VwGH vom 13.10.2011, 2010/22/0093
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des I in Wien, vertreten durch Dr. Nikolaus Altmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 154.962/2-III/4/09, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , mit dem ein Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen worden war, gemäß § 10 Abs. 1, 2 und 4, § 13 Abs. 3 und § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, Dr. F habe am für den Beschwerdeführer eine Berufung eingebracht, ohne sich ausdrücklich gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG oder § 8 RAO auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen zu haben. Eine derartige Vollmachtsbekanntgabe hätte die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung vorausgesetzt. Als bereits emeritiertem Rechtsanwalt wäre Dr. F diese Befugnis nicht mehr zugekommen.
Mit Schreiben vom , übernommen am , sei Dr. F zur Mängelbehebung gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert worden. Dafür sei ihm eine Frist von drei Tagen ab Zustellung eingeräumt worden. Dr. F habe mit Antwort vom um Fristerstreckung bis ersucht. Die eingeräumte dreitägige Frist scheine für die Vorlage einer "seit zumindest vorzuliegen habenden schriftlichen Vollmachtsurkunde an die Behörde" als durchaus angemessen. Wäre die schriftliche Bevollmächtigungsurkunde vorhanden gewesen, hätte es Dr. F möglich sein müssen, dieselbe binnen dreitägiger Frist zu übermitteln. Es habe kein "denkmöglicher verfahrensrelevanter Grund" bestanden, die angemessen gesetzte Frist von drei Tagen zu verlängern, weil die Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer nur der nachträglichen Erlangung einer schriftlichen Bevollmächtigung hätte dienen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
§ 10 AVG lautet:
"§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.
(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, in § 36a Abs. 1 genannte Personen, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.
(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass Dr. F wegen Verzichtes auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 34 Abs. 1 RAO) nicht mehr zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt war und somit auf ihn nicht der letzte Satz des § 10 Abs. 1 AVG anzuwenden ist. Gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG haben sich Bevollmächtigte durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen.
Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der durch eine Vollmacht dokumentierten Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Das bürgerliche Recht bindet die Erteilung einer Vollmacht grundsätzlich an keine Form, weshalb die Behörde in der Regel von der Rechtsgültigkeit einer mündlich erteilten Vollmacht auszugehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0433). Durch die Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde oder durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde an die Behörde wird die Vollmacht nach außen wirksam. Für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen Verfahrenshandlung ist das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung erforderlich. Es genügt, wenn ein zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung bestehendes (mündliches) Vollmachtsverhältnis erst nachträglich beurkundet wird (vgl. auch dazu das Erkenntnis 2006/18/0433 mwN).
Die belangte Behörde ist insofern im Recht, als sie den Vertreter des Beschwerdeführers zur Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsbeurkundung im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG auffordern durfte. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmacht stellt nämlich einen Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG dar (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis 2006/18/0433).
Der Rechtsirrtum der belangten Behörde liegt jedoch darin, dass sie nur eine schriftliche Vollmacht als wirksam gewertet hat. Die Einräumung einer lediglich dreitägigen Verbesserungsfrist begründete sie nämlich damit, dass die schriftliche Vollmacht bereits beim Vertreter vorhanden sein müsste. Diese Meinung entspricht nicht der Rechtslage, weil - wie dargelegt - die Bevollmächtigung auch mündlich erfolgen kann. Der Vertreter des Beschwerdeführers hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren die Bevollmächtigung im Schreiben vom dadurch offen gelegt, dass er vom Beschwerdeführer "mit seiner weiteren Vertretung in dieser Sache betraut" worden sei. Da somit eine schriftliche Vollmachtsurkunde entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht in Händen des Vertreters sein musste, erweist sich die dreitägige Verbesserungsfrist als unangemessen kurz. Dem Vertreter ist nämlich ein angemessener Zeitraum zu gewähren, in dem die Beischaffung der schriftlichen Beurkundung der Vollmacht auch möglich ist.
Im vorliegenden Fall hat der Vertreter des Beschwerdeführers auf das Aufforderungsschreiben bereits einen Tag nach Zustellung, somit am , reagiert und um Fristerstreckung bis ersucht. Tatsächlich wurde die schriftliche Vollmachtsbeurkundung schon mit Urkundenvorlage vom vorgelegt.
Da somit die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage eine unangemessen kurze Frist zur Verbesserung festgelegt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am