspflichten nach § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 vorliegen kann, braucht hier nicht abschließend geprüft zu werden (vgl. dazu aber RDM 2008/39). Ein solches Disziplinarvergehen wurde dem Revisionswerber nicht vorgeworfen.
27 Das angefochtene Erkenntnis war somit bereits deshalb, ohne dass auf die in der Revision ferner geltend gemachten Verfahrensmängel einzugehen gewesen wäre, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Da der Ausspruch über die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit der Verurteilung in einem untrennbaren Zusammenhang steht, erstreckt sich die Aufhebung auch auf diesen Spruchpunkt. 28 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090010.L00 |
Schlagworte: | Besondere Rechtsgebiete |
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