VwGH vom 19.12.2007, 2006/08/0258
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Dr. W K in P, vertreten durch Dr. Alexander Knotek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Pergerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS8-SV-307/001-2004, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG sowie Formalversicherung nach § 21 ASVG (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, dass eine Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Zeit von bis sowie in der Zeit von bis in der Kranken-, Unfall-, Pensionsversicherung nach dem ASVG und eine Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG nicht bestanden hat, zurückgewiesen;
II. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, dass während der zu I. genannten Zeiträume eine Formalversicherung nicht bestanden hat und eine Beitragsrückforderung gemäß § 69 ASVG zulässig ist, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
Der Spruch des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom lautet wie folgt (Fettdruck und Unterstreichungen im Original):
"Punkt I
(Der Beschwerdeführer) unterlag in der Zeit von bis sowie in der Zeit von bis , in welcher er durch (den erstmitbeteiligten Verein) als Schreiber zur Sozialversicherung gemeldet wurde, nicht der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherung.
Die für die Zeiträume bis sowie bis durchgeführte Versicherung wird storniert.
Punkt II
Für die bezeichneten Zeiträume ist Formalversicherung gemäß § 21 ASVG nicht eingetreten.
Punkt III
Die zu Ungebühr entrichteten Beiträge können in Beachtung des § 69 ASVG zurückgefordert werden".
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder und stellte - zusammengefasst - fest, der Beschwerdeführer seit seit dem als selbstständiger Rechtsanwalt tätig gewesen. Er habe zahlreiche land- und forstwirtschaftlich genutzte Liegenschaften erworben und im Dezember 1979 den erstmitbeteiligten Verein gegründet. Mit sei der Beschwerdeführer mit einem Ausmaß von 20 Wochenstunden als Dienstnehmer dieses Vereins bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Sozialversicherung gemeldet worden. Zweck des Vereins sei die Kultivierung der vom Beschwerdeführer erworbenen Liegenschaften gewesen. In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer beim Verein nie abhängig beschäftigt gewesen sei, weshalb auch keine Versicherungspflicht bestanden habe. Die Anmeldung zur Sozialversicherung habe nur den Zweck gehabt, dem Beschwerdeführer eine günstige Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung zu verschaffen. Da der Beschwerdeführer keine arbeitnehmerspezifischen Tätigkeiten ausgeübt habe und seine Anmeldung bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vor der Gründung des erstmitbeteiligten Vereins erfolgt sei, müsse von einer vorsätzlich unrichtigen Anmeldung zur Sozialversicherung ausgegangen werden. Es komme daher auch keine ersatzweise Formalversicherung nach § 21 Abs. 1 ASVG in Frage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
Die belangte Behörde hat durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides dessen Spruch übernommen und demnach sowohl über das Nichtbestehen der Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG als auch unter anderem über das Nichtbestehen einer Formalversicherung nach § 21 ASVG abgesprochen.
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen behaupteter Rechtsverletzung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erhoben werden.
Gemäß § 415 Abs. 1 erster Satz ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 145/2003 ist die Berufung in Angelegenheiten der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung an das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zu richten und steht in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 2 ASVG allgemein, in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG jedoch nur zu, wenn über die Versicherungspflicht, ausgenommen in den Fällen des § 11 Abs. 2 erster Satz ASVG, oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung entschieden worden ist.
Da dem Beschwerdeführer hinsichtlich des Ausspruchs der belangten Behörde zur Versicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung noch die Berufung an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz offen stand, war die dagegen erhobene Beschwerde infolge Nichterschöpfung des Instanzenzuges wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Zu II.:
Hinsichtlich der Formalversicherung steht die Berufung an den Bundesminister nicht zu, weil es sich dabei um keine Angelegenheit der Versicherungspflicht handelt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0199). Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen den Abspruch über die Formalversicherung richtet, zulässig, aber nicht berechtigt:
Gemäß § 21 Abs. 1 ASVG besteht ab dem Zeitpunkt, für den erstmals die Beiträge entrichtet worden sind, eine Formalversicherung, wenn ein Versicherungsträger bei einer nicht der Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz unterliegenden Person auf Grund der bei ihm vorbehaltlos erstatteten, nicht vorsätzlich unrichtigen Anmeldung den Bestand der Pflichtversicherung als gegeben angesehen und für den vermeintlich Pflichtversicherten drei Monate ununterbrochen die Beiträge unbeanstandet angenommen hat.
Die belangte Behörde ist von einer vorsätzlich unrichtigen Anmeldung des Beschwerdeführers zur Pflichtversicherung ausgegangen und hat deswegen das Vorliegen einer Formalversicherung verneint.
In den Beschwerdegründen beschäftigt sich der Beschwerdeführer ausschließlich mit Fragen der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 und § 4 Abs. 4 ASVG, ohne auf die Ausführungen zur Formalversicherung im angefochtenen Bescheid einzugehen. Argumente gegen die Feststellung, es liege keine Formalversicherung in den angeführten Zeiträumen vor, hat der Beschwerdeführer ebenso wenig vorgetragen wie zur Feststellung über die Rückforderbarkeit der Beiträge (Punkt III. des Spruches). Sollte der Beschwerdeführer jedoch mit seinem Vorbringen dartun wollen, dass die belangte Behörde wegen tatsächlichen Bestehens einer Pflichtversicherung über die Formalversicherung und die Rückforderbarkeit der Beiträge in dieser Weise nicht hätte absprechen dürfen, so ist er darauf zu verweisen, dass der Landeshauptmann auch dann über seinen gleichzeitig erfolgten negativen Abspruch über die Pflichtversicherung gebunden war, wenn dieser mit der Zustellung des Bescheides - wegen der in dieser Frage an den Bundesminister offenstehenden Berufung - noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0161). Der Abspruch über die Formalversicherung und die Rückforderbarkeit der Beiträge kann daher bei diesem Stand des Verfahrens nicht mit dem Argument angegriffen werden, es habe tatsächlich eine Pflichtversicherung bestanden. Hinsichtlich der Aussprüche zur Formalversicherung und zur Möglichkeit der Beitragsrückforderung war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Soweit der Beschwerdeführer Anträge gestellt hat, nach denen der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden möge, ist er darauf zu verweisen, dass eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für meritorische Entscheidungen nicht gegeben ist.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem nicht entgegensteht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 43 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am