VwGH vom 29.01.2013, 2010/22/0082

VwGH vom 29.01.2013, 2010/22/0082

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2010/22/0083

2010/22/0085

2010/22/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde 1. des A, 2. des G, 3. des B und

4. der F, alle vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres jeweils vom , Zl. 319.826/7-III/4/10 (ad 1., protokolliert zu hg. Zl. 2010/22/0082), Zl. 319.826/4-III/4/10 (ad 2., protokolliert zu hg. Zl. 2010/22/0083), Zl. 319.826/2- III/4/10 (ad 3., protokolliert zu hg. Zl. 2010/22/0084) und Zl. 319.826/6-III/4/10 (ad 4., protokolliert zu hg. Zl. 2010/22/0085), betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund gleichteilig Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien, kroatischer Staatsangehöriger (dreier Geschwister und deren Vaters, des Drittbeschwerdeführers), auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" gemäß § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG iVm § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG ab.

Begründend führte die belangte Behörde in weiten Bereichen gleichlautend aus, die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien habe gemäß § 24 AuslBG jeweils zwei negative Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbundenen Transfers von Investitionskapital und der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, erstattet. Die beschwerdeführenden Parteien seien Gesellschafter einer namentlich genannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Weiteren kurz: GmbH). Der Geschäftsanteil von erst-, zweit- und viertbeschwerdeführender Partei betrage jeweils 27,52 %, jener des Drittbeschwerdeführers 17,44 %. Der Zweitbeschwerdeführer sei neben einer weiteren namentlich genannten Person handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH, welche das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Restaurants zu betreiben beabsichtige.

Da nach den übermittelten Unterlagen Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst würden, komme den erst-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH zu. Sie erbrächten als Gesellschafter keine Arbeitsleistungen als Selbständige und seien daher nicht als selbständige Schlüsselkräfte gemäß § 24 AuslBG zu qualifizieren.

Die beschwerdeführenden Parteien führten als Familie einen Kleinbetrieb. Die voll geleistete Stammeinlage von EUR 36.336,42 erfülle das gesetzliche Mindesterfordernis. Die von den beschwerdeführenden Parteien getätigten Investitionen seien nicht groß genug, um daraus einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen ableiten zu können. Auch mit der Erwerbstätigkeit sei ein größerer Transfer von Investitionskapital nicht verbunden, sodass von einer ökonomischen Gesamtbedeutung der Erwerbstätigkeit gemäß § 24 AuslBG nicht gesprochen werden könne. Vorrangig sei vielmehr das persönliche und familiäre Interesse am Betrieb des Unternehmens. Es sei auch kein Hinweis ersichtlich, dass aus der beabsichtigten selbständigen Erwerbstätigkeit der beschwerdeführenden Parteien ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten wäre. Die Beschäftigung von weiteren Arbeitskräften sei lediglich in Aussicht gestellt worden, sodass nicht von einer Schaffung von Arbeitsplätzen gesprochen werden könne. Darüber hinaus sei dieser Arbeitskräftebedarf gesamtwirtschaftlich für das Wirtschaftsgebiet Wien nicht notwendig.

Da die beschwerdeführenden Parteien somit nicht als selbständige Schlüsselkräfte gemäß § 24 AuslBG zu qualifizieren seien, erfüllten sie nicht die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" und seien die beantragten Aufenthaltstitel nicht zu erteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und über die gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall angesichts der Zustellung der angefochtenen Bescheide am das NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 sowie das AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 Anwendung findet.

Gemäß § 41 Abs. 1 NAG kann Drittstaatsangehörigen eine "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Teiles erfüllen, ein Quotenplatz vorhanden ist und eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG vorliegt. Gemäß § 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG ist der Antrag ohne Weiteres abzuweisen, wenn das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung als selbständige Schlüsselkraft negativ ist (§ 24 AuslBG).

Die Absätze 2 und 4 des § 2 AuslBG, welches gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet regelt, haben folgenden Wortlaut:

"(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung


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a)
in einem Arbeitsverhältnis,
b)
in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,
c)
in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,
d)
nach den Bestimmungen des § 18 oder
e)
überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25%

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden."

§ 24 AuslBG lautet unter der Überschrift "Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte" wie folgt:

"§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

§ 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG normiert zwar, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (als selbständige Schlüsselkraft) abzuweisen ist, dies bedeutet allerdings - bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 NAG und des § 24 AuslBG - nicht, dass das Gutachten durch den Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkte Anwendung finden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0109, mwN).

Davon ging auch die belangte Behörde aus und unterzog die von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien gemäß § 24 AuslBG erstellten Gutachten einer eigenen Bewertung und kam zum Ergebnis, dass diese schlüssig seien.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus der Bestimmung des § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als Schlüsselkraft führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. dazu etwa das schon angeführte hg. Erkenntnis vom , mwN).

Soweit die Beschwerdeführer auf die Einzahlung von Stammkapital verweisen, kann damit allein noch kein Transfer von Investitionskapital im Sinn des § 24 AuslBG nachgewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0205 bis 0207). Auch unter Bedachtnahme darauf, dass sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten die Zahlung eines Abtretungspreises für die Geschäftsanteile ergibt, kann in dieser Leistung ein Transfer von Investitionskapital im Sinn des § 24 AuslBG und ein damit verbundener zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft nicht gesehen werden (vgl. etwa das einen Kaufpreis für Unternehmensteile betreffende Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0316, und das die Leistung einer Kaution betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0110). Der in der Beschwerde noch angesprochene "weitere Transfer" bewegt sich nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen des den Zweitbeschwerdeführer betreffenden angefochtenen Bescheides in der Größenordnung von EUR 5.000,-- bis EUR 10.000,--. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass solche Beträge nicht eine Höhe erreichen, die einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG erwarten lässt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0393).

Unabhängig davon, dass die belangte Behörde ihre Zweifel an der Schaffung von Arbeitsplätzen durch die beschwerdeführenden Parteien trotz Bescheinigung durch Vorlage eines Businessplans nicht begründete, bewertete sie diesen "Arbeitskräftebedarf auch gesamtwirtschaftlich für das Wirtschaftsgebiet Wien (als) nicht notwendig". Schon auf der Grundlage der unbestrittenen Feststellung, dass für die GmbH ein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt wurde, ist nicht ersichtlich, warum es gerade auf die Anwesenheit der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet ankommen sollte, um die genannten Arbeitsplätze zu schaffen, könnten die Geschäfte der GmbH doch vom schon bestellten zweiten Geschäftsführer oder einer anderen Person geleitet werden (vgl. die schon angeführten hg. Erkenntnisse vom und vom ).

Angesichts dieses Ergebnisses liegt auch der in der Beschwerde behauptete Begründungsmangel nicht vor und durfte die belangte Behörde schon daher die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" für die beschwerdeführenden Parteien verneinen.

Die in den angefochtenen Bescheiden behauptete Prüfung des § 11 Abs. 3 NAG fand nicht statt, weil eine nach dieser Bestimmung gebotene Abwägung nicht erkannt werden kann. Eine solche war allerdings schon wegen des Fehlens einer besonderen Erteilungsvoraussetzung nicht vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0189, mwN).

Da den angefochtenen Bescheiden somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am