VwGH 03.02.2020, Ra 2019/08/0158
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 |
RS 1 | Dem von einem potentiellen Arbeitgeber verwendeten Begriff der "Stressresistenz" kommt insbesondere in Bezug auf einen mit der geforderten Tätigkeit einhergehenden Zeitdruck kein definierter Inhalt zu. Eine evidente Unzumutbarkeit ist daraus nicht ableitbar, sodass der Arbeitslose - ohne dass weitere Ermittlungen erforderlich waren - jedenfalls zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet gewesen wäre. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße in 1100 Wien, Laxenburger Straße 18, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W263 2210223- 2/10E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: A F in W, vertreten durch Dr. Ingo Riss, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14 Top 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des revisionswerbenden Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) vom bzw. mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde ausgesprochen, dass der Mitbeteiligte gemäß § 38 iVm § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt.
2 Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde. Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur neuerlichen Entscheidung an das AMS zurückverwiesen. Dem Mitbeteiligten sei am eine Beschäftigung bei K. als Bürogehilfe zugewiesen worden, die "Stressresistenz" erfordere. Ihm seien auf Grund seines Gesundheitszustandes "Tätigkeiten bei überdurchschnittlichem, besonderen bis ständigem Zeitdruck" nicht zumutbar. Er habe die Meinung geäußert, er sei nicht "stressresistent" und die zugewiesene Beschäftigung sei ihm nicht zumutbar. Das AMS habe "notwendige Ermittlungen beim potentiellen Dienstgeber zur Zumutbarkeit der Beschäftigung" unterlassen. Ermittlungen durch das Bundesverwaltungsgericht seien nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen, weil das AMS ebenso schnell und kostengünstig arbeite.
3 Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die kostenpflichtige Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragt.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Das AMS führt zur Zulässigkeit der Revision aus, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG abgewichen. Es lägen keine Ermittlungsmängel vor, die eine Zurückverweisung rechtfertigen könnten. Sei eine Beschäftigung nicht evident unzumutbar, könne sie dem Arbeitslosen zugewiesen werden. Es liege am Arbeitslosen, die näheren Bedingungen der Beschäftigung in einem Vorstellungsgespräch zu erörtern.
7 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben,
dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind (). 9 In der ausführlich begründeten Beschwerdevorentscheidung finden sich aussagekräftige Feststellungen insbesondere über die üblicherweise und im konkreten Betrieb zu erwartenden Anforderungen an einen Bürogehilfen. Diesen sei der Mitbeteiligte gewachsen.
10 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die zugewiesene Beschäftigung evident unzumutbar wäre, sodass der Arbeitslose nicht einmal verpflichtet wäre, die konkret zu erwartenden Arbeitsbedingungen und seine Fähigkeit bzw. Willigkeit, ihnen zu entsprechen, in einem Vorstellungsgespräch zu klären (). Dem von einem potentiellen Arbeitgeber verwendeten Begriff der "Stressresistenz" kommt insbesondere in Bezug auf einen mit der geforderten Tätigkeit einhergehenden Zeitdruck kein definierter Inhalt zu. Eine evidente Unzumutbarkeit ist daraus nicht ableitbar, sodass der Mitbeteiligte - ohne dass weitere Ermittlungen erforderlich waren -
jedenfalls zu einem Vorstellungsgespräch im genannten Sinn verpflichtet gewesen wäre.
11 Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht eine kassatorische Entscheidung nach § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG getroffen. Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080158.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-82092