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VwGH vom 09.09.2010, 2010/22/0099

VwGH vom 09.09.2010, 2010/22/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden der E und des Ü, beide in N, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. E1/8326/10, betreffend Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer, Mutter und Sohn türkischer Staatsangehörigkeit, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus.

Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass die Beschwerdeführer am illegal eingereist seien und Asylanträge gestellt hätten. Das Bundesasylamt habe mit Bescheid vom diese Anträge "gemäß §§ 7 u. 8 Asylgesetz" abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat habe die dagegen erhobene Berufung am abgewiesen. Nach teilweiser Aufhebung dieses Bescheides - soweit damit eine Ausweisung ausgesprochen wurde - durch den Verwaltungsgerichtshof habe der Asylgerichtshof dann die Ausweisung ersatzlos behoben.

Die Beschwerdeführer hielten sich unrechtmäßig in Österreich auf und könnten daher gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden. Von der Möglichkeit der Ausweisung werde zum Schutz des öffentlichen Interesses an einem geregelten und kontrollierten Zuzug und Aufenthalt von Fremden Gebrauch gemacht.

Zur Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, dass die Erstbeschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2003 in der Türkei gelebt habe und der Zweitbeschwerdeführer als Kleinkind nach Österreich eingereist sei. Alle Verwandten, insbesondere die Eltern bzw. Großeltern, lebten in der Türkei. Auch der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers dürfte sich in der Türkei aufhalten. Die Erstbeschwerdeführerin sei nicht berechtigt, in Österreich einer Beschäftigung nachzugehen. Sie habe keine entsprechende Integration in Österreich nachweisen können. Die frühere Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts hätte lediglich auf einem Asylantrag beruht, der rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden sei. Ein allfälliger mit der Ausweisung verbundener Eingriff in das Privat- und/oder Familienleben der Beschwerdeführer sei gemäß § 66 FPG zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Eine allfällige Verfolgungsgefahr bzw. Rückkehrunmöglichkeit in das Heimatland der Beschwerdeführer sei im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren geprüft worden. Dabei sei unbestrittenerweise eine Rückkehr (gemeint: Abschiebung) in die Türkei für zulässig erklärt worden. Auch lebten - wie bereits ausgeführt - die Eltern bzw. Großeltern der Fremden in der Türkei. Der Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels stehe einer Ausweisung nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass ihre Asylanträge rechtskräftig abgewiesen worden sind. Da auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Rechtmäßigkeit ihres inländischen Aufenthaltes gegeben sind, bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG verwirklicht sei.

§ 66 FPG lautet auszugsweise:

"§ 66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
(3)…"
In Bezug auf die diesbezügliche Beurteilung der belangten Behörde bringen die Beschwerdeführer vor, dass im Bereich fremdenrechtlicher Maßnahmen eine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinn des Art. 8 EMRK vorzunehmen sei. Die Beschwerdeführer hielten sich bereits ca. sieben Jahre großteils rechtmäßig in Österreich auf. Sie seien hier integriert; der Zweitbeschwerdeführer besuche hier die Schule und kenne die Türkei überhaupt nicht. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich sei daher als "verfestigt" zu betrachten und gefährde in keiner Weise die öffentliche Ordnung. Die Beschwerdeführer seien strafrechtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.
Auch wenn den Beschwerdeführern eine Integration in Österreich auf Grund des längeren Aufenthaltes zuzubilligen ist, steht dem daraus erfließenden Interesse an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften entgegen, dem - wie die belangte Behörde zutreffend vermerkt - aus dem Gedanken des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2010/22/0094). Der Aufenthalt der Beschwerdeführer beruhte in seiner teilweisen Rechtmäßigkeit allein auf deren Asylanträgen, die letztlich als unbegründet abgewiesen wurden. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gebietet in einem solchen Fall, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise herzustellen.
Da die Beschwerdeführer keine familiären Bindungen zu in Österreich rechtmäßig aufhältigen Personen besitzen und auch eine berufliche Integration der Erstbeschwerdeführerin nicht gegeben ist, erreichen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer jedenfalls nicht jenes Ausmaß, dass das genannte öffentliche Interesse in den Hintergrund treten müsste. Weiters sind keine Umstände ersichtlich, die einer Wiedereingliederung der Erstbeschwerdeführerin in der Türkei entgegenstehen würden. Es liegt auch kein Grund für die Annahme vor, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht auch über Kenntnisse der türkischen Sprache verfügt und ihm die Fortsetzung des Schulbesuches in seinem Heimatland unmöglich oder unzumutbar wäre. In Gesamtbetrachtung dieser Umstände durfte die belangte Behörde die Ausweisung nach § 66 FPG als dringend geboten und im Sinn des Art. 8 EMRK als zulässig werten.
Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführer Gebrauch zu machen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-82074