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VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0765

VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0765

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des A S in W, vertreten durch Wurst Ströck Rechtsanwälte Partnerschaft in 1010 Wien, Mahlerstraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/91.008/2008, betreffend Fremdenpass, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage staatenlos und besitze kein Reisedokument, weshalb er der in § 88 Abs. 1 Z 1 FPG erwähnten Personengruppe angehöre. Grundsätzliche Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses sei ein positives Interesse der Republik Österreich. Im Hinblick auf die mit der Ausstellung eines Fremdenpasses einhergehenden Verpflichtungen der Republik Österreich gegenüber allfälligen Gastländern sei hierbei ein restriktiver Maßstab anzulegen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei für eine minderjährige Tochter sorgepflichtig und benötige einen Fremdenpass für die Aufnahme einer Beschäftigung, auch um seinen Alimentationsverpflichtungen nachkommen zu können, könne ein solches positives Interesse (der Republik Österreich) keinesfalls begründen, zumal für die Aufnahme einer Beschäftigung der Besitz eines Fremdenpasses bzw. eines gültigen Reisedokumentes keine gesetzliche Voraussetzung sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die mit "Ausstellung von Fremdenpässen" überschriebene Bestimmung des § 88 Abs. 1 FPG (in der hier anzuwendenden Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005) hat folgenden Wortlaut:

"§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt oder

6. Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten."

2. Gemäß § 88 Abs. 1 zweiter Halbsatz ist es wesentliche Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses nach der

Z 1, dass dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist. Für die Ausstellung eines Fremdenpasses kommt es somit nicht bloß darauf an, dass diese im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0659, mwN). Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, ist dabei ein restriktiver Maßstab anzulegen.

Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer sei staatenlos, in Österreich geboren und (ab dem 5. Lebensjahr) auch aufgewachsen, und seit 2002 Vater einer Tochter, welche österreichische Staatsbürgerin und für die er unterhaltspflichtig sei. Nach dem Ablauf der Gültigkeit seines Befreiungsscheines und seines Aufenthaltstitels sei es ihm nicht gelungen, diese zu verlängern, da er sich nicht habe ausweisen können. Er benötige ein gültiges Reisedokument für die Erlangung eines Aufenthaltstitels, um seinen Unterhaltspflichten gegenüber seiner Tochter nachkommen zu können. Es liege ebenso im Interesse der Republik Österreich, wenn ein ohnehin in Österreich aufhältiger Bürger einen Aufenthaltstitel erlange und somit einer Beschäftigung nachgehen könne.

Damit zeigt der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, hat bereits die Erstbehörde in ihrem Bescheid vom darauf hingewiesen, dass zu einer erlaubten Arbeitsaufnahme in Österreich zwar ein gültiger Aufenthaltstitel, nicht aber ein Reisedokument erforderlich ist. Wenn der Beschwerdeführer ausführt, er könne mangels eines Aufenthaltstitels keine Beschäftigungsbewilligung erlangen, es sei ihm aber nicht gelungen, einen Antrag auf Verlängerung einzubringen, weil er sich nicht mittels eines Dokuments habe ausweisen können, ist ihm entgegenzuhalten, dass - abgesehen davon, dass angesichts des bereits im Mai 2004 abgelaufenen Titels ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Erst-, nicht aber (mehr) als Verlängerungsantrag zu behandeln ist - ihm nach seinem eigenen Vorbringen in seiner Berufung gegen den genannten Bescheid der Erstbehörde zuletzt am ein Lichtbildausweis für Fremde ausgestellt worden ist. Auch dieser abgelaufene Lichtbildausweis für Fremde reicht zum Nachweis der Identität aus, wie im Übrigen auch bereits die Erstbehörde zutreffend festgestellt hat.

In seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0302 (dem folgend vgl. auch jenes vom , Zl. 2009/22/0080) hat der Verwaltungsgerichtshof zwar bestätigt, dass bei Nichtvorlage einer Kopie des gültigen Reisedokumentes im Zuge einer Antragstellung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) regelmäßig ein "Mangel" im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vorliegen werde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof aber bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0101 (ebenfalls zur Rechtslage vor der Novelle des § 19 NAG durch BGBl. I Nr. 29/2009) ausgesprochen hat, kann die Nichtvorlage eines Reisedokumentes nicht zu einer Zurückweisung des Antrags führen, wenn die Vorlage eines Reisepasses im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 1 NAG-Durchführungsverordnung (NAG-DV) nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die belangte Behörde hat sich mit den Gründen für die Nichtvorlage des Reisedokuments und mit der Identität des Antragstellers, auf deren Feststellung die Vorlage eines Reisepasses wohl in erster Linie hinausläuft, auseinanderzusetzen. Allenfalls hat sie sich mit anderen Gründen zu befassen, die für die Vorlage einer Kopie des Reisedokuments bei der Verlängerung eines Aufenthaltstitels relevant sein könnten.

Vor dem Hintergrund des Gesagten besteht somit gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass nicht ersichtlich sei, worin im vorliegenden Fall ein positives Interesse der Republik Österreich daran gelegen sein solle, dem Beschwerdeführer einen Fremdenpass auszustellen, im Ergebnis kein Einwand.

3. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am