VwGH vom 09.09.2019, Ra 2019/08/0126

VwGH vom 09.09.2019, Ra 2019/08/0126

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des P S in W, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner und Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in 4810 Gmunden, Linzerstraße 46a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. L503 2139460-1/9E, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Revisionswerber als (vom bis ins Firmenbuch eingetragener) Geschäftsführer der Z. GmbH gemäß § 58 Abs. 5 und § 67 Abs. 10 ASVG die von dieser für die Zeiträume November 2010 bis September 2012 zu entrichtenden Beiträge iHv EUR 184.688,23 schulde. Das LG Salzburg habe mit Beschluss vom über die Z. GmbH das Sanierungsverfahren (mit Eigenverwaltung) eröffnet, das nach rechtskräftiger Bestätigung eines Sanierungsplans mit Beschluss vom aufgehoben worden sei. Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom sei der Konkurs über das Vermögen der Z. GmbH eröffnet und mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom aufgehoben worden. Die Z. GmbH sei am aus dem Firmenbuch gelöscht worden. Die belangte Behörde habe dem Revisionswerber unter Hinweis auf § 67 Abs. 10 ASVG erstmals mit Schreiben und Rückstandsausweis vom mitgeteilt, dass die Z. GmbH mit näher bezifferten Beiträgen im Rückstand sei. Der Revisionswerber habe im gesamten Verfahren trotz mehrmaliger Aufforderung durch die belangte Behörde keine konkreten und sachbezogenen Beweise zu Zahlungen und (Beitrags)Verbindlichkeiten (der Z. GmbH) bzw. keinen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbracht und insbesondere keine Liquiditätsaufstellung vorgelegt. Er habe lediglich unsubstantiiert behauptet, keinerlei Zahlungen an Dritte veranlasst zu haben. Der Revisionswerber wäre nur dann exkulpiert, wenn er nachgewiesen hätte, im Beurteilungszeitraum (von der Fälligkeit der ältesten noch offenen Beitragsforderung am bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ) entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Forderungen der Sozialversicherungsträger ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum (äquivalenten) Teil bedient zu haben. Er hätte sich auch um die zum Zeitpunkt seines Eintritts als Geschäftsführer offenen Beitragsschulden aus früheren Beitragszeiträumen ("Altschulden") kümmern müssen.

5 Was die eingewendete Verjährung betrifft, so könne gegenüber dem Haftungspflichtigen von festgestellten Beitragsschulden iSd § 68 Abs. 2 ASVG so lange nicht gesprochen werden, als noch ein Streit über die Haftungsverpflichtung bestehe. Die Verjährungsfrist könne für den haftungspflichtigen Vertreter nicht früher ablaufen, als die Haftung entstanden sei, dh als die Uneinbringlichkeit (mit Aufhebung des Konkurses) objektiv fest stehe. Die Verjährung beginne mit dem Tag der Aufhebung des Konkurses am . Der behauptete Umstand, dass der Revisionswerber in Großbritannien gelebt und sich nicht um die Geschäftsführung gekümmert habe, weil "faktischer Geschäftsführer" A. P. gewesen sei, ändere nichts an der Haftung des Revisionswerbers.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Der Revisionswerber misst entgegen diesem Ausspruch der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, ob die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG auch für eine Person gelte, die nur im Firmenbuch als Geschäftsführer aufscheine, jedoch zu keinem Zeitpunkt die Geschäftsführung ausgeübt habe und somit nur "am Papier" als Geschäftsführer eingetragen gewesen sei. Die Haftung des "operativ nicht tätigen Geschäftsführers" sei für die Rechtssicherheit wesentlich. Auch sei die "Verjährungsfrage" unrichtig gelöst worden.

8 Dem ist zu entgegnen, dass die Bestellung eines "Geschäftsführers auf dem Papier" nichts an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn treffenden Pflichten (nunmehr nach § 58 Abs. 5 ASVG) ändert. Das Einverständnis, nur formell bzw. nur auf dem Papier als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, befreit nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen. Ein bestellter Geschäftsführer, der der rechtlichen oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträge zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, muss sich gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichtsaufgaben und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzen oder von seiner Geschäftsführerfunktion unverzüglich zurücktreten. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen. Der Geschäftsführer einer GesmbH haftet daher auch dann für rückständige Sozialversicherungsbeiträge, wenn er aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Position keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Erfüllung der Verbindlichkeiten gehabt hat (; , 2003/08/0243; vgl. zu § 80 BAO ).

9 Zum Vorwurf der unrichtigen Lösung der Verjährungsfrage ist darauf zu verweisen, dass die Forderung gegenüber der Z. GmbH als Primärschuldnerin in Anbetracht der am erfolgten Konkurseröffnung innerhalb von drei Jahren ab Fälligkeit der gegenständlichen Beiträge nicht verjährt ist. Durch die Anmeldung der Forderung im Konkurs war deren Verjährung gemäß § 9 Abs. 1 IO unterbrochen und begann erst mit Rechtskraft des Beschlusses über die Aufhebung des Konkurses von neuem zu laufen. Gemäß § 68 Abs. 1 ASVG wirken Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung gegen den Zahlungspflichtigen in gleicher Weise gegen den Beitragsmithaftenden. Daher konnte die Feststellung der Haftung des Revisionswerbers ebenfalls nicht verjähren. Die Feststellungsverjährung konnte ihm gegenüber erst mit dem Feststehen der objektiven Uneinbringlichkeit der noch nicht verjährten Forderung gegenüber der Primärschuldnerin, d.h. im vorliegenden Fall mit der rechtskräftigen Aufhebung des Konkurses über die Primärschuldnerin mit Beschluss vom , zu laufen beginnen ().

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080126.L00

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