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VwGH vom 23.09.2014, 2013/08/0256

VwGH vom 23.09.2014, 2013/08/0256

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des E H in Ü, vertreten durch Mag. Clemens Schneglberger, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ges-180920/6-2013-Sax/Gu, betreffend Transferierung bzw. Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen und Anspruch auf Kurzarbeitergeld (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4010 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde - soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung - gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG,§ 1 Abs. 1 lit. a AlVG,§ 68 ASVG, Art. 14 Abs. 2 lit. b Z i der VO (EWG) Nr. 1408/71 und Art. 12a Abs. 2 lit. a der VO (EWG) Nr. 574/72 Folgendes ausgesprochen:

"I.

(Der Beschwerdeführer) (...) unterliegt auf Grund seiner Beschäftigung beim deutschen Dienstgeber W. AG (...) seit bis laufend als Dienstnehmer der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung.

(...)

IV.

Der Antrag auf Transferierung der Rentenbeiträge für die Jahre 2005 und 2006 von Deutschland nach Österreich wird wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

V.

Der Antrag auf Überweisung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab nach Deutschland wird abgewiesen.

(...)

VII.

Der Antrag auf Bestätigung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld in Österreich wird wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen."

Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 1990 auf Grund seiner unselbständigen Tätigkeit beim österreichischen Unternehmen R. S. bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemeldet. Neben seiner Beschäftigung in Österreich sei der Beschwerdeführer seit auch beim deutschen Unternehmen W. AG unselbständig tätig. Bis zum sei er auf Grund dieser Beschäftigung bei der AOK Gesundheitskasse Bayern zur Sozialversicherung gemeldet gewesen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse (als nach Art. 14 Abs. 2 lit. b Z i der VO (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, zuständiger österreichischer Versicherungsträger) habe nach Absprache mit dem deutschen Sozialversicherungsträger mit Schreiben vom die W. AG ersucht, mit eine Anmeldung für den Beschwerdeführer in Österreich zu erstatten und die Beiträge abzurechnen. Die W. AG habe bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am eine Anmeldung des Beschwerdeführers zur Sozialversicherung rückwirkend mit erstattet.

Mit Schreiben vom habe der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wegen Mehrfachversicherung einen Antrag auf Erstattung der über der Höchstbeitragsgrundlage liegenden Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge nach § 70 und § 70a ASVG sowie § 45 AlVG ab dem Jahr 2005 gestellt. Die Erstattung für das Jahr 2009 sei durchgeführt worden, weil für das Jahr 2009 Beiträge von der W. AG an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse entrichtet worden seien. Als der Beschwerdeführer mit Schreiben vom über die Erstattung die Erlassung eines Bescheides beantragt habe, habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom dem Antrag auf Erstattung der (über der Höchstbeitragsgrundlage gelegenen) Penions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge für die Jahre 2007 und 2008 stattgegeben, jedoch eine derartige Erstattung für die Jahre 2005 und 2006 wegen Verjährung abgelehnt. Für die Jahre 2007 bis 2009 sei die Versicherung auf Grund der deutschen Beschäftigung im Einvernehmen mit dem deutschen Träger nach dem ASVG durchgeführt worden.

Mit Schreiben vom habe der Beschwerdeführer die dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde liegenden Anträge gestellt. Da er für den deutschen Arbeitgeber W. AG und den österreichischen Arbeitgeber S. tätig sei und seinen Wohnsitz in Österreich habe, unterliege er seit den österreichischen Rechtsvorschriften (Spruchpunkt I.). Da für die Jahre 2005 und 2006 in Österreich keine "Rentenbeiträge" entrichtet worden seien, sei der Antrag auf deren Transferierung nach Deutschland wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen. Für die Frage einer möglichen Erstattung der Rentenbeiträge nach deutschem Recht wären die deutschen Sozialversicherungsträger zuständig (Spruchpunkt IV.). Der Beschwerdeführer habe über seinen anwaltlichen Vertreter mit seinem "Antrag auf Beseitigung des fehlenden Arbeitslosenversicherungsschutzes sowie fehlende Versicherungszeiten ab " offenbar Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Deutschland nach deutschem Recht begehrt. Da die Kollisionsnormen der anzuwendenden Verordnung 1408/71 auch für die Arbeitslosenversicherung gelten würden und die Pflichtversicherung in Österreich ab 2005 festgestellt worden sei, sei ein "Splitting" (die Überweisung der ab 2009 geleisteten österreichischen Arbeitslosenversicherungsbeiträge nach Deutschland) nicht möglich (Spruchpunkt V.). Schließlich sei der Antrag auf "Bestätigung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld in Österreich" wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen. Der Anspruch des Dienstnehmers auf Kurzarbeit sei ein arbeitsrechtlicher Anspruch. Ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Kurzarbeiterunterstützung nach österreichischem Recht habe, sei vom Arbeitsmarktservice und nicht von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu entscheiden (Spruchpunkt VII.).

Der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Einspruch des Beschwerdeführers habe sich nur gegen dessen Spruchpunkte IV. bis VII. gerichtet. Spruchpunkt I. sei daher in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, sein Antrag auf Transferierung seiner Rentenbeiträge für die Jahre 2005 und 2006 von Deutschland nach Österreich falle in die Zuständigkeit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, weil diese auf Grund der VO (EWG) 1408/71 "als meine zuständige Wohnortträgerkasse sehr wohl für die Koordinierung und Weiterleitung meiner Rentenbeiträge zuständig" sei. Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse "als zuständige Wohnortträgerverteilerkasse" hätte die "Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab 2005" koordinieren und weiterleiten müssen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wäre als "mein Wohnortträger" auch für die Krankenversicherung und dafür zuständig gewesen, dafür zu sorgen, dass die seit 1979 bis 2005 vom Beschwerdeführer bezahlten Beiträge zur (deutschen) Pflegeversicherung in vollständiger Höhe an den Beschwerdeführer ausbezahlt würden, weil es in Österreich ja keine Pflegeversicherung gebe. Schließlich sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse als "zuständige Wohnortträgerverteilerkasse" auch für die Koordinierung und Weiterleitung des Kurzarbeitergeldes seit dem Jahr 2005 zuständig. Auch die Entgeltersatzleistungen aus der Arbeitslosenversicherung, das Kurzarbeitergeld ab 2005, sei von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse "zu koordinieren" gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde diesem Einspruch keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt.

Der Antrag auf Transferierung der Rentenbeiträge für die Jahre 2005 und 2006 von Deutschland nach Österreich (Spruchpunkt IV. des erstinstanzlichen Bescheides) sei wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen, weil für diesen Zeitraum in Österreich keine Rentenbeiträge entrichtet worden seien. Die erstinstanzliche Feststellung betreffe nur die Rentenbeiträge betreffend die Beschäftigung bei der deutschen W. AG. Nur die Anrechnung der deutschen Beitragsjahre sei strittig. Die Anrechnung der österreichischen Pensionsbeiträge aus der Beschäftigung des Beschwerdeführers bei R. S. sei nicht Verfahrensgegenstand. Auf Grund der Anwendbarkeit des österreichischen Sozialversicherungsrechts habe im beschwerdegegenständlichen Zeitraum die mit dem angefochtenen Bescheid festgestellte, aber davor schon ex lege eingetretene Pflichtversicherung nach dem ASVG bestanden. Dass die W. AG den Beschwerdeführer erst mit bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung angemeldet habe, stehe dem Eintritt der Pflichtversicherung nach dem ASVG für den vorhergehenden Zeitraum nicht entgegen. Dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, dass eine Versicherungszeit nicht verjähren könne. Pensionswirksam werde sie jedoch nur bei ordnungsgemäß entrichteten Beiträgen. Betreffend die W. AG sei jahrelang eine Versicherung im "falschen" Staat durchgeführt worden. Nach Art. 12a VO (EWG) Nr. 574/72 hätte eine Person, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübe, den Träger, in dessen Gebiet sie wohne, unterrichten müssen. Der Beschwerdeführer habe entgegen dieser Vorschrift die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nicht von seiner weiteren unselbständigen Beschäftigung in Deutschland unterrichtet.

Ob eine Rückerstattung der in Deutschland entrichteten Beiträge für die Jahre 2005 und 2006 möglich sei, richte sich nach den deutschen Rechtsvorschriften. § 69 Abs. 3 ASVG finde keine Anwendung, weil in Österreich keine Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden seien. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei nicht "zuständige Verteilerkasse" für die Transferierung der Beiträge (aus Deutschland). Der Begriff der "Verteilerkasse" könne der Verordnung 1408/71 nicht entnommen werden.

Zur Abweisung des Antrags auf Überweisung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab nach Deutschland (Spruchpunkt V. des erstinstanzlichen Bescheides) führte die belangte Behörde aus, dass die Pflichtversicherung in Österreich (auch die Arbeitslosenversicherung) mit dem erstinstanzlichen Bescheid rechtskräftig festgestellt worden sei, weshalb der Antrag von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu Recht abgewiesen worden sei.

Schließlich führte die belangte Behörde zum geltend gemachten Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Spruchpunkt VII. des erstinstanzlichen Bescheides) aus, dass dieser Anspruch nicht in die sachliche Zuständigkeit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse falle, sondern darüber vom zuständigen Arbeitsmarktservice zu entscheiden sei. Der Antrag sei daher zu Recht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden. Zusammenfassend hielt die belangte Behörde nochmals fest, dass der Beschwerdeführer entgegen Art. 12a der VO (EWG) Nr. 574/72 die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse als Wohnsitzträger nicht von seinem weiteren in Deutschland ausgeübten Beschäftigungsverhältnis informiert habe. Deshalb sei die dem Unionsrecht widersprechende Mehrfachversicherung jahrelang nicht erkannt worden. Eine Rückabwicklung sei unter Beachtung der nationalen Verjährungsfristen vorzunehmen. Hinsichtlich der "eingetretenen Verjährung" liege bereits ein rechtskräftiger Bescheid vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde richtet sich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Spruchpunkte IV., V. und VII. des erstinstanzlichen Bescheides.

Zum Antrag auf Transferierung der Rentenbeiträge für die Jahre 2005 und 2006 (Spruchpunkt I.) bringt der Beschwerdeführer vor, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei die für ihn zuständige Wohnortträgerkasse und hätte "daher seine (des Beschwerdeführers) deutschen Rentenversicherungsbeiträge an die OÖ GKK transferieren müssen". Die Kasse hätte "gemäß Verordnung bzw. Durchführungsverordnung von Amts wegen" vorgehen müssen. Sie hätte die "Rentenbeiträge des Beschwerdeführers aus den Jahren 2005 und 2006 ebenfalls von der AOK Bayern rückfordern müssen". Die deutschen Rentenbeiträge aus den Jahren 2005 und 2006 seien von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als "einhebende Verteilerkasse" an die Pensionsversicherungsanstalt weiterzuleiten. Zum Antrag auf Überweisung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab nach Deutschland (Spruchpunkt V.) bringt die Beschwerde vor, "Stoßrichtung des diesbezüglichen Antrags" sei es, "den verordnungsgemäßen Zustand für den Beschwerdeführer herzustellen, da die Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab 2005 von der OÖ GKK zu koordinieren" gewesen seien. Zum Antrag auf Bestätigung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld (Spruchpunkt VII.) bringt die Beschwerde vor, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei "auch für die Koordinierung und Weiterleitung des Kurzarbeitergeldes seit dem Jahr 2005 zuständig". Auch die Entgeltersatzleistung aus der Arbeitslosenversicherung, das Kurzarbeitergeld, sei ab 2005 von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu koordinieren. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer schließlich vor, dass es ihm nicht darum gehe, irgendwelche Beiträge erstattet zu erhalten, sondern es sei sein Anliegen, dass seine Versicherungszeiten auch für die Jahre 2005 und 2006 in Österreich berücksichtigt würden.

Mit seinem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse für eine "Transferierung" ausländischer Versicherungsbeiträge nicht zuständig ist (wobei weder im innerstaatlichen Recht noch im Unionsrecht eine materiellrechtliche Grundlage für einen derartigen Anspruch des Beschwerdeführers besteht). Dasselbe gilt für die beantragte Überweisung (österreichischer) Arbeitslosenversicherungsbeiträge ab nach Deutschland. Schließlich ist die belangte Behörde auch darin im Recht, für eine "Bestätigung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld in Österreich" nicht zuständig zu sein.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Altfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am