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VwGH vom 20.01.2009, 2008/18/0760

VwGH vom 20.01.2009, 2008/18/0760

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des I S, geboren am , vertreten durch Dr. Robert Lattermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Werdertorgasse 12/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/430.820/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer seit April 1988 in Österreich lebe und durchgehend über Aufenthaltsbewilligungen verfügt habe. Er habe im Bundesgebiet jeweils vier Jahre lang die Volks- und die Hauptschule und ein Jahr lang den Polytechnischen Lehrgang besucht. Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keinen Beruf erlernt und sei lediglich zwischen 1. und einer Beschäftigung nachgegangen; die restliche Zeit habe er von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gelebt.

Im Inland lebten auch die Eltern, eine Schwester und ein Onkel des Beschwerdeführers.

Am sei der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden; der strafgerichtlichen Verurteilung liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer zusammen mit Mittätern am unter Verwendung einer Waffe den Angestellten eines Spiellokales mit einem Springmesser bedroht und dadurch EUR 540,-- und drei Mobiltelefone, am in einem weiteren Spiellokal einen Angestellten mit einem Springmesser und einer Spielzeugpistole bedroht und dabei EUR 4.450,-- an Bargeld sowie zwei Mobiltelefone erbeutet habe. Außerdem habe der Beschwerdeführer am die Angestellte eines Wettbüros mit einer Spielzeugpistole bedroht, mehrmals am Hals erfasst und zugedrückt, von ihr die Herausgabe von Geld gefordert und in weiterer Folge versucht, die Handtasche der Angestellten an sich zu nehmen; dies sei jedoch misslungen, sodass er letztlich nur ein Mobiltelefon erbeuten habe können.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Gewaltausübung bzw. Eigentumskriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 FPG - auch im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Angesichts der festgestellten persönlichen und familiären Umstände sei von einem mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessen ungeachtet sei diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:

zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten und sohin im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das wiederkehrende (gleichgelagerte) strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass dieser nicht gewillt sei, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten. Von daher gesehen könne eine Verhaltensprognose keinesfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers gestellt werden, dies umso weniger, als er seine Straftaten unter Verwendung einer Waffe in einem sehr kurzen Zeitraum gesetzt habe.

Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer mittlerweile seit mehr als 20 Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Ungeachtet dessen könne er sich aber nicht mit Erfolg auf eine daraus ableitbare relevante Integration seiner Person berufen; diese erfahre bereits durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine wesentliche Relativierung. Auch von einer beruflichen Integration des Beschwerdeführers könne nicht ausgegangen werden.

Die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des § 61 FPG stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Der Beschwerdeführer sei schließlich wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Vor diesem Hintergrund und in Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zu Last liegenden Straftaten könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.

Zutreffend habe die Erstbehörde das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit (also unbefristet) ausgesprochen. Wer - wie der Beschwerdeführer - Raubüberfälle begehe, lasse nicht nur seine Geringschätzung, sondern sogar seine offenbare Negierung maßgeblicher zum Rechtsgüterschutz aufgestellter Vorschriften erkennen. Vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund - nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf der Grundlage der unstrittig feststehenden Straftaten des Beschwerdeführers und der deswegen erfolgten rechtskräftigen Verurteilung begegnet die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt und die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt seien, keinen Bedenken.

1.2. In Hinblick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (vgl. § 56 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG) wäre - falls der Beschwerdeführer zuletzt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" verfügt hat - auch die in § 56 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt (vgl. zu dem in dieser Bestimmung geforderten höheren Gefahrenmaß die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/18/0794, sowie vom , Zl. 2008/21/0603).

1.3. Soweit die Beschwerde darlegt, die belangte Behörde habe zu Unrecht außer Acht gelassen, dass die "Anstaltsleitung der Justizanstalt Hirtenberg" den Beschwerdeführer aufgrund einer positiven Zukunftsprognose bedingt entlassen habe, so ist dem - abgesehen davon, dass die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe (§ 46 StGB) durch das Gericht ausgesprochen wird - zu erwidern, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von Erwägungen betreffend die ins Treffen geführte bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft zu treffen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0720, mwN).

Aus diesem Grund geht auch die Verfahrensrüge der Beschwerde in Hinblick auf eine unterlassene Einholung eines Berichtes der Justizanstalt Hirtenberg ins Leere.

2. Die belangte Behörde hat im Rahmen der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers seinen mehr als zwanzig Jahre dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet sowie seine familiären Bindungen zu seinen Eltern, einer Schwester und einem Onkel berücksichtigt. Zu Recht hat sie die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten als erheblich gemindert angesehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0507).

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht darüber hinaus die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0421) gegenüber, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer - somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - selbst dann als dringend geboten erscheinen lässt, wenn man mit der Beschwerde davon ausginge, dass der Beschwerdeführer bereits seit seinem "zweiten Lebenstag" in Österreich lebt.

Die belangte Behörde hat somit zu Recht der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den angeführten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.

3. Soweit die Beschwerde weiters moniert, dass die belangte Behörde die Bestimmungen des § 61 FPG anzuwenden gehabt hätte, so ist dem zu erwidern, dass selbst § 61 Z. 4 FPG der Erlassung des von der belangten Behörde verhängten Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht, weil der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist.

4. Auch gegen die unbefristete Verhängung des Aufenthaltsverbotes bestehen - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - keine Bedenken. Nach § 63 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 2 FPG - auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der vom Beschwerdeführer begangenen schwerwiegenden strafbaren Handlungen die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am