VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/08/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W178 2222087-1/4E, betreffend Beitragsgrundlagen nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: DI C S in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom , 10 Rs 66/18a, wurde das dort anhängige Berufungsverfahren gemäß § 74 ASGG unterbrochen, bis über die für die Bemessungsgrundlage der Alterspension des Mitbeteiligten maßgebliche Vorfrage betreffend die Beitragsgrundlagen, die in die Bemessungszeit fallen, als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden sei. 2 Mit Bescheid vom sprach die revisionswerbende Partei (im Folgenden: PVA) aus, dass für die Bemessungsgrundlage der Alterspension des Mitbeteiligten zum Stichtag gemäß § 355, 238, 242 und 243 ASVG die - für die Jahre 1972 bis 2011 einzeln aufgelisteten - aufgewerteten monatlichen Beitragsgrundlagen "geprüft" worden seien. Begründend führte sie aus:
"Die Bemessungsgrundlage wurde aus der Summe der 180 höchsten monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen gebildet."
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Bescheid werde insofern angefochten,
"als die monatlichen Beitragsgrundlagen für den Zeitraum bis zu niedrig festgestellt wurden und für den Zeitraum bis keine Beitragsgrundlage festgestellt wurde".
4 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Bescheid (wegen Unzuständigkeit ersatzlos) behoben. Der Mitbeteiligte sei von 1998 bis 2015 als Mitglied eines Ordens von der Pflichtversicherung nach dem ASVG ausgenommen gewesen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Orden habe dieser gemäß § 314 ASVG für die Zeit der Ordensangehörigkeit einen Überweisungsbetrag geleistet. Als Beitragsgrundlage sei ein Betrag in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten festzustellen (§ 243 Abs. 1 Z 1 ASVG). Die in § 243 ASVG definierten Beitragsgrundlagen würden gemäß § 242 ASVG zu Gesamtbeitragsgrundlagen verdichtet und zur Bildung der Bemessungsgrundlage gemäß § 238 ASVG herangezogen. Maßstab für die Ermittlung der Beitragsgrundlagen sei § 314 Abs. 4 ASVG. Zur Erlassung eines Bescheides über die Höhe der Beitragsgrundlagen sei gemäß § 409 ASVG der Krankenversicherungsträger und nicht die PVA zuständig. Diese sei - wohl eingedenk der Tatsache, dass sie dafür nicht zuständig sei - auf § 243 Abs. 1 Z 1 ASVG (üblicher Arbeitsverdienst) nicht eingegangen.
5 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. 6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision, wobei vorauszuschicken ist, dass die ersatzlose Behebung richtigerweise in Erkenntnisform hätte erfolgen müssen.
7 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die PVA führt zur Zulässigkeit der Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aus, das Bundesverwaltungsgericht habe die Zuständigkeit unrichtig beurteilt. Der Krankenversicherungsträger sei nicht iSd § 409 ASVG zuständig, weil die Einhebung der Überweisungsbeträge für Geistliche und Angehörige von Orden und Kongregationen der Katholischen Kirche gemäß § 314 Abs. 4 ASVG nicht den Trägern der Krankenversicherung, sondern dem Pensionsversicherungsträger obliege.
10 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.
11 § 314 ASVG lautet samt Überschrift auszugsweise:
"Überweisungsbeträge für Geistliche und Angehörige von Orden und Kongregationen der Katholischen Kirche
§ 314. (1) Scheidet ein gemäß § 5 Abs. 1 Z 7 von der Vollversicherung ausgenommener Geistlicher der Katholischen Kirche aus dem Geistlichen Stand bzw. ein Angehöriger eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw. der Kongregation aus, so hat die Diözese bzw. der Orden (die Kongregation), soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der auf Grund der vom Geistlichen bzw. vom Angehörigen des Ordens oder der Kongregation ausgeübten Tätigkeit zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten.
(2) ...
(3) ...
(4) Der Überweisungsbetrag beträgt für jeden Monat, der im Geistlichen Stand bzw. als Angehöriger eines Ordens oder einer Kongregation verbracht wurde, 7 vH der für Arbeiter in Betracht kommenden Berechnungsgrundlage nach § 308 Abs. 6. Soweit während einer Zeit, die der Berechnung des Überweisungsbetrages zugrunde gelegt wird, Beiträge zur Pensionsversicherung entrichtet wurden, sind diese auf den Überweisungsbetrag anzurechnen.
(5) Der Überweisungsbetrag ist binnen 18 Monaten nach dem Ausscheiden nach Abs. 1 zu leisten; er ist bei verspäteter Flüssigmachung mit dem für das Jahr des Ausscheidens geltenden Aufwertungsfaktor nach § 108c aufzuwerten.
(6) Die in dem nach Abs. 1 geleisteten Überweisungsbetrag berücksichtigten vollen Monate gelten als Beitragsmonate im Sinne dieses Bundesgesetzes."
12 Gemäß § 225 Abs. 1 Z 6 ASVG sind als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem insbesondere Zeiten anzusehen, für die ein Überweisungsbetrag nach § 314 Abs. 4 ASVG geleistet worden ist. Gemäß § 243 Abs. 1 Z 1 ASVG ist Beitragsgrundlage für diese Beitragszeiten ein Betrag in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten. Die Festsetzung von Beitragsgrundlagen ist gemäß § 355 ASVG Verwaltungssache (vgl. ).
13 § 355 ASVG lautet samt Überschrift (in der bis zur Novelle BGBl. I Nr. 100/2018 geltenden Fassung):
"Verwaltungssachen
§ 355. Alle nicht gemäß § 354 als Leistungssachen geltenden Angelegenheiten, für die nach § 352 die Bestimmungen dieses Teiles gelten, sind Verwaltungssachen. Insbesondere gehören zu den Verwaltungssachen die
1. Feststellung der Versicherungspflicht, der Versicherungsberechtigung sowie des Beginnes und Endes der Versicherung,
2. Feststellung der Versicherungszugehörigkeit und - zuständigkeit, in der Pensionsversicherung auch der Leistungszugehörigkeit und - zuständigkeit,
3. Angelegenheiten der Beiträge der Versicherten und ihrer Dienstgeber, einschließlich der Beitragszuschläge nach § 113,
4. Angelegenheiten der Überweisungen in der Pensionsversicherung bei der Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis oder beim Ausscheiden aus einem solchen,
5. Streitigkeiten zwischen den Versicherungsträgern bzw. den Versicherungsträgern und dem Hauptverband aus der Durchführung dieses Bundesgesetzes, insbesondere solche gemäß Abschnitt I des Fünften Teiles."
14 § 409 ASVG lautet:
"Zuständigkeit der Versicherungsträger in Verwaltungssachen
§ 409. Die Versicherungsträger sind im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zur Behandlung der Verwaltungssachen berufen. Zur Behandlung der Verwaltungssachen, welche die Versicherungspflicht sowie den Beginn und das Ende der Versicherung von Vollversicherten, von in der Kranken- und Unfallversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 1 und § 8 Abs. 1 Z 4) und von in der Unfall- und Pensionsversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 2) und von in der Unfallversicherung Teilversicherten (§ 7 Z 3 lit. a) und die Beiträge für solche Versicherte betreffen, soweit deren Einhebung den Trägern der Krankenversicherung obliegt, sind, unbeschadet der Bestimmung des § 411, die Träger der Krankenversicherung berufen. Das gleiche gilt für die Zuständigkeit zur Behandlung von Verwaltungssachen, welche die Versicherungsberechtigung sowie den Beginn und das Ende der Versicherung von in der Kranken- und Pensionsversicherung Selbstversicherten (§ 19a) betreffen."
15 Gemäß § 29 Z 1 ASVG ist zur Durchführung der Pensionsversicherung der Arbeiter und der Pensionsversicherung der Angestellten die Pensionsversicherungsanstalt sachlich zuständig. Somit ist der Überweisungsbetrag gemäß § 314 Abs. 1 ASVG iVm § 355 Z 4 ASVG als Verwaltungssache von dem Pensionsversicherungsträger festzusetzen, der auf Grund der vom Geistlichen bzw. vom Angehörigen des Ordens oder der Kongregation ausgeübten Tätigkeit zuletzt zuständig gewesen wäre.
16 Gemäß § 26 Abs. 1 ASVG sind für die Durchführung der Krankenversicherung die Träger der Krankenversicherung zuständig. Darüber hinaus sind sie gemäß § 58 Abs. 6 ASVG für die Einhebung der (in § 44 ff ASVG geregelten) Beiträge zuständig. Eine Zuständigkeit für die Festsetzung von Überweisungsbeträgen in der Pensionsversicherung ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen.
17 Da die Einhebung des gegenständlichen Überweisungsbetrages nicht den Trägern der Krankenversicherung oblag, war nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften (§ 29 iVm § 355 und § 409 erster Satz ASVG) für die Feststellung der Beitragsgrundlagen in jenen Zeiträumen, für die ein Überweisungsbetrag geleistet wurde, die PVA zuständig.
18 Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080148.L00 |
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