VwGH vom 19.09.2007, 2006/08/0272

VwGH vom 19.09.2007, 2006/08/0272

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der N N in Wien, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt.3-AIV/05661/2006-283, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am wurde mit der Beschwerdeführerin vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift zum Gegenstand "Nichteinhaltung der Kontrollmeldung vom " aufgenommen. Die Beschwerdeführerin führte aus, dass sie den Kontrolltermin am nicht eingehalten habe, da sie eine Autopanne gehabt und telefonisch die Auskunft einer Dame der "Serviceline" bekommen habe, dass ihr schriftlich ein "Ersatztermin zugesendet" werde. Da sie diesen bis nicht erhalten habe, habe sie sich schriftlich an ihre Beraterin S. gewandt. S. habe der Beschwerdeführerin am telefonisch mitgeteilt, sie müsse umgehend persönlich vorsprechen.

Im Akt finden sich zwei Schreiben der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice an die Beschwerdeführerin vom und vom , aus denen hervorgeht, dass diese über die Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG belehrt wurde.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom bis kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe erhalte. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den vorgeschriebenen Kontrolltermin am nicht eingehalten und sich erst am bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass die Behauptung, sie habe den Kontrolltermin am unentschuldigt versäumt, unrichtig sei. Sie habe am selben Vormittag unzählige Male (mindestens zwölfmal) beim Arbeitsmarktservice angerufen und die zuständige Mitarbeiterin nie erreicht, sodass ihr die abhebende Beamtin angeboten habe, der zuständigen Mitarbeiterin ihre Entschuldigung weiterzuleiten und diese zu veranlassen, ihr einen neuen Vorsprachetermin postalisch zu übermitteln. Zeugen und Handyrufauszug sowie weitere Beweismittel seien dem Arbeitsmarktservice bereits angeboten worden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides im Wesentlichen aus, dass für den in der Kontrollkarte der Beschwerdeführerin ein Vorsprachetermin eingetragen gewesen sei. Im Hinblick auf die Berufungsausführungen sei eine Stellungnahme sämtlicher betroffener Abteilungen eingeholt wurden und der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden. Die Stellungnahme der "Serviceline" als Stelle, die der Beschwerdeführerin Auskunft erteilt habe, habe im Wesentlichen zum Inhalt, dass die Mitarbeiter dort verpflichtet seien, nach einem Dienstleistungskatalog, der ständig aktualisiert werde, Auskunft zu geben. Es seien sämtliche Fragetypen ausgeführt. Im Falle von Nichteinhaltungen von Kontrollterminen, wenn der "Kunde" triftige Gründe angebe, sei eine Eintragung in die EDV-mäßigen Aufzeichnungen vorzunehmen, der "Kunde" dahingehend zu informieren und mit "Nachweis/Bestätigung" würde man gebeten, bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen. Es werde dezidiert darauf hingewiesen, dass eine Vorgangsweise, wie sie von der Beschwerdeführerin vorgebracht werde, nirgends gedeckt sei und sicher auch von keinem Mitarbeiter der "Serviceline" gewählt werde. Dies schon deshalb, weil die Mitarbeiter nicht berechtigt seien, über Terminverschiebungen und dergleichen Zusagen zu machen und dies aus verfahrenstechnischen Gründen gar nicht könnten. In der Bescheidbegründung heißt es weiter, mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin eine Bestätigung ihrer Werkstätte über die Abschleppung ihres Pkw am um sieben Uhr übermittelt. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass es ihr möglich gewesen wäre, am selben Tag nachmittags oder am nächsten Tag beim Arbeitsmarktservice vorzusprechen. Der zuständige Ausschuss für Leistungsangelegenheiten sei in Anbetracht des Umstandes, dass keinerlei EDV-mäßige Eintragungen über die Anrufe der Beschwerdeführerin vorhanden seien und die "Serviceline" weder berechtigt noch verfahrentechnisch in der Lage sei, neue Termine zu vereinbaren, zu der Entscheidung gekommen, dass die Berufungsausführungen "weniger hoch" zu bewerten seien als die Aussagen der "Serviceline".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde wendet sich in ihrer Gegenschrift gegen die Rechtzeitigkeit der Beschwerde und macht geltend, dass der Berufungsbescheid vom "mittels Rsb" zugestellt worden sei. Dieser Bescheid sei ordnungsgemäß hinterlegt, aber nicht behoben worden. Da die Beschwerdeführerin am persönlich beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen habe und ihr der Bescheid persönlich ausgefolgt worden sei, sei das auf der Beschwerde angegebene Datum "Bescheid vom , zugestellt am " unrichtig.

Die belangte Behörde ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. VH 2006/08/0027, über die Bewilligung der Verfahrenshilfe dem Beschwerdevertreter am zugestellt wurde. Ob die Beschwerdefrist mit diesem Tag zu laufen begonnen hat, hängt davon ab, ob die Beschwerdeführerin den Verfahrenshilfeantrag binnen sechs Wochen ab Zustellung des angefochtenen Bescheides gestellt hat. In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass auf dem im Akt vorhandenen Rückschein, weder das Datum eines Zustellversuchs noch der Beginn der Abholfrist angegeben ist, noch die jeweiligen Rubriken über die Verständigung über die Hinterlegung, eine Annahmeverweigerung und die Hinterlegung selbst durch Ankreuzen ausgefüllt sind. Der Rückschein ist auch nicht vom Zusteller unterschrieben worden. Da somit auf dem Rückschein die Beurkundung durch den Zusteller im Sinn des § 22 Abs. 1 ZustellG fehlt, liegt kein Zustellnachweis vor, für den die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit spricht (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 2031 unter E 18 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Einen sonstigen Nachweis darüber, dass der Bescheid der Beschwerdeführerin gegenüber vor der im Verfahrenshilfeantrag dargelegten - und im Akt mit von der Beschwerdeführerin unterfertigtem Übernahmevermerk vom dokumentierten - persönlichen Übernahme am erlassen worden ist, hat die belangte Behörde nicht erbracht. Daher hat die Beschwerdeführerin - davon ausgehend:

rechtzeitig - mit Schreiben vom Verfahrenshilfe beantragt, sodass die sechswöchige Frist für die Beschwerdeerhebung erst ab dem (erneut) zu laufen begann (§ 26 Abs. 3 VwGG). Die Beschwerde vom , zur Post gegeben am , wurde somit rechzeitig erhoben.

Gemäß § 49 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweis der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt.

Gemäß § 49 Abs. 2 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um den Tag einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören.

Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass es sich bei dem Termin am um eine Kontrollmeldung gehandelt hatte und dass sie vom Arbeitsmarktservice über die Folgen des Unterlassens von Kontrollmeldungen informiert worden war (vgl. zu diesen Umständen als Voraussetzung für die Einstellung des Arbeitslosengeldes das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0061, mwN).

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin des Leistungsbezuges für die Zeit vom bis verlustig erklärt. Wie sich jedoch aus der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides ergibt, hat die Beschwerdeführerin als Beleg für eine unverschuldete Hinderung an der Wahrnehmung des Kontrolltermins Unterlagen über eine Autopanne am beigebracht. Die belangte Behörde hätte sich angesichts dessen aber damit auseinander setzen müssen, ob nicht insofern ein triftiger Entschuldigungsgrund für den im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG vorgelegen ist.

Die Beschwerdeführerin behauptet selbst nicht, dass sie von der "Serviceline" irgendwelche Zusagen erhalten hat, sie könne auf eine neue schriftliche Verständigung von einem Kontrolltermin warten, da nur eine Zusage gegeben worden war, ihr Anliegen an die Betreuerin weiterzuleiten. Diese Zusage ist aber rechtlich insofern ohne Bedeutung, als sie nichts an dem Umstand änderte, dass die Beschwerdeführerin den Kontrolltermin - ihrer Behauptung nach: aus einem triftigen Grund - versäumt hat und ihr noch kein neuer Kontrolltermin vorgeschrieben war. Es ist daher die Frage zu beantworten, ob die Beschwerdeführerin in dieser Situation bis nach den Weihnachtsfeiertagen zuwarten durfte, ohne sich bei der regionalen Geschäftsstelle zu melden.

Dies ist im Ergebnis nicht der Fall: Auf der Grundlage des § 49 Abs. 1 AlVG ist nämlich davon auszugehen, dass bis zur Festsetzung eines neuen Termines schon nach dem Gesetz die Pflicht zur wöchentlichen Meldung nach § 49 Abs. 1 AlVG bestanden hat. Spätestens mit Ablauf der Kalenderwoche, die auf den versäumten Kontrolltermin vom gefolgt ist, hat daher auf Grund des § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG wiederum eine Meldepflicht für die Beschwerdeführerin bestanden.

Ob ihr auch eine Erfüllung dieser Meldepflicht aus triftigen Gründen nicht möglich gewesen ist, wurde von der belangten Behörde nicht untersucht, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin über die Auskunft der "Serviceline" jedenfalls keinen triftigen Grund darstellen kann, da es eben nur eine Zusage der Mitarbeiterin der "Serviceline" war, sich für eine neue Terminfestsetzung einzusetzen, sodass die Beschwerdeführerin nicht davon ausgehen konnte, dass eine solche tatsächlich stattfinden würde.

Im Hinblick auf die Aktenlage hätte es schließlich einer nachvollziehbaren Begründung bedurft, warum - insbesondere auch ausgehend von der konkret verhängten Sperrfrist - nach der Auffassung der belangten Behörde die Frage nicht strittig gewesen ist, ob ein triftiger Grund für die Versäumung der Kontrollmeldung vorliegt, sodass der Regionalbeirat nicht anzuhören ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0251).

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.

Wien, am