VwGH vom 06.10.2014, 2013/08/0231

VwGH vom 06.10.2014, 2013/08/0231

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des B K in G, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6, 1. Stock, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2013-Mag. WM/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Zuerkennung der Notstandshilfe für die Zeit vom 1. September bis widerrufen und der unberechtigt empfangene Betrag von EUR 725,20 rückgefordert.

Der Beschwerdeführer sei am durch Organe der Polizei bei Tätigkeiten für die Firma Pizzeria D. OG angetroffen worden. Diese Tätigkeiten habe er der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice G. (im Folgenden: AMS) nicht gemeldet.

Der Beschwerdeführer habe in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung Folgendes ausgeführt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Richtig sei, dass Sie im August 2012 in Erfahrung gebracht hätten, dass die Inhaberin der Pizzeria D. (Frau S. K.) einen Geschäftspartner suchen würde. Sie hätten sich für eine solche Partnerschaft interessiert, hätten sich mit der Inhaberin in Verbindung gesetzt, wobei schließlich ein Gespräch zu Stande gekommen sei. Bei diesem Gespräch hätten Sie Ihre Bereitschaft, als Partner in das Geschäft einzusteigen, erklärt. Natürlich wären Sie zu dieser Zeit im Geschäft gewesen, hätten sich umgesehen und versucht abzuklären, wie der Geschäftsgang floriere. Bei diesem Besuch (kurz vor 22.00 Uhr) hätte ein Freund von Ihnen angerufen und telefonisch eine Pizza bestellt. Da der Pizzazusteller schon nach Hause gegangen sei, hätten Sie angeboten, nachdem Sie den Besteller kennen würden, ihm die Pizza nach Hause zu bringen. Es hätte sich dabei um einen reinen Freundschaftsdienst gehandelt, für den keinerlei Entschädigung geflossen sei. Sie hätten die erwähnte Pizza nach T. (Wohnort des Freundes) gebracht und wären 100 m vor dem Haus des Bekannten von der Polizei aufgehalten worden. Es hätte sich um eine Routinekontrolle gehandelt, wobei Sie gefragt worden seien, wo Sie wohnen und warum Sie in den Abendstunden nach T. fahren würden. Sie hätten erklärt, dass Sie für die Inhaber der Pizzeria die Pizza Ihrem Freund nach T. bringen würden - als reinen Freundschaftsdienst, vor allem, da Sie beabsichtigten, als Geschäftspartner in die Pizzeria D. OG einzusteigen. Tatsächlich sei ein Gesellschaftsvertrag ausgehandelt worden und Sie wären als Partner in die Pizzeria eingestiegen. Diese Partnerschaft hätte zwei bis drei Monate gehalten, bis , weil aber das Geschäft nicht gut gelaufen sei, wurde die Partnerschaft wieder beendet."

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - sei am von der Polizei bei Tätigkeiten (Pizzazustellung für die Firma Pizzeria D. OG) gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG betreten worden. Zu diesem Zeitpunkt sei er im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden. Er wäre daher verpflichtet gewesen, die Aufnahme dieser Tätigkeit dem AMS unverzüglich, also spätestens am (wobei aufgrund der späten Stunde in seinem Fall auch der rechtzeitig gewesen wäre), mitzuteilen. Dies habe er jedoch unterlassen.

Das Arbeitslosenversicherungsgesetz sehe vor, dass für den Fall, dass ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d AlVG durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten worden sei, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt habe (§ 50), die unwiderlegliche Rechtsvermutung gelte, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt sei. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen sei rückzufordern.

Wenn der Beschwerdeführer einwende, dass er lediglich aufgrund seines Interesses, sich als Partner bei der Pizzeria zu beteiligen, einen Freundschaftsdienst ausgeübt habe, müsse ihm entgegengehalten werden, dass er für die Pizzeria D. OG eine Pizza zugestellt habe, und damit eine Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG vorliege. Er wäre verpflichtet gewesen, diese Tätigkeit dem AMS unverzüglich anzuzeigen.

Im Ermittlungsverfahren seien seine Angaben betreffend die spätere Beteiligung und den Eintritt als Gesellschafter - in Rücksprache mit der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft - bestätigt worden. Danach sei er vom bis Gesellschafter der Pizzeria gewesen. Er sei als neuer Selbständiger (iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) gemeldet, jedoch von der Pflichtversicherung aufgrund der Unterschreitung der Versicherungsgrenze ausgenommen gewesen. Trotzdem sei zur Zeit der Betretung keine Selbständigkeit vorgelegen (wobei diese ebenfalls ohne Meldung an das AMS die gleichen Rechtsfolgen bei Betretung ausgelöst hätte). Er sei im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden und iSd unwiderlegbaren Rechtsvermutung habe er bei der Tätigkeit ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Einkommen erzielt. Aus den dargelegten Gründen sei spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gem. § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. § 25 Abs. 2 AlVG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet wie folgt:

"(2) Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane, betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, daß diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994 ) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar."

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 52/2011 gilt als arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat (lit. a), wer nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l AlVG), unterliegt (lit. b) und wer keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt (lit. c).

Nach § 12 Abs. 3 AlVG gilt als arbeitslos insbesondere (u.a.) nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a), wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b) oder wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Ehegattin, des eingetragenen Partners, der eingetragenen Partnerin, des Lebensgefährten, der Lebensgefährtin, eines Elternteils oder eines Kindes tätig ist (lit. d).

Gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gilt jedoch als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Diese Verpflichtung besteht selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0181, mwN).

Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.

2. Wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld (bzw. Notstandshilfe) von einem öffentlichen Organ bei Tätigkeiten gemäß § 25 Abs. 2 AlVG angetroffen wird, kann dem Vorhalt der Nichtanzeige dieser Tätigkeit die Geringfügigkeit der Entlohnung nicht entgegengehalten werden. Die gesetzliche Vermutung des § 25 Abs. 2 erster Satz AlVG setzt aber voraus, dass der Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit als Dienstnehmer (oder als selbständig Erwerbstätiger oder als im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder Tätiger) angetroffen wird. Gesetzlich fingiert wird nur die Höhe der Entlohnung, nicht aber, dass es sich bei der beanstandeten Tätigkeit um eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 25 AlVG handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0033, mwN).

3. Der Beschwerdeführer wendet sich in erster Linie gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu vor, die belangte Behörde habe sich von einer vorgefassten Meinung leiten lassen und ohne Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens (bzw. ohne sich mit seinen Angaben, er habe nur einem Freund eine Pizza der Pizzeria D. OG zugestellt, in beweiswürdigender Hinsicht auseinander zu setzen) angenommen, dass er am eine nach dem AlVG meldepflichtige Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 AlVG ausgeführt habe.

Es kann jedoch im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Befugnis zur Überprüfung der Beweiswürdigung (§ 41 VwGG) nicht als unschlüssig erkannt werden, wenn die belangte Behörde angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer am von Organen der Polizei mit einer zuzustellenden Pizza in einer Schachtel der Pizzeria D. OG im Auto auf dem Weg nach T. angetroffen wurde - wobei der Beschwerdeführer laut vorliegenden Verwaltungsakten auch das Zustellauto benutzt hat - zu der Ansicht gelangt ist, es habe sich dabei um eine Tätigkeit gehandelt, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses gem. § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt wurde, zumal das Vorliegen eines (behaupteten) Freundschaftsdienstes für einen Dritten (wofür in der Beschwerde auch weitere Beweise angeboten werden) im vorliegenden Zusammenhang der Erbringung einer gewerblichen Dienstleistung ohne Bedeutung ist (zur Unerheblichkeit gefälligkeitshalber geförderter Interessen Dritter bzw. "indirekter Freundschaftsdienste" vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0165; zur Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei manuellen Tätigkeiten und Einbindung in den Betrieb in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0129, mwN).

Im vorliegenden Fall kommt es wie bereits einleitend erwähnt nicht darauf an, welches Ausmaß die genannte Tätigkeit hatte oder ob sie aus Sicht des Arbeitslosen unerheblich war bzw. welches Entgelt dafür gebührt hätte und ob der Beschwerdeführer wegen des Nichtüberschreitens der Geringfügigkeitsgrenze die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit weiterhin erfüllt hätte, weil dem Vorhalt der Nichtanzeige dieser Tätigkeit die Geringfügigkeit der (fiktiven) Entlohnung nicht entgegengehalten werden kann, wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld von einem öffentlichen Organ bei Tätigkeiten gemäß § 25 Abs. 2 AlVG angetroffen wird (zu dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen leistungsrechtlichen Lösung einer Beweisschwierigkeit vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 15.850, sowie das hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2013/08/0289, mwN). Der eine Meldepflicht zu Unrecht in Abrede stellende Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er die Tätigkeit nicht iSd § 50 AlVG unverzüglich der regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat.


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4.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am