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VwGH vom 21.06.2011, 2010/22/0098

VwGH vom 21.06.2011, 2010/22/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 1/15, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 319.476/2- III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, beantragte am persönlich die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehefrau. Dieser Antrag wurde von der erstinstanzlichen Behörde (dem Landeshauptmann von Wien) gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen nicht ausreichender Unterhaltsmittel abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und legte gleichzeitig einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vor, wonach sein Anfangsgehalt EUR 1.392,-- netto betragen würde und somit ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG (Eingehen einer Aufenthaltsehe) ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass einem "von der MA 35" nachgereichten Abschlussbericht (des Landespolizeikommandos vom ) zufolge der Verdacht einer Aufenthaltsehe bestehe und dieser Bericht an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden sei. Ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei eingeleitet worden. Die belangte Behörde könne jedoch im Rahmen der freien Beweiswürdigung selbst eine Entscheidung über das Vorliegen einer Aufenthaltsehe treffen.

Aus der Niederschrift vom ergebe sich, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers M bereits viermal verheiratet gewesen sei und mit ihrer Tochter sowie deren Vater S im gemeinsamen Haushalt lebe. In weiterer Folge habe M - im angefochtenen Bescheid näher dargestellt - das Kennenlernen sowie den Entschluss zur Eheschließung geschildert und ausgesagt, dass der Beschwerdeführer über einen slowenischen Aufenthaltstitel verfüge und ca. einmal in der Woche bei ihr sei. Dann gehe S, mit dem sie zwar nie verheiratet gewesen sei, aber eine Tochter habe und der bei ihr wohne, fort. Dass S bei ihr wohne, störe den Beschwerdeführer nicht.

Erhebungen (des Landespolizeikommandos) hätten ergeben, dass eine unmittelbare Nachbarin sowie die Haubesorgerin an der Wohnadresse von M bestätigt hätten, dass diese mit S und ihrer Tochter in der Wohnung lebe; den Beschwerdeführer hätten die Auskunftspersonen noch nie gesehen.

Bei einer Hauserhebung am um 6.45 Uhr seien M, deren Tochter sowie S angetroffen worden. Jene habe angegeben, dass sich der Beschwerdeführer in Slowenien bei der Arbeit befinde.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, auf Grund der Aussage von M (vom ) und dem Erhebungsbericht des Landespolizeikommandos (vom ) komme die belangte Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG zu dem Ergebnis, dass eine Aufenthaltsehe vorliege.

Bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe sei zwingend die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen und es bestehe kein Grund für eine Abwägung im Hinblick auf Art. 8 EMRK.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Abgabe einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich bei ihrer Entscheidung auf Erhebungen des Landespolizeikommandos bezogen, ihm seien diese Unterlagen jedoch nie zur Stellungnahme übermittelt worden. Die Verletzung des Parteiengehörs stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil er im Rahmen einer Stellungnahme die eingeholten Angaben richtigstellen und nachweisen hätte können, dass er auf Grund seiner Arbeit in Slowenien nur unregelmäßig bei seiner Ehefrau gewesen sei. Die räumliche Trennung sei nur durch seine Arbeitstätigkeit bedingt. Für seine Ehefrau sei es auch nicht leicht, seinen Arbeitsort anzugeben, weil dieser ständig variiere. Dass ihn die Nachbarn nicht gesehen hätten, sage nichts über seine Anwesenheit in der Ehewohnung aus. Der gemeinsame Wohnsitz von S und seiner Ehefrau mache diesen noch nicht zu deren Lebensgefährten; eine aktuelle Geschlechtsgemeinschaft zwischen den beiden ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. Da dies für die Beurteilung der ehelichen Gemeinschaft wesentlich sei, wären die Angaben des Beschwerdeführers in das Ermittlungsverfahren einzubeziehen gewesen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Verfahrensmangel auf. Die belangte Behörde hat sich - anders als die Erstbehörde - nicht auf den Mangel ausreichender Unterhaltsmittel, sondern unmittelbar auf eine von dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau geschlossene Aufenthaltsehe (und damit auf den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG) gestützt. Dabei hat sie es aber unterlassen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, diesbezüglich seine Rechte im Ermittlungsverfahren geltend zu machen, nämlich hinsichtlich dieses Beweisthemas Tatsachenbehauptungen zu erstatten und Beweisanträge zu stellen. Der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde dürfen jedoch nur Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt werden, zu denen sich die Partei auch äußern konnte (vgl. zu dem auch im Verwaltungsverfahren anerkannten Überraschungsverbot die in Hengstschläger/Leeb , AVG § 45 Rz 27 zitierte hg. Rechtsprechung sowie das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0168, mwN).

Dieser Verfahrensmangel ist insofern relevant, als M bei ihrer Vernehmung vom das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten und im Rahmen der Wohnungserhebung am - übereinstimmend mit dem nunmehrigen Beschwerdevorbringen - angegeben hat, dass der Beschwerdeführer in Slowenien arbeitet. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde beschränkt sich auf die oben wiedergegebene Beurteilung, dass die Behörde auf Grund der Aussagen von M in der Niederschrift und dem Erhebungsbericht des Landespolizeikommandos im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt sei, es liege eine Aufenthaltsehe vor. Das reicht jedoch nicht aus, um schlüssig das Bestehen einer Aufenthaltsehe darzulegen, zeigt die belangte Behörde doch nicht auf, aus welchem Grund sie die Aussage von Snezana M für nicht glaubwürdig erachtet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-82069