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VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0748

VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0748

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des L V in W, vertreten durch Dr. Johannes Fuchs, LL.M., Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/346.948/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde darauf ab, dass der Beschwerdeführer mit einem von bis gültigen deutschen Visum nach Österreich eingereist, jedoch nach Ablauf des Sichtvermerkes nicht wieder ausgereist sei, sondern seinen Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt habe. Am habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - auf diese Ehe gestützt - die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Dieser sei ihm erteilt und zuletzt bis verlängert worden.

Auf Grund der Aussagen der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers vom und bei späteren Befragungen, wonach dieser mit ihr zusammenwohne, die Beziehung wieder "in Takt" sei und sie die gemeinsamen Kinder nach Österreich holen wolle, um wieder als Familie vereint zu sein, seien polizeiliche Erhebungen veranlasst worden.

Am seien der Beschwerdeführer sowie seine Ehefrau von der Erstbehörde vernommen worden. Neben übereinstimmenden Aussagen sei es auch zu bemerkenswerten Widersprüchen beispielsweise bezüglich des Kennenlernens, des Ablaufes der Hochzeitsfeier, des Kaufes der Eheringe, der Dauer des gemeinsamen Wohnsitzes (Dezember 2003 bis Ende 2004 oder Jänner bis Juli 2004) und des Zeitpunktes der Trennung des Ehepaares (September 2005 oder Mai 2005) gekommen. Die Ehefrau habe auch weder das Alter des Sohnes noch den Namen und das Alter der Tochter des Beschwerdeführers richtig nennen können.

Der Beschwerdeführer sei ab in der Wohnung seiner Ehefrau mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen, bevor er am dort amtlich abgemeldet worden sei. Zur gleichen Zeit scheine auch der Vater jenes Kindes der Ehefrau, das kurz nach der Eheschließung gezeugt worden sei, an dieser Adresse als gemeldet auf. Aufgrund dieser Tatsachen und der Angaben der Eheleute in der niederschriftlichen Vernehmung sei es als erwiesen anzusehen, dass die Meldung des Beschwerdeführers an der Adresse der Ehefrau lediglich zum Schein erfolgt sei.

Für die belangte Behörde stehe aus folgenden Gründen fest, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken:

Die Widersprüche in den niederschriftlichen Angaben der Eheleute hätten ein jemals bestanden habendes Ehe- und Familienleben nicht bezeugen können. Insbesondere hinsichtlich der Dauer des behaupteten gemeinsamen Wohnens und des Zeitpunktes des Auszugs des Beschwerdeführers seien diese Widersprüche nicht mit Erinnerungslücken erklärbar. Auch der Umstand, dass sich die Ehefrau an der späteren Wohnanschrift des Beschwerdeführers in W 12 mit Nebenwohnsitz angemeldet habe, obwohl sie dort nie wohnhaft gewesen sei, verstärke den Eindruck, dass ein gemeinsames Wohnen und damit ein Ehe- und Familienleben nur vorgetäuscht werden sollte. Dass sich die ehemalige Ehefrau des Beschwerdeführers, von der er kurz vor der gegenständlichen Ehe geschieden worden sei, ebenfalls in W aufhalte und gegen sie auch ein Aufenthaltsverbotsverfahren wegen einer Aufenthaltsehe anhängig sei, runde das sich der belangten Behörde insgesamt ergebende Bild ab. Der Beschwerdeführer habe auch keine Beweismittel geltend machen können, die ein jemals bestanden habendes Ehe- und Familienleben hätten glaubhaft machen können.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für zwei Kinder aus genannter Vorehe, die ihr Aufenthaltsrecht von ihm ableiteten, sorgepflichtig. Zweifelsfrei sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Aufenthaltsehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Dieser Aufenthalt habe sich jedoch genauso wie die vom Beschwerdeführer ausgeübten unselbständigen Beschäftigungsverhältnisse zur Gänze auf die genannte Aufenthaltsehe gestützt. Die beiden Kinder des Beschwerdeführers, mit denen er im gemeinsamen Haushalt lebe, teilten grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal des Vaters. Es seien keine Gründe erkennbar, die einer gemeinsamen Ausreise des Beschwerdeführers mit seinen Kindern entgegenstünden.

Das Interesse des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet erweise sich zwar als gewichtig, keinesfalls jedoch als besonders ausgeprägt. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen gelange die belangte Behörde zu der Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft das Ergebnis der Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe, ohne jedoch konkrete Beweisergebnisse zu nennen, die diese in Frage stellen bzw. seinen Standpunkt stützen könnten.

Demgegenüber hat die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung schlüssig und nachvollziehbar auf die im Zuge der Vernehmung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zutage getretenen Widersprüche gestützt. Die Aussagen ergaben unter anderem gravierend widersprüchliche Angaben bezüglich des Kennenlernens, des Ablaufes der Hochzeitsfeier, des Kaufes der Eheringe, der Dauer des Zusammenlebens und des Zeitpunktes der Trennung des Ehepaares. Dabei handelt es sich jedoch - entgegen der Beschwerdeansicht - um Umstände, bei denen nach allgemeiner Lebenserfahrung im Fall des Eingehens und des Bestehens einer echten Ehe durchaus verlässliche Angaben zu erwarten sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0265, mwN). Darüber hinaus hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bereits am ein Kind von einem anderen Mann zur Welt gebracht hat und dieser zum Zeitpunkt des - laut Angaben des Beschwerdeführers - angeblichen Zusammenlebens des Ehepaares an derselben Adresse gemeldet war. Darauf geht die Beschwerde mit keinem Wort ein.

Wenn die Beschwerde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt und vorbringt, für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei es erforderlich, dass eine Missbrauchsabsicht bereits bei Eheschließung bestanden habe, was von der belangten Behörde nicht schlüssig begründet worden sei, ist ihr zu entgegnen, dass - im Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2006/21/0391, zugrunde lag - im vorliegenden Fall kein Hinweis dafür ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer zunächst eine "echte Ehe" schließen, seine Ehefrau es sich jedoch anders überlegt und mit ihm nicht mehr zusammenleben habe wollen. Daher war die belangte Behörde auch nicht gehalten, ergänzende Ermittlungen durchzuführen.

Auch die Verfahrensrüge der vorgreifenden Beweiswürdigung durch die belangte Behörde, weil dem Antrag des Beschwerdeführers auf nochmalige Vernehmung beider Ehepartner zur Ergänzung der Beweisaufnahme und auf Einräumung einer Möglichkeit zur mündlichen Stellungnahme zum Vorwurf des Eingehens einer Aufenthaltsehe nicht stattgegeben worden sei, ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht vorbringt, welches für den Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis die neuerliche Vernehmung seiner Ehefrau erbracht hätte; die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wurde jedenfalls nicht dargetan. Außerdem hatte der Beschwerdeführer sowohl bei seiner Vernehmung am , im Rahmen der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom als auch im Rahmen der Berufung ausreichend Gelegenheit, sich Parteiengehör zu verschaffen; auch dieser Verfahrensrüge ist daher der Boden entzogen. Im Übrigen besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0181).

Vor diesem Hintergrund begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Daran ändert auch nichts, dass die Ehe bereits im Jänner 2004 geschlossen wurde. Der Beschwerdeführer hat sich in weiterer Folge zur Beibehaltung fremdenrechtlicher Vorteile tatsachenwidrig bis zur Erteilung des letzten Aufenthaltstitels auf das Bestehen einer tatsächlich gelebten ehelichen Beziehung berufen, sodass die belangte Behörde zu Recht von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer ausgehen durfte.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Auch wenn die Ehe - laut Beschwerdevorbringen - seit geschieden ist, wurde der Beschwerdeführer durch die Berücksichtigung des gegenüber dem § 60 Abs. 1 FPG strengeren Gefährdungsmaßstabes des § 86 Abs. 1 FPG jedenfalls nicht in Rechten verletzt.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, ihm sei eine Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit von bis erteilt worden, obwohl der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt der Erstbehörde schon bei Erteilung dieser Niederlassungsbewilligung in den wesentlichen Bereichen bekannt gewesen sei, ist ihm zu entgegen, dass nur die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die in Kenntnis aller die den in Frage kommenden Versagungsgrund betreffenden Umstände erfolgt ist, der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegensteht. Die belangte Behörde hat sich bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes jedoch im Wesentlichen auf die Aussagen des Ehepaares im Jahr 2006 gestützt. Zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels im Jänner 2005 wurden zwar schon Ermittlungen veranlasst, der Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe konnte damals jedoch noch nicht erhärtet werden. Sohin steht dies der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Die Beschwerde wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführte Interessenabwägung und verweist auf die soziale und wirtschaftliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich. Auch seine Kinder hätten Deutsch gelernt, gingen hier zur Schule und seien in die österreichische Gesellschaft integriert. Mehrere Cousins und eine Cousine des Beschwerdeführers lebten ebenfalls in Österreich. Da der Beschwerdeführer weder strafrechtlich noch verwaltungsstrafrechtlich jemals auffällig geworden sei, sei nicht einzusehen, weshalb den öffentlichen Interessen ein größeres Gewicht beizumessen sei. Außerdem liege der Zeitpunkt der Eheschließung bereits mehrere Jahre zurück.

Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Interessenabwägung die Integration des Beschwerdeführers in Österreich berücksichtigt und festgestellt, dass diese auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe und die daraus bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des geordneten Fremdenwesens wesentlich gemindert wurde. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der gemeinsamen Ausreise des Beschwerdeführers und seiner Kinder keine Gründe entgegenstünden, blieben unbestritten. Bei dem Vorbringen bezüglich der in Österreich lebenden Cousins und einer Cousine handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer sowohl den legalen Aufenthalt als auch den Zugang zum Arbeitsmarkt nur durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe erlangt hat, hat die belangte Behörde zutreffend der derart vom Beschwerdeführer erlangten Integration bei der Interessenabwägung kein entscheidungswesentliches Gewicht beigemessen und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als zulässig im Sinne des § 66 FPG beurteilt.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-82031