VwGH vom 17.04.2013, 2010/22/0097
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des O, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 148.103/13- III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG den erstinstanzlichen Bescheid vom , mit dem der am eingebrachte Antrag des aus Burkina Faso stammenden Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger" zurückgewiesen worden war.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nach seiner Einreise in Österreich am einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt, über den in erster Instanz negativ entschieden worden sei. Das Verfahren über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung sei beim Asylgerichtshof anhängig. Der Beschwerdeführer habe am eine Österreicherin geheiratet, von der er seit dem Jahr 2008 wieder geschieden sei. Die alleinige Obsorge für die beiden gemeinsamen (laut den vorgelegten Verwaltungsakten am und am geborenen) Kinder sei seiner früheren Ehefrau übertragen worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei "nach den Bestimmungen des Asylgesetzes (wenn auch nur vorläufig)" zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, weshalb gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG dieses Bundesgesetz auf ihn nicht anwendbar sei. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), verlange die Verwirklichung eines "Freizügigkeitssachverhaltes" durch seine frühere Ehefrau. Ein solcher lasse sich weder den Stellungnahmen noch der Berufung des Beschwerdeführers entnehmen. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht mehr als Familienangehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin zu qualifizieren, weil er von dieser geschieden sei, die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens nicht mindestens drei Jahre bestanden habe und die Obsorge für die Kinder seiner früheren Ehefrau übertragen worden sei.
Der Verfassungsgerichtshof hat die zunächst gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 576/10-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, der Erstattung einer Äußerung durch den Beschwerdeführer sowie einer Stellungnahme der belangten Behörde erwogen hat:
Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 maßgeblich sind und sich nachstehende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Anhängigkeit des Verfahrens über seinen Antrag auf Gewährung von Asyl und bringt selbst vor, über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen zu verfügen. Allerdings macht er geltend, ihm stünde "unabhängig und neben dem NAG" ein Niederlassungsrecht nach Art. 7 der Freizügigkeitsrichtlinie zu, weil er im Zeitpunkt der Antragstellung Familienangehöriger im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. a leg. cit. gewesen sei.
In Hinblick auf die Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie bringt der Beschwerdeführer ausdrücklich vor, seine frühere Ehefrau sei Österreicherin und übe "hier in Österreich ihr Freizügigkeitsrecht, sich in einem EU Staat niederzulassen aus" und das gemeinsame Familienleben mit den gemeinsamen (österreichischen) Töchtern sei in Wien geführt worden. Daraus ergibt sich allerdings, dass sich die genannten Personen nicht in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben haben (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie); nur wer im Sinn des Art. 2 Z 2 der Richtlinie Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat, kann aus der genannten Richtlinie das Recht ableiten, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0202, mwN).
Der in der Beschwerde geforderten Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK bedurfte es nicht, weil gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG dieses Bundesgesetz nicht für Fremde gilt, die nach dem Asylgesetz 2005 oder nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, sich diese Bestimmung nicht als verfassungswidrig darstellt und mit diesem Ausschluss kein Eingriff nach Art. 8 EMRK verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0780, mwN).
Soweit der Beschwerdeführer eine Familienzusammenführung nach § 34 Asylgesetz und Art. 23 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Statusrichtlinie) anspricht, scheitert die Anwendung der Letzteren daran, dass von dieser gemäß Art. 2 lit. h leg. cit. nur Familienangehörige erfasst werden, "sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat". Diese Voraussetzung erfüllte der Beschwerdeführer, der erst in Österreich im Jahre 2006 geheiratet hatte und dessen Ehe schon wieder geschieden worden ist, nicht. Weiters ist das allfällige Vorliegen der Voraussetzungen einer Familienzusammenführung gemäß § 34 AsylG nicht Gegenstand des vorliegenden Aufenthaltstitelverfahrens (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0886, und vom , Zl. 2008/22/0775).
Es entspricht aber ebenso der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein einen Aufenthaltstitel versagender Bescheid kein "civil right" im Sinn des Art. 6 EMRK berührt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0347, mwN). Auch ist der Beschwerdeführer kein Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinn des Art. 2 Z. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie, weshalb er aus der genannten Richtlinie keine Rechte (etwa aus Art. 31 leg. cit.) ableiten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0202, mwN). Die Position des Beschwerdeführers ist daher mit jener in der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in dem in der Beschwerde zitierten Urteil vom in der Rechtssache C-136/03 (Dörr und Ünal) nicht zu vergleichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/21/0326).
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 20 AEUV und das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom , Rechtssache C-34/09, "Zambrano" beruft, wird damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Da der Beschwerdeführer als Asylwerber über ein (vorläufiges) Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt, wird jedenfalls nicht in den Kernbestand der Rechte, die der Unionsbürgerstatus seinen Kindern verleiht, eingegriffen, weil sich Unionsbürger in solchen Konstellationen nicht de facto gezwungen sehen, das Gebiet der Union zu verlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0837). Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-82065