VwGH vom 13.10.2011, 2010/22/0089

VwGH vom 13.10.2011, 2010/22/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des P in L, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. Fr-4250a-104/96, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , 98/21/0438, verwiesen.

Die belangte Behörde hatte im Instanzenzug mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1992 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diesem lag im Wesentlichen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 3 Z 3 Suchtgiftgesetz iVm § 12 dritter Fall StGB, des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 2 Waffengesetz und des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 Finanzstrafgesetz iVm § 11 dritter Fall Finanzstrafgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und einer Geldstrafe von S 1,4 Mio. verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer war 1973 nach Österreich gezogen und hatte hier mit seiner Ehefrau und drei Kindern gelebt.

Am hatte er einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots gestellt, den die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom abgewiesen hatte. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis 98/21/0438 abgewiesen.

Dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom lag ein weiterer Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom zu Grunde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde auf den dargelegten Verfahrensgang und meinte, dass von der Möglichkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch zum jetzigen Zeitpunkt Gebrauch gemacht würde, weil der Beschwerdeführer durch sein Gesamtfehlverhalten schwer gegen die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit anderer verstoßen habe.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer am aus der Strafhaft bedingt entlassen und in die Türkei abgeschoben worden sei. Seither befinde er sich dort. Der seit dem Zeitpunkt der Haftentlassung verstrichene Zeitraum sei "im Hinblick auf die Schwere der Tat viel zu kurz", um eine Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefahr annehmen zu können.

Die privaten und familiären Umstände seien bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden. Soweit der Beschwerdeführer auf seine nunmehrige soziale Integration in der Türkei verweist, hätten die Bestimmungen des österreichischen Fremdenrechtes den Schutz eines im österreichischen Bundesgebiet geführten Familienlebens zum Ziel.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) in der Stammfassung ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Zunächst ist der belangten Behörde darin Recht zu geben, dass die behauptete soziale Integration in der Türkei nicht bei der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu Gunsten der Aufrechterhaltung eines Privat- oder Familienlebens in Österreich zu berücksichtigen ist.

Weiters ist der Beschwerdeeinwand, dass die Verurteilung aus dem Jahr 1992 bereits getilgt sei, für sich allein nicht zielführend. Auch wenn gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 Tilgungsgesetz 1972 die Tilgung nach 15 Jahren eingetreten ist und eine solche Verurteilung gemäß § 60 Abs. 3 FPG nicht mehr als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG (jeweils in der Stammfassung) gewertet werden darf, kann die Behörde auch das einer bereits getilgten Verurteilung zugrunde liegende Verhalten zur Begründung einer Gefährdung heranziehen und damit ein Aufenthaltsverbot allein auf § 60 Abs. 1 FPG stützen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0630).

Im vorliegenden Fall vermag der Gerichtshof der belangten Behörde aber nicht zuzustimmen, dass die Gefährdungsprognose noch aufrecht zu erhalten sei. Die rechtskräftige Verurteilung stammt - wie bereits ausgeführt - aus dem Jahr 1992. Bis September 1998 hat sich der Beschwerdeführer in Haft befunden, wurde dann bedingt entlassen und in die Türkei abgeschoben. Bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am sind somit seit Haftentlassung fast zwölf Jahre vergangen. Die belangte Behörde ging nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer in der Folge nochmals straffällig geworden ist.

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass durch die vom Beschwerdeführer verübte Straftat das öffentliche Interesse an der Unterbindung derartiger strafbarer Handlungen massiv beeinträchtigt wurde. Wenn sich die Prognose einer fortdauernden Gefährdung, die jedem Aufenthaltsverbot zugrunde liegt, jedoch über einen so langen Zeitraum wie hier (zwölf Jahre) nicht bewahrheitet hat, kann sie nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die gegenteilige Ansicht liefe darauf hinaus, dass einem solchen Wohlverhalten im Fall der Verübung einer entsprechend schweren Straftat jede Bedeutung zu versagen wäre. Dies ist aus dem Gesetz nicht ableitbar.

Da die Gefährdungsprognose somit nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am