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VwGH vom 26.05.2014, 2013/08/0246

VwGH vom 26.05.2014, 2013/08/0246

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des M A in Wien, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/6/1044/2013-12, betreffend Übertretung des ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er sei als Inhaber eines Gastgewerbebetriebes in Wien dafür verantwortlich, dass er als Dienstgeber es unterlassen habe, die von ihm am in seinem Betrieb beschäftigte, in der Krankenversicherung nach dem ASVG pflichtversicherte Arbeitnehmerin M. G. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 33 Abs. 1 ASVG iVm § 111 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 910,-- verhängt.

1.2. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis erhobenen Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde - nach der wörtlichen Wiedergabe der Berufung, einer Stellungnahme der Abgabenbehörde sowie des Protokolls der am durchgeführten mündlichen Verhandlung - auf die Anzeige des Finanzamtes Wien 6/7/15, wonach M. G. bei einer Kontrolle am gegen 22:00 Uhr im Lokal des Beschwerdeführers hinter der Bar angetroffen worden sei. M. G. habe eine schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt getragen und während der Amtshandlung einige Gäste bedient und auch von diesen abkassiert. Laut ihrer Aussage sei das ihr erster Arbeitstag im Lokal des Beschwerdeführers gewesen. Es habe festgestellt werden können, dass M. G. nicht beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet gewesen sei. Auf Ersuchen des Kontrollorgans habe sie ein Personenblatt in ihrer Landessprache ausgefüllt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass ein Beschäftigungsverhältnis und damit die Versicherungspflicht im Sinne des § 10 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem "Einstellungsakt" beginne, einem "Vorgang von starker Tatsächlichkeit", weshalb als Tag des Beginnes der Beschäftigung im Sinne der genannten Bestimmung in der Regel der tatsächliche Antritt (die Aufnahme) der Beschäftigung anzusehen sei. Auf den vereinbarten Beginn komme es hingegen grundsätzlich nicht an. Ebenso sei das Bestehen eines Verpflichtungsaktes nicht Voraussetzung.

Im vorliegenden Fall stehe fest, dass M. G. am vom Beschwerdeführer beschäftigt worden sei. Das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 1 ASVG beginne grundsätzlich mit der tatsächlichen Aufnahme der Beschäftigung, sofern diese in einem Verhältnis wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit verrichtet werde. Sobald der Antritt einer solchen Beschäftigung tatsächlich erfolge, sei nicht mehr entscheidend, ob die Vertragsparteien diesen oder einen anderen Tag als Arbeitsbeginn vereinbart haben. Im vorliegenden Fall sei unstrittig, dass M. G. am Tag der Kontrolle im Lokal des Beschwerdeführers als Kellnerin tätig gewesen sei. Es könne nun kein Zweifel daran bestehen, dass diese Arbeiten bereits dem Beschäftigungsverhältnis (das am nächsten Tag beginnen sollte) zuzuordnen seien. Es stehe der Annahme eines (versicherungspflichtigen) Probearbeitsverhältnisses nicht entgegen, dass die (Weiter )Beschäftigung am nächsten Tag im vorliegenden Fall (zunächst) von der "Tauglichkeit" abhängig gemacht werde, zumal im Probearbeitsverhältnis ohnehin die Möglichkeit zu dessen jederzeitiger Auflösung ohne Begründung bestehe und daher auch die nicht wunschgemäße Mitarbeit Anlass für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Dienstgeber sein könne.

Für das Vorliegen einer (sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigung sei nicht entscheidend, ob für die Verwendung ausdrücklich ein Entgelt (allenfalls in einer bestimmte Höhe) vereinbart worden sei. Vielmehr gelte in solchen Fällen im Zweifel ein angemessenes Entgelt als bedungen. Falls die Höhe des Entgelts nicht festgelegt worden sei, bestehe ein Anspruch auf angemessenen Lohn. Demnach sei Unentgeltlichkeit der Verwendung nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten. Diese müsse ausdrücklich und erwiesenermaßen - wenigstens nach den Umständen konkludent - mit der betreffenden Person vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre Sachlichkeit standhalten. M. G. hätte daher für ihre Arbeiten am Tag der Kontrolle einen Entgeltanspruch gegenüber dem Beschwerdeführer gehabt. Es sei daher mit dem einvernehmlichen Beginn einer betrieblichen Tätigkeit das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis noch am in Gang gesetzt worden.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers sei nicht zu folgen gewesen, weil M. G. vom Kontrollorgan beim Servieren und Kassieren beobachtet worden sei. Nachdem sich aus der Aussage des Kontrollorgans und den Angaben aus der Anzeige ergeben habe, dass M. G. gearbeitet habe, sei dem Antrag auf Einvernahme des Freundes von M. G. nicht nachzukommen gewesen. Auch M. G. habe von ihrem ersten Arbeitstag gesprochen.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2007 haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, wobei diese Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden kann (§ 33 Abs. 1a ASVG).

Für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG Pflichtversicherten gilt § 33 Abs. 1 ASVG mit der Maßgabe dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind (§ 33 Abs. 2 ASVG).

§ 111 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 150/2009 lautet

auszugsweise wie folgt:

"Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften

§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder


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3.
Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4.
gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
mit Geldstrafe von 730 EUR bis zu 2 180 EUR, im Wiederholungsfall von 2 180 EUR bis zu 5 000 EUR,
-
bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 EUR herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

(3) Die Verjährungsfrist bei Verwaltungsübertretungen nach Abs. 2 beträgt ein Jahr.

(4) und (5) (...)"

2.2. Tatbildlich im Sinne des § 33 Abs. 1 ASVG handelt (worauf der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung verweist) nicht jeder Arbeitgeber bei Bestehen (irgend)einer Pflichtversicherung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0262, mwN). Nach dieser Bestimmung ist nur jeder in der Krankenversicherung nach dem ASVG Pflichtversicherte zu melden. § 33 ASVG unterscheidet zwischen der Meldung krankenversicherter Personen im Abs. 1 und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter in § 33 Abs. 2 ASVG. Bestraft die Behörde daher wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen), so hat sie in der Begründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, d.h. einen Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Es ist demnach zumindest ein solcher Umfang der Arbeitsverpflichtung festzustellen, dass daraus (oder aus den lohnrelevanten Vorschriften eines Kollektivvertrages) verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Gelingt ihr dies nicht, kommt nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG in Betracht.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde in Hinblick die Beschäftigung der M. G. eine Strafe wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG verhängt, jedoch die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, das heißt einen Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, nicht dargetan. Es fehlen Feststellungen zum Umfang der Tätigkeit der M. G, aus denen (oder aus den lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrages) verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden könnte (vgl. in diesem Zusammenhang die Anmeldung der Monika G. als geringfügig beschäftigte Arbeiterin durch den Beschwerdeführer). Ohne einen solchen Nachweis kommt aber nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG in Betracht.

Ausführungen zum Beschäftigungsausmaß und zur Höhe des Entgeltanspruches der M. G. finden sich im angefochtenen Bescheid lediglich im wörtlich wiedergegebenen Protokoll der mündlichen Verhandlung. Die bloße Zitierung von - im vorliegenden Fall zudem widersprüchlichen - Beweisergebnissen, wie zB von Zeugenaussagen, stellt keine Feststellung im obigen Sinn dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0024), sodass dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann, von welchem entscheidungsrelevanten Sachverhalt die belangte Behörde in dieser Frage überhaupt ausgegangen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.3. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am