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VwGH vom 26.05.2014, 2013/08/0225

VwGH vom 26.05.2014, 2013/08/0225

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der M L in E, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-15/10156/10-2013, betreffend Zurückweisung eines Antrags in einer Angelegenheit nach dem Bundespflegegeldgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Salzburger Landesregierung vom wurde gemäß § 16 des Salzburger Pflegegeldgesetzes (im Folgenden: SPGG) eine Teilung des der Beschwerdeführerin gebührenden Pflegegeldes dahingehend vorgenommen, dass auf Grund der Betreuung der Beschwerdeführerin in einer Werkstätte der Lebenshilfe als Sachleistung 40 % des Pflegegeldes an das Land Salzburg als Sozialhilfeträger ausgezahlt (bzw. von diesem einbehalten) wurden.

Die Bezirkshauptmannschaft S. (im Folgenden: BH) informierte den Vater der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom , dass ab dem Jahr 2012 der Bund für das Pflegegeld zuständig sei, ein automatischer Einbehalt des Pflegegeldes gesetzlich nicht mehr vorgesehen sei und das Pflegegeld nunmehr in voller Höhe an den Pflegegeldempfänger ausgezahlt werde. Im Sinne des Teilungsbescheides vom sei daher der bisher einbehaltene Teil des Pflegegeldes als Kostenbeitrag zu leisten. Der Vater der Beschwerdeführerin informierte daraufhin die BH, dass er mit der bisherigen Pflegegeldteilung nicht einverstanden sei und dies auch nach der Übernahme durch den Bund nicht sein werde.

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin "gemäß § 16 Abs. 2 SPGG bzw. § 20 Abs. 3 BPGG (Bundespflegegeldgesetz)", anstelle der Sachleistungen im Ausmaß von 40 % des Pflegegeldes die Sachleistung ausschließlich auf das Ausmaß der tatsächlich von der Werkstätte der Lebenshilfe erbrachten Pflegeleistung von 11,6 Stunden je Monat (8,4 % der 137,5 Stunden Pflegebedarf) zu reduzieren und eine Geldleistung im Ausmaß von 91,6 % des Pflegegeldes zuzuerkennen. Es fehle auch an einer gesetzlichen Grundlage, Kostenbeiträge vom Pflegegeld einzufordern; gemäß § 17 Abs. 2 des Salzburger Behindertengesetzes (im Folgenden: SBG) habe der Behinderte nur aus seinem Einkommen zu den Kosten der ihm gewährten Hilfe beizutragen, das Pflegegeld stelle aber keine Einkommen dar.

Die BH erließ daraufhin "aufgrund des Antrages vom " einen mit datierten Bescheid, mit dem sie die Beschwerdeführerin verpflichtete, ab für die Dauer der nach § 10 SBG gewährten Aufnahme und Betreuung in einer Werkstätte der Lebenshilfe aus ihrem Pflegegeld einen laufenden Kostenbeitrag in Höhe von monatlich EUR 153,16 zu leisten. Als Rechtsgrundlagen führte die BH § 17 SBG, § 16 SPGG, § 48c BPGG und den 9. Abschnitt des Salzburger Sozialhilfegesetzes (im Folgenden: SSHG) an.

In der Begründung führte die BH im Wesentlichen aus, dass durch das Pflegegeldreformgesetz 2012 per die Landespflegegeldgesetze aufgehoben und die bisherigen Landespflegegeldempfänger in das BPGG übernommen worden seien. Die Zuständigkeit zur Auszahlung des Pflegegeldes an die Beschwerdeführerin sei auf die Pensionsversicherungsanstalt übergegangen. Da gemäß § 48c BPGG die bisherigen Bescheide nach den Landespflegegeldgesetzen weiterhin Geltung behielten, gebühre der Beschwerdeführerin das Pflegegeld in der bisherigen Höhe und Form. Im Antrag vom werde keine Änderung des Sachverhaltes gegenüber dem Bescheid vom behauptet. Die geänderten Auszahlungsmodalitäten vermöchten an der rechtskräftigen Entscheidung vom , wonach 40 % des Pflegegeldes dem Land Salzburg gebührten, nichts zu ändern. Dieser Anteil sei nunmehr direkt vom Pflegegeldempfänger dem Land Salzburg anzuweisen. § 17 SBG sei dabei in Verbindung mit § 16 Abs. 1 SPGG und § 48c BPGG zu betrachten, woraus sich schlüssig die Verpflichtung ergebe, aus dem gebührenden Pflegegeld beizutragen, sofern nicht ein entsprechender Anteil des Pflegegeldes für die erbrachte Sachleistung einbehalten werde.

Eine Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache komme auf Grund der geänderten Rechtslage und der damit einhergehenden Änderung der Zuständigkeit für Entscheidungen zum Pflegegeld nicht in Betracht. Dem Antrag der Beschwerdeführerin sei somit dahingehend Rechnung zu tragen gewesen, als über die Beitragsverpflichtung gemäß § 17 SBG im Verwaltungsweg zu entscheiden sei (Hinweis auf § 46 Abs. 1 SSHG), wobei inhaltlich auf die in der Sache bereits ergangene Entscheidung zu verweisen gewesen sei. Diesem Bescheid komme somit lediglich "feststellender Charakter" zu.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin insbesondere vor, dass sich der Sachverhalt entgegen der Feststellung der BH gravierend geändert habe. Außerdem verwies sie neuerlich darauf, dass das SBG keine Grundlage für das Einbehalten von Kostenbeiträgen vom Pflegegeld biete.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung mit der Maßgabe keine Folge, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf Zurückweisung des Antrages vom wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu lauten habe.

Begründend führte die belangte Behörde nach der Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass mit dem Pflegegeldreformgesetz 2012 die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz in Angelegenheiten des Pflegegeldwesens von den Ländern auf den Bund übertragen worden sei. Gleichzeitig seien die die Angelegenheiten des Pflegegeldwesens regelnden landesgesetzlichen Bestimmungen sowie die auf Grund dieser Gesetze ergangenen Verordnungen außer Kraft gesetzt worden. § 48c BPGG normiere als Übergangsbestimmung in seinem Abs. 1, dass rechtskräftige Entscheidungen, die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften ergangen seien, als Entscheidungen nach dem BPGG gälten. In der Regierungsvorlage werde ausgeführt, dass dies sowohl für Entscheidungen, mit denen Pflegegeld zuerkannt werde, als auch für andere Entscheidungen nach den bisherigen landesgesetzlichen Vorschriften gelten solle. Explizit sei in den Gesetzesmaterialien auch die Regelung des § 16 SPGG genannt.

§ 16 SPGG, insbesondere dessen Abs. 4, sei Rechtsgrundlage für den Teilungsbescheid der Salzburger Landesregierung vom gewesen. Dieser Teilungsbescheid, der in Rechtskraft erwachsen sei, gelte auf Grund des § 48c BPGG als Entscheidung nach dem BPGG.

Über den verfahrenseinleitenden Antrag wäre daher nicht in der Sache selbst zu entscheiden gewesen, sondern er wäre unter Bezugnahme auf den rechtskräftigen Bescheid vom wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Eine wesentliche Änderung entscheidungsrelevanter Fakten sei nicht eingetreten. Auch eine maßgebliche Änderung der Rechtsvorschriften sei nicht eingetreten, normiere doch § 48c BPGG ausdrücklich, dass rechtskräftige Entscheidungen, die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften ergangen seien, als Entscheidungen nach den BPGG gälten.

Durch die Abweisung ihres Antrages statt der Zurückweisung sei die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt worden. Die Berufungsbehörde könne gemäß § 66 Abs. 4 AVG auch in dieser Frage ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterinstanz setzen.

Im konkreten Fall habe zwar die Erstbehörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom nicht explizit abgewiesen, jedoch in der Sache selbst in demselben Sinn wie die Salzburger Landesregierung im Vorbescheid vom erkannt, was einer Abweisung des Antrages gleichzuhalten sei. In der Begründung des Bescheides nehme die Erstbehörde auch ausdrücklich auf den Vorbescheid vom Bezug und führe aus, dass eine Änderung der Sachlage gar nicht behauptet werde. Die belangte Behörde habe daher den Erstbescheid dahingehend abändern können, dass der Antrag der Beschwerdeführerin vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift auf Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der sachlichen Zuständigkeit aus, die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz ebenso wie der belangten Behörde ergebe sich aus § 17 Abs. 5 SBG bzw. dem dort enthaltenen Verweis auf die Bestimmungen des 9. Abschnittes des SSHG. Gemäß § 17 Abs. 1 SBG hätten der Behinderte sowie die für ihn gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen zu den Kosten der Eingliederungshilfe entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht beizutragen. Gemäß § 17 Abs. 5 SBG gälten für die Kostenbeiträge, soweit nichts anderes bestimmt sei, die Bestimmungen des 9. Abschnittes des SSHG. Gemäß § 43 SSHG sei der Sozialhilfeempfänger zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelange oder wenn nachträglich bekannt werde, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen gehabt habe. Gemäß § 45 SSHG seien derartige Ersatzansprüche von der Behörde längstens innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Hilfe gewährt worden sei, geltend zu machen. Gemäß § 46 SSHG sei über Ersatzansprüche nach § 44 SSHG im Verwaltungsweg zu entscheiden. Gemäß § 29 SSHG sei für die Vollziehung der in diesem Gesetz geregelten behördlichen Aufgaben die Bezirksverwaltungsbehörde sachlich zuständig, soweit nichts anderes bestimmt sei. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sei zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig. Die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz und der belangten Behörde ergebe sich daher aus § 17 Abs. 5 SBG in Verbindung mit den §§ 29, 43 und 46 SSHG.

Die belangte Behörde hat aber keinen Bescheid über einen Kostenbeitrag gemäß § 17 SBG erlassen, sondern den Antrag der Beschwerdeführerin vom , der "gemäß § 16 Abs. 2 SPGG bzw. § 20 Abs. 3 BPGG" gestellt wurde und auf Zuerkennung "der Geldleistungen anstatt der Sachleistungen" gerichtet war, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dabei ist sie auf Grund der Übergangsbestimmung des § 48c Abs. 1 BPGG davon ausgegangen, dass der gemäß § 16 SPGG erlassene "Teilungsbescheid" vom als Entscheidung nach dem BPGG weitergalt und seine Rechtskraft einer Sachentscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin entgegen stand. Zur Zurückweisung eines Antrages, der nach ihrer eigenen Auffassung auf Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides nach dem BPGG gerichtet war, war aber weder die belangte Behörde als Berufungsbehörde noch die erstinstanzliche Behörde zuständig; vielmehr würde sich die Zuständigkeit zur - sei es auch zurückweisenden - Erledigung eines solchen Antrages nach dem BPGG richten (vgl. dessen § 22 betreffend die Entscheidungsträger und §§ 24 ff betreffend das Verfahren). Unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht, dass Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung die Abweisung eines Antrages auf Neuvornahme der Kostenteilung nach dem SPGG bzw. dem BPGG war, hätte die belangte Behörde daher den erstinstanzlichen Bescheid wegen Unzuständigkeit der BH beheben und den Antrag an den gemäß § 22 BPGG zuständigen Entscheidungsträger (nach den Feststellungen der Erstbehörde die Pensionsversicherungsanstalt) weiterleiten müssen.

Richtigerweise war der erstinstanzliche Bescheid jedoch als solcher nach § 17 SBG zu deuten. Die BH hat zwar auch § 16 SPGG und § 48c BPGG als Rechtsgrundlagen angeführt; ihre Zuständigkeit hat die BH aber mit § 17 SBG iVm § 46 Abs. 1 SSHG begründet, und Inhalt des Spruchs war eindeutig die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages. Ausgehend von der - offenbar auch der Gegenschrift zugrunde liegenden - Rechtsansicht, dass Gegenstand des erstinstanzlichen und damit auch des Berufungsverfahrens die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages nach dem SBG war, wäre von der belangten Behörde aber - allenfalls unter Bezugnahme auf den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom - über diese Verpflichtung inhaltlich abzusprechen gewesen, statt den Antrag vom zurückzuweisen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am