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VwGH vom 29.01.2014, 2013/08/0237

VwGH vom 29.01.2014, 2013/08/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der C M in S, vertreten durch Mag. Gustav Hannes Ortner, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Bernhardtgasse 4/1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom , Zl. LGS/SfA/05662/2013, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom erkannte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice S. der Beschwerdeführerin ab Notstandshilfe in der Höhe von EUR 13,25 täglich zu.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die maßgebliche Beitragsgrundlage einen fiktiven Anspruch auf Notstandshilfe in der Höhe von EUR 34,40 täglich habe. Dazu gebühre ein Familienzuschlag von EUR 0,97 täglich. Zur Beurteilung der Notlage werde nach der Notstandshilfeverordnung neben einem eventuellen eigenen Einkommen auch das Einkommen der Angehörigen herangezogen. Gemäß § 36a AlVG seien in den Monaten August und September 2011 sowohl das selbständige als auch das unselbständige Einkommen ihres Ehemannes herangezogen worden. Das unselbständige Nettoeinkommen für die Monate Juli und August 2011 habe laut Herrn K. von der Gebietskrankenkasse jeweils EUR 1.435,99 betragen. Das selbständige Einkommen habe "laut Einkommensteuer 2011" EUR -16.848,64 (somit einen Verlust) für das gesamte Jahr 2011 betragen. Es komme somit zu einer Anrechnung von EUR 1.435,99 aus unselbständigem Einkommen und zu einer Anrechnung von EUR 0,-- aus selbständigem Einkommen. Von diesem Anrechnungsbetrag seien der Grundfreibetrag in Höhe von EUR 501,-- sowie ein Zusatzbetrag in Höhe von EUR 250,50 und die Werbungskostenpauschale in Höhe von EUR 11,-- abgezogen worden. Dies ergebe einen monatlichen Anrechnungsbetrag von EUR 673,-- bzw. einen täglichen Anrechnungsbetrag von EUR 22,12.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass sich die selbständige Tätigkeit ihres Ehemannes ohne Unterbrechung über das gesamte Jahr 2011 erstreckt habe und mit einem Verlust von EUR 16.848,64 abgeschlossen worden sei. Die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit seien erst durch eine Prüfung der Kärntner Gebietskrankenkasse im Jahr 2012 im Nachhinein festgestellt worden. Im konkreten Fall bedeute dies, dass für den Zeitraum Juli und August 2011 keine realen Lohnzahlungen durchgeführt worden seien; die nachträglich errechneten Bezüge seien 2012 mit dem Auftraggeber gegengerechnet worden. Selbst wenn reale Lohnzahlungen erfolgt wären, müsse aber das Gesamteinkommen des Ehemannes laut Einkommensteuerbescheid herangezogen werden, aus dem eindeutig hervorgehe, dass keine Einkünfte erzielt worden seien, welche zur Befriedigung der Grundbedürfnisse herangezogen werden könnten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie stellte insbesondere fest, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 einen Verlust aus "selbständiger Tätigkeit" (richtig: Gewerbebetrieb) in Höhe von EUR 16.848,-- erzielt habe; außerdem habe er "laut Gebietskrankenkasse" in den Monaten Juli und August 2011 ein anrechenbares Nettoeinkommen von EUR 1.435,99 erzielt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dieses monatliche Nettoeinkommen im Juli und im August 2011 auf die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin in Anrechnung zu bringen sei. Vom Betrag von EUR 1.435,99 würden die Freigrenze von EUR 751,50 und die Werbungskostenpauschale von EUR 11,-- abgezogen, sodass sich ein monatlicher Anrechnungsbetrag von EUR 673,-- für August und September 2011 ergebe, woraus ein Notstandshilfeanspruch von EUR 13,25 täglich folge. Der von der Beschwerdeführerin in der Berufung geforderte Verlustausgleich mit den negativen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit sei nicht vorzunehmen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in einer Notlage iSd § 33 Abs. 3 AlVG befindet.

Nach § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners, Lebensgefährten oder eingetragenen Partners zu berücksichtigen.

Das Einkommen des Ehepartners, Lebensgefährten oder eingetragenen Partners ist nach den in § 36 Abs. 3 Abschnitt B AlVG festgelegten Grundsätzen (insbesondere betreffend Freibeträge) zu berücksichtigen.

Gemäß § 36a Abs. 1 AlVG ist bei der Feststellung des Einkommens u.a. für die Anrechnung auf die Notstandshilfe nach den folgenden Absätzen vorzugehen. Einkommen ist nach § 36a Abs. 2 AlVG das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich u. a. den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 AlVG. Gemäß § 36a Abs. 5 AlVG ist das Einkommen bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise nachzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass Notlage schon insoweit nicht anzunehmen ist, als das anzurechnende Einkommen aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit, aus einer Invaliditätsversorgung, aus Vermietung und Verpachtung oder aus Gewerbebetrieb zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht, wobei steuerliche Verluste aus anderen Einkunftsarten nicht zu berücksichtigen sind. Andernfalls käme man im Ergebnis zu einer indirekten Finanzierung einer unternehmerischen Tätigkeit des Notstandshilfeempfängers bzw. dessen Partners durch Mittel der Arbeitslosenversicherung und geriete damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2001/08/0124 u.a., mwN, sowie vom heutigen Tag, Zl. 2013/08/0270). Dies gilt grundsätzlich sowohl bei der Anrechnung des eigenen Einkommens als auch bei der Anrechnung des Partnereinkommens (vgl. etwa die dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0025, VwSlg. 13.627 A/1992, zugrunde liegende Konstellation).

Im Beschwerdefall hat sich die belangten Behörde bei der Anrechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit allerdings nicht auf den Einkommensteuerbescheid, sondern - wie sie ausdrücklich festgehalten hat - auf eine Auskunft der Gebietskrankenkasse gestützt. Ihren Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, ob und unter welcher Einkunftsart diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid ausgewiesen waren. Insoweit hat die belangte Behörde ihre grundsätzliche Bindung an den Einkommensteuerbescheid bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens verkannt (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung etwa das schon zitierte Erkenntnis vom , Zlen. 2001/08/0124 u.a., sowie aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0223, jeweils mwN).

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschbeträgen nach der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-82058