VwGH vom 17.02.2020, Ra 2019/08/0175

VwGH vom 17.02.2020, Ra 2019/08/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des D V in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W164 2179092- 1/7E, betreffend Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien, Esteplatz), zu Recht erkannt:

Spruch

Des angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.364,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass dem Revisionswerber für die Zeit vom 23. Mai bis gemäß § 49 Abs. 1 und 2 AlVG keine Notstandshilfe gebührt. Die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) habe ihm am eine am , 9 Uhr, beginnende Eingliederungsmaßnahme beim sozialökonomischen Betrieb "Job-Trans-Fair" zugewiesen. Die Teilnahme an der Veranstaltung am ersten Tag sollte als Einhaltung eines Kontrollmeldetermins gelten. Als weiteren Kontrollmeldetermin habe das AMS den festgelegt. Dieser habe den Zweck gehabt, unmittelbar nach Absolvierung der in Aussicht genommenen Eingliederungsmaßnahme die weitere Vorgangsweise zu besprechen. 2 Die im Verwaltungsakt erliegende Vorschreibung dieses weiteren Kontrollmeldetermins hatte folgenden Wortlaut:

"Ihr nächster Kontrollmeldetermin bzw. Ihre nächsten Kontrollmeldetermine ... finden am 10:00 Uhr ...statt. Die Rechtsfolgen wurden mündlich erörtert. Für den Fall, dass Sie an diesem (einem dieser) Termin(e) ohne triftigen Grund nicht zur Vorsprache erscheinen, wurden Sie darüber informiert, dass der Bezug ab diesem Tag bis zu einer neuerlichen persönlichen Wiedermeldung einzustellen ist (Anspruchsverlust bis zur persönlichen Vorsprache und die Bezugsdauer wird gekürzt)."

3 Am , 9 Uhr, habe der Revisionswerber - so das Bundesverwaltungsgericht weiter - vom Wartesaal eines Zahnambulatoriums aus beim AMS angerufen und angegeben, dass er Zahnschmerzen habe. Die Mitarbeiterin des AMS habe notiert, dass er im Krankenstand sei. Sein Leistungsbezug sei ab eingestellt worden. Der Zahnarztbesuch habe bis 10 Uhr 40 Uhr gedauert. Danach habe sich der Revisionswerber erst wieder am persönlich beim AMS gemeldet.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, eine Person, die aus triftigen Gründen iSd § 49 Abs. 2 AlVG an der Wahrnehmung eines Kontrollmeldetermins iSd § 49 Abs. 1 zweiter Satz AlVG gehindert sei, müsse sich, solange sie vom AMS keinen neuen Kontrollmeldetermin erhalten habe, auf Grund der allgemeinen Verpflichtung des § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG spätestens nach Verstreichen der auf den versäumten Termin bzw. auf den Wegfall des triftigen Grundes folgenden Woche aus eigenem beim AMS melden. Der Revisionswerber sei iSd § 49 Abs. 2 AlVG an der Wahrnehmung des Kontrollmeldetermins (an der pünktlichen Teilnahme an der am ersten Tag der genannten Eingliederungsmaßnahme angesetzten Vorbesprechung) gehindert gewesen. Die Gesundheitsbeeinträchtigung sei noch am selben Tag weggefallen. Er hätte durchaus noch versuchen können,

"in die ihm zugewiesene Eingliederungsmaßnahme nachträglich einzusteigen oder sich nach der Möglichkeit, in einer nachfolgenden Woche eine Eingliederungsmaßnahme zu beginnen, zu erkundigen".

Der zu diesem Zeitpunkt bereits zugewiesene nächste Kontrollmeldetermin, der , sei am noch in ferner Zukunft gelegen und habe das Ziel verfolgt, nach dem Besuch der zugewiesenen Eingliederungsmaßnahme die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Die "arbeitslosenversicherungsrechtlic h relevante Gesamtsituation" des Revisionswerbers habe sich infolge seiner Nichtteilnahme an der Vorbesprechung zur genannten Eingliederungsmaßnahme maßgeblich geändert. Angesichts dessen wäre dem Revisionswerber zuzumuten gewesen, beim AMS rückzufragen, ob es nun bei diesem in ferner Zukunft liegenden nächsten Kontrollmeldetermin bleiben würde oder ob angesichts der nun geänderten Situation ein anderer Handlungsbedarf bestünde. Er hätte erkennen müssen, dass "Handlungsbedarf zumindest im Sinne einer Kontaktaufnahme und Nachfrage beim AMS bezüglich des weiteren Vorgehens" bestanden habe. Soweit der Revisionswerber argumentiere, ihm sei bereits ein anderer Kontrollmeldetermin vorgeschrieben worden, sei ihm zu entgegnen, dass der Nichtantritt der Eingliederungsmaßnahme die weitere Vorgangsweise klärungsbedürftig habe erscheinen lassen. Dass ein Arbeitsloser in jenen Fällen, in denen bereits vor dem Eintritt eines Hinderungsgrundes ein Folgekontrollmeldetermin festgelegt worden sei, von der Verpflichtung, nach dem Wegfall dieses Hinderungsgrundes beim AMS vorzusprechen, befreit werden sollte, unabhängig davon, in welch ferner Zukunft und unter welchen Prämissen der Folgekontrollmeldetermin angesetzt gewesen sei, sei der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entnehmen. Der Revisionswerber habe den Tatbestand des § 49 Abs. 1 iVm 2 AlVG erfüllt.

5 Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

7 Das AMS hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob dem Revisionswerber sein Verhalten in Anbetracht des nicht gesetzeskonformen Verhaltens des AMS nach § 49 AlVG angelastet werden könne. Am normativen Gehalt des als Rechtsgrundlage für den Verlust der Notstandshilfe herangezogenen § 49 AlVG bestünden Zweifel.

10 Die Revision ist zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Folgen einer entschuldigten Unterlassung einer Kontrollmeldung iSd § 49 Abs. 2 AlVG abgewichen ist.

11 Gemäß § 49 Abs. 1 AlVG hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. 12 Gemäß § 49 Abs. 2 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um den Tag einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. 13 Ein Arbeitsloser, dessen Unterlassung einer Kontrollmeldung - wie hier - aus triftigem Grund entschuldigt ist, kann aber auch nicht einfach zuwarten, ohne sich bei der regionalen Geschäftsstelle zu melden. Er ist vielmehr gemäß § 49 Abs. 1 AlVG von Gesetzes wegen zur wöchentlichen Meldung verpflichtet, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle hat einen von dieser gesetzlichen Grundverpflichtung abweichenden Kontrolltermin festgesetzt. Ohne die Vorschreibung eines konkreten Kontrollmeldetermins hätte für den Revisionswerber daher spätestens mit Ablauf der Kalenderwoche, die auf den versäumten Kontrolltermin vom gefolgt ist, gemäß § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG wiederum eine Meldepflicht bestanden ().

14 Da das AMS dem Revisionswerber für den aber einen (von der gesetzlichen Grundverpflichtung abweichenden) konkreten neuen Kontrollmeldetermin vorgeschrieben hatte, war er in der Zwischenzeit nicht zu anderen, nicht zusätzlich vorgeschriebenen (wöchentlichen) Meldungen verpflichtet. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, der Revisionswerber habe (in Bezug auf eine wöchentliche Meldepflicht) den Tatbestand des § 49 Abs. 1 iVm 2 AlVG erfüllt, ist verfehlt. In Anbetracht der unbedingten Anordnung des zur Rede stehenden weiteren Kontrolltermins kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschreibung eines bedingten (z.B. von der Absolvierung der Eingliederungsmaßnahme abhängigen) Kontrollmeldetermins zulässig gewesen wäre (vgl. zur Vorschreibung einer Kontrollmeldung für den Fall des Leistungsbezugs ). 15 Der dem Revisionswerber vom Bundesverwaltungsgericht vorgeworfene Umstand, er hätte durchaus noch versuchen können, "in die ihm zugewiesene Eingliederungsmaßnahme nachträglich einzusteigen oder sich nach der Möglichkeit, in einer nachfolgenden Woche eine Eingliederungsmaßnahme zu beginnen, zu erkundigen" bzw. er hätte in Anbetracht der "arbeitslosenversicherungsrechtlich relevante Gesamtsituation" gegen eine Erkundigungspflicht verstoßen, erfüllt den Tatbestand des § 49 Abs. 2 AlVG nicht.

16 Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080175.L00

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