VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/08/0129

VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/08/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, nunmehr Sozialversicherungsanstalt

der Selbständigen, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang, Dr. Christian Bachmann, Mag. Georg Mitteregger, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W151 2203004- 1/2E, betreffend Beitragsgrundlagen nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Dr. C P in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stellte die revisionswerbende Sozialversicherungsanstalt (SVA) gemäß § 194 GSVG iVm § 409 und 410 ASVG sowie § 3 Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz (in der Folge: FSVG) fest, dass die monatliche Beitragsgrundlage des Mitbeteiligten in der Pensionsversicherung vom 1. Jänner bis EUR 3.660,68 betrage.

2 Der Mitbeteiligte sei vom bis der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem FSVG unterlegen. Seit beziehe er von der Pensionsversicherungsanstalt eine Alterspension. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 sei am noch nicht vorgelegen. Der Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2014 weise Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 159.424,10 aus. Im Jahr 2014 seien von der SVA Pensionsversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 11.181,24 vorgeschrieben worden. Im Jahr 2017 habe ein Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich mit einer ASVG-Beitragsgrundlage von EUR 19.343,88 allgemein und EUR 6.447,94 für Sonderzahlungen bestanden. Ohne Berücksichtigung der Beitragsgrundlage nach dem ASVG errechne sich die Beitragsgrundlage nach dem GSVG für das Jahr 2017 auf Basis der Einkünfte aus dem Jahr 2014 mit der Höchstbeitragsgrundlage. Unter Berücksichtigung der Beitragsgrundlage nach dem ASVG errechne sich die monatliche Beitragsgrundlage nach dem FSVG mit dem im Spruch genannten Betrag.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Seit Jahren habe die SVA auf Grund nachträglich ergangener Einkommensteuerbescheide eine Nachbemessung seiner Pensionsbeiträge nach dem FSVG vorgenommen. Für das Jahr 2017 sei auf Grund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2014 als vorläufige Beitragsgrundlage die Höchstbeitragsgrundlage festgesetzt worden. Der Mitbeteiligte habe mit sowohl seine selbständige Tätigkeit als niedergelassener Facharzt für Dermatologie als auch sein Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich beendet. Sein Pensionsantrag sei von der Pensionsversicherungsanstalt mit bewilligt worden. Mit diesem Stichtag sei gemäß § 113 GSVG der Versicherungsfall eingetreten. Die vorläufig vorgeschriebenen Bemessungsgrundlagen für das Jahr 2017 seien gemäß § 25 GSVG zu endgültigen Bemessungsgrundlagen geworden ("Versteinerung") und dürften nicht mehr nachbemessen werden. 4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde stattgegeben und den bekämpften Bescheid behoben.

5 Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

6 Der Mitbeteiligte sei vom 1. Jänner bis auf Grund seiner selbständigen Tätigkeit als Facharzt der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem FSVG sowie auf Grund seines Dienstverhältnisses zum Land Niederösterreich der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG unterlegen. Seit dem beziehe er eine Alterspension. Am habe die SVA für das Jahr 2017 auf Grund der Einkünfte und Hinzurechnungsbeträge des Mitbeteiligten im Jahr 2014 - ohne Berücksichtigung der Mehrfachversicherung - eine vorläufige monatliche Beitragsgrundlage von EUR 5.810,-- (Höchstbeitragsgrundlage) festgestellt. Sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen würden, trete gemäß § 25 Abs. 6 GSVG die endgültige Beitragsgrundlage an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage. Gemäß § 25 Abs. 7 GSVG würden zum Pensionsstichtag noch nicht nachbemessene vorläufige Beitragsgrundlagen als endgültige Beitragsgrundlagen gelten. Einkommensteuerbescheide, die erst nach dem Pensionsstichtag bei der SVA einlangen würden, könnten nicht zu einer Korrektur der bereits "versteinerten" vorläufigen Beitragsgrundlage führen. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 sei bis zum Pensionsstichtag () noch nicht vorgelegen. Mit Bescheid vom habe die SVA für das Jahr 2017 die endgültige monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung - unter Berücksichtigung der Mehrfachversicherung - mit EUR 3.660,80 festgestellt. Dies sei rechtswidrig, weil die vorläufige Beitragsgrundlage für das Jahr 2017 mit Pensionsantritt vom versteinert sei und gemäß § 25 Abs. 7 GSVG nach diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte nachbemessen werden dürfen.

7 Es lägen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Erkenntnis halte sich an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

9 Der Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die SVA führt zur Zulässigkeit der Revision aus, dem Bundesverwaltungsgericht sei insofern Recht zu geben, als vorläufige Beitragsgrundlagen iSd § 25a GSVG, die zum Stichtag noch nicht nachbemessen worden seien, gemäß § 25 Abs. 7 GSVG als endgültige Beitragsgrundlagen gelten würden. Demgemäß scheine in der zentralen Speicherung der Versicherungsdaten beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger als versteinerte Beitragsgrundlage für das Jahr 2017 ein Betrag von EUR 69.720,-- (Höchstbeitragsgrundlage des Jahres 2017) auf.

11 Das Bundesverwaltungsgericht habe allerdings die Bestimmungen hinsichtlich der Mehrfachversicherung nicht berücksichtigt. Gemäß § 35a GSVG sei die vorläufige Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 25a GSVG) für die Monate des gleichzeitigen Bestandes der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG und nach dem GSVG in einer Höhe festzusetzen, die voraussichtlich nicht zu einer Überschreitung der Höchstbeitragsgrundlage führe. Die SVA sei dabei von einer zu hohen ASVG-Beitragsgrundlage ausgegangen, die noch aus der Zeit gestammt habe, in der der Mitbeteiligte in zwei Dienstverhältnissen gestanden sei. Der Mitbeteiligte habe mit Arbeits- und Entgeltbestätigungen vom entsprechend höhere Beitragsgrundlagen nach dem ASVG glaubhaft gemacht. Die SVA habe für das Jahr 2017 auf Grund der zu hoch angenommenen Beitragsgrundlage nach dem ASVG zu niedrige Beiträge nach dem FSVG vorgeschrieben. Der spätere Wegfall des zweiten Dienstverhältnisses

bzw. die tatsächlich niedrigeren ASVG-Beitragsgrundlagen seien allerdings bei den folgenden vorläufigen Beitragsvorschreibungen nicht berücksichtigt worden (die Differenzvorschreibungen auf Basis einer vorläufigen Beitragsgrundlage seien beibehalten worden). Diese Vorgangsweise der SVA habe der Mitbeteiligte nicht beanstandet. Die tatsächlich niedrigeren ASVG-Beitragsgrundlagen seien erst im Rahmen des "Mehrfachversicherungsabgleiches" herangezogen worden. Das habe stets zu einer Nachbelastung des Mitbeteiligten mit Pensionsversicherungsbeiträgen nach dem GSVG geführt. Der Mitbeteiligten habe durch seine steuerliche Vertretung mit Email vom für die Jahre 2015 und 2016 um eine entsprechende Nachbemessung samt Beitragsvorschreibung ersucht. Für das Jahr 2017 sei er aber mit einer Nachbemessung nicht einverstanden gewesen, weil seiner Ansicht nach mit dem Pensionsstichtag die auf Basis der vorläufigen Beitragsgrundlage gebildeten Differenzbeitragsgrundlagen für das Jahr 2017 endgültig geworden wären.

12 Das Bundesverwaltungsgericht habe die grundsätzliche Rechtsfrage, ob es für das Jahr 2017 zu Recht zu einer Nachbelastung kommen könne, unrichtig beantwortet. Es habe übersehen, dass die SVA mit dem gegenständlichen Bescheid nicht (allein) über die versteinerte (vorläufige) Beitragsgrundlage des Jahres 2017 abgesprochen habe, sondern in einem weiteren Schritt die aus der Mehrfachversicherung resultierende endgültige Differenzbeitragsgrundlage festgestellt habe. § 35a Abs. 3 GSVG regle den Fall, dass nach der Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage noch Beiträge zur Pensionsversicherung zu entrichten seien. Daraus ergebe sich, dass im Rahmen der Mehrfachversicherung eine "endgültige" Beitragsgrundlage zu bilden sei, sobald alle Beitragsgrundlagen endgültig feststünden. Die SVA habe nach Vorliegen der endgültigen ASVG-Beitragsgrundlage im Wege des "Mehrfachversicherungsabgleiches" die zu niedrige vorläufige Differenzbeitragsgrundlage nachbemessen. Die bloße Feststellung der versteinerten vorläufigen Differenzbeitragsgrundlage bzw. das Verneinen der Möglichkeit einer Nachbemessung iSd § 35a Abs. 3 GSVG durch das Bundesverwaltungsgericht sei rechtswidrig. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich noch nie mit einem gleich gelagerten Sachverhalt auseinandersetzen müssen.

13 Die Revision ist im Sinne dieser Ausführungen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

14 Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 GSVG grundsätzlich die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegen, heranzuziehen. Als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Gemäß § 25 Abs. 2 GSVG ist Beitragsgrundlage der gemäß § 25 Abs. 1 GSVG ermittelte Betrag, zuzüglich der im Beitragsjahr im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherung und vermindert um die auf einen Sanierungsgewinn oder auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des EStG 1988 entfallenden Beträge.

15 Wenn die für eine Feststellung der Beitragsgrundlagen notwendigen Nachweise (in der Regel der Einkommensteuerbescheid) für das betreffende Kalenderjahr noch nicht vorliegen, ist bei Pflichtversicherungen, die im drittvorangegangenen Kalenderjahr bereits bestanden haben, gemäß § 25a Abs. 1 Z 2 GSVG die vorläufige monatliche Beitragsgrundlage grundsätzlich die gemäß § 25 Abs. 2 GSVG für das drittvorangegangene Kalenderjahr festgestellte monatliche Beitragsgrundlage.

16 Die endgültige Beitragsgrundlage iSd § 25 Abs. 2 GSVG tritt gemäß § 25 Abs. 6 GSVG an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage, sobald die genannten Nachweise vorliegen. 17 Vorläufige Beitragsgrundlagen gemäß § 25a GSVG, die gemäß § 25 Abs. 6 GSVG zum Stichtag (§ 113 Abs. 2 GSVG) noch nicht nachbemessen sind, gelten gemäß § 25 Abs. 7 GSVG als (endgültige) Beitragsgrundlagen gemäß § 25 Abs. 2 GSVG.

18 Liegt eine Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung vor, so gelten für die Bestimmung einer vorläufigen Beitragsgrundlage besondere Regeln. § 35a GSVG in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 132/2005 lautet auszugsweise:

"§ 35a. (1) Übt ein nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Pensionsversicherung Pflichtversicherter auch eine Erwerbstätigkeit aus, die die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz

begründet, und macht der Versicherte glaubhaft, daß die Summe aus den Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz einschließlich der Sonderzahlungen und den Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz die Summe der monatlichen Höchstbeitragsgrundlagen gemäß § 48 für im Kalenderjahr liegende Beitragsmonate der Pflichtversicherung, wobei sich deckende Beitragsmonate nur einmal zu zählen sind, überschreiten wird, so ist die vorläufige Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 25a) für die Monate eines gleichzeitigen Bestandes der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und nach diesem Bundesgesetz in einer Höhe festzusetzen, die voraussichtlich nicht zu einer solchen Überschreitung führt.

(2) (...)

(3) Ergibt sich in den Fällen des Abs. 1 und 2 nach der Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage, daß noch Beiträge zur Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zu entrichten sind, so sind diese Beiträge mit dem Ablauf des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt.

(4) Übersteigt die vorläufige Differenzbeitragsgrundlage nach Abs. 1 und 2 die endgültige Differenzbeitragsgrundlage, so sind die auf diesen Differenzbetrag entfallenden Beitragsteile der versicherten Person zu vergüten."

19 Die SVA hat dem Mitbeteiligten gemäß § 35a Abs. 1 ASVG laufend und insbesondere für das Jahr 2017 zu niedrige Differenzbeiträge vorgeschrieben, weil sie trotz Wegfalls des zweiten der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegenden Dienstverhältnisses des Mitbeteiligten unverändert hohe ASVG Beitragsgrundlagen in Rechnung gestellt hat. Bis für das Jahr 2016 konnte sie gemäß § 35a Abs. 3 GSVG "nach der Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage" im Rahmen eines "Mehrfachversicherungsabgleiches" die sich aus der höheren Differenzbeitragsgrundlage ergebenden höheren Beiträge nachverrechnen.

20 Nach § 25 Abs. 7 GSVG gelten vorläufige Beitragsgrundlagen gemäß § 25a GSVG, die gemäß § 25 Abs. 6 GSVG zum Stichtag (§ 113 Abs. 2 GSVG) noch nicht nachbemessen sind, gemäß § 25 Abs. 7 GSVG als endgültige Beitragsgrundlagen.

21 Da auch die Differenzbeitragsgrundlage nach § 35a Abs. 1 GSVG eine vorläufige Beitragsgrundlage ist (arg: "so ist die vorläufige Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 25a) ..."), gilt gemäß § 25 Abs. 7 GSVG auch eine vorläufige Differenzbeitragsgrundlage, die zum Stichtag () noch nicht nachbemessen ist, als endgültige Differenzbeitragsgrundlage. Zu einer Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage, die iSd § 35a GSVG eine Vorschreibung weiterer Beiträge erlauben würde, kann es nicht mehr kommen. Die nachträgliche Vorschreibung von Beiträgen auf Basis einer anderen Beitragsgrundlage, wie sie sich unter Berücksichtigung einer rechtzeitigen Nachbemessung ergeben hätte, ist damit ausgeschlossen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis richtig erkannt. 22 Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080129.L00

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