VwGH vom 17.12.2010, 2008/18/0744
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/18/0745
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der E T in W, geboren am , vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 3, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien jeweils vom ,
1.) Zl. E1/214505/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG (registriert unter Zl. 2008/18/0745), und 2.) Zl. E1/214522/2008, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung (registriert unter Zl. 2008/18/0744), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1.1. Mit dem erstangefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Eigenen Angaben im Asylverfahren zufolge sei die Beschwerdeführerin am illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der im November 2007 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der gegen den Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei zunächst die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, die Behandlung der Beschwerde sei aber mit Beschluss vom letztlich abgelehnt worden. Damit habe die Beschwerdeführerin den Status als Asylwerberin verloren.
Am habe die Beschwerdeführerin die Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger P T. geschlossen, die bis dato aufrecht sei. Peter T. sei allerdings im Zeitpunkt dieser Eheschließung noch mit seiner früheren Ehefrau verheiratet gewesen, sodass der gerichtlich strafbare Tatbestand der Bigamie im Sinn des § 192 StGB verwirklicht worden sei.
Auf Grund eines im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Ermittlungsverfahrens habe die Erstbehörde mit Bescheid vom gegen die Beschwerdeführerin ein mit fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen, das mit Berufungsbescheid vom bestätigt und somit - allerdings unter "Hinaufsetzen" der Befristung auf acht Jahre - rechtskräftig geworden sei.
Mit Schreiben der "Erstinstanz" vom sei der Beschwerdeführerin die Einleitung des Ausweisungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden. In der Stellungnahme vom habe sie darauf hingewiesen, dass sie "in Grundversorgung stehe" und daher nicht als mittellos anzusehen sei. Es bestehe ein (allerdings nicht näher umschriebenes) sehr starkes und dringendes privates Interesse am Weiterverbleib in Österreich. Die Ausweisung sei im Sinn des Art. 66 Abs. 1 FPG zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele nicht dringend geboten.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 53 Abs. 1, § 66 Abs. 1 FPG sowie Art. 8 Abs. 2 EMRK aus, die Beschwerdeführerin habe - abgesehen vom "Scheinehemann" - in Österreich weder familiäre noch berufliche Bindungen. Gehe man von den (allerdings) fast acht Jahre zurückliegenden Angaben im Asylverfahren aus, lebten in ihrem Heimatland ihre Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern. Mit Schreiben vom habe die erstinstanzliche Behörde der Beschwerdeführerin zahlreiche Fragen gestellt, die der Behörde eine gerechte und gesetzmäßige Beurteilung der bestehenden privaten/persönlichen Interessen am Weiterverbleib in Österreich ermöglichen hätten sollen. In der darauf ergangenen Stellungnahme vom sei jedoch keine einzige dieser Fragen beantwortet worden, sodass von der Aktenlage auszugehen sei.
Da sich die Beschwerdeführerin bereits einige Monate unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, der davor liegende Aufenthalt nur durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen "abgesichert" gewesen sei und sie in gesetzwidriger Weise versucht habe, sich durch eine Scheinehe ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen (vgl. den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom ), was die rechtskräftige Verhängung eines auf acht Jahre befristeten Rückkehrverbotes und damit nach § 62 Abs. 1 FPG (unbeschadet des § 13 AsylG) den Entzug des Aufenthaltsrechts zur Folge gehabt habe, könne kein Zweifel bestehen, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.
Im Hinblick auf § 66 Abs. 1 FPG führte die belangte Behörde aus, dass der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Dem immerhin schon fast achtjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei gegenüberzustellen, dass der weitaus größte Teil dieses Aufenthaltes nur auf einem vorläufigen Aufenthaltsrecht basiere, gegen sie ein rechtskräftiges Rückkehrverbot wegen des Eingehens einer Scheinehe verhängt worden sei und weder familiäre noch berufliche Bindungen im Inland bestünden. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei unter Berücksichtigung aller genannten Umstände daher von solchem Gewicht, dass die vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet.
Besondere Umstände, die über diese Erwägungen hinausgehend eine für die Beschwerdeführerin positive Ermessensübung durch die Behörde zulassen würden, hätten weder erkannt werden können, noch seien sie vorgebracht worden.
1.2. Mit dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Feststellung des Bestehens stichhaltiger Gründe zur Annahme einer Bedrohung gemäß § 50 Abs. 1 und 2 FPG in Nigeria gemäß § 51 Abs. 1 letzter Satz FPG als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der dagegen gerichteten Berufung keine Folge gegeben und der Erstbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.
Ergänzend zu dem bereits unter 1.1. dargestellten Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe mit Fax vom während des anhängigen Ausweisungsverfahrens den gegenständlichen Antrag gestellt, der im Wesentlichen damit begründet worden sei, dass die Aufgabe bzw. das Nichtbestehen eines sozialen Netzwerkes im Rahmen des Familienverbandes außerordentlich harte Konsequenzen für den Betroffenen haben könne. Einer alleinstehenden Frau bleibe als einziger wirtschaftlicher Ausweg "oftmals" nur die Prostitution, zumal sie auch in den liberalen Städten des Südens (gemeint sei offensichtlich: in Nigeria) nur schwer eine Unterkunft oder berufliche Tätigkeit finden könne. Diese Schilderung aus einem nicht die Beschwerdeführerin betreffenden Bescheid des UBAS treffe auch auf diese zu. Bei einer Rückkehr nach Nigeria könne sie dort nicht bei Angehörigen wohnen, sodass sie im Fall der Abschiebung in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, weil eine alleinstehende Frau mangels irgendeiner staatlichen sozialen Vorsorge auf den Straßen Nigerias nicht überleben könne.
In der Berufung werde auf eben diese Ausführungen verwiesen. Auf die Bescheidbegründung, wonach keine Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vorliege, weil über die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria bereits eine Entscheidung vorliege, sei nicht eingegangen worden.
Unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 und 2 sowie § 51 Abs. 1, 2 und 5 FPG führte die belangte Behörde aus, der asylrechtliche Bescheid sei infolge "negativer" Entscheidung des UBAS vom rechtskräftig geworden. Darin sei u.a. die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria als zulässig angesehen worden. Die Behandlung der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei im April 2008 abgelehnt worden.
Es liege somit gegenständlich eine "ziemlich" aktuelle rechtskräftige Entscheidung der Asylbehörden (vom ) im Sinn des § 51 Abs. 1 erster Halbsatz des letzten Satzes FPG vor. Neue Gesichtspunkte im Sinn des § 51 Abs. 5 erster Satz FPG, die nicht schon vor der Entscheidung der Asylbehörden vorgelegen bzw. releviert werden hätten können, habe die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Mangels Änderung des maßgebenden Sachverhaltes sei der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen gewesen.
2. Gegen diese Bescheide richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, jene wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Ausweisung gemäß § 53 FPG:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, wonach das Verfahren über den von der Beschwerdeführerin am gestellten Asylantrag rechtskräftig beendet, die Behandlung einer gegen den Berufungsbescheid im Asylverfahren an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde durch diesen abgelehnt und gegen die Beschwerdeführerin im Instanzenzug mit Bescheid vom ein auf acht Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen worden sei. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung und bringt dazu vor, sie halte sich bereits seit acht Jahren im Bundesgebiet auf, habe nie gegen die öffentliche Ordnung verstoßen, sei "weder strafgerichtlich noch strafbehördlich jemals in Erscheinung getreten (was bei einem Aufenthalt von acht Jahren ohnedies schon fast ein Wunder ist)" und habe "mit Sicherheit keine Scheinehe geschlossen". Dass sie keine beruflichen Bindungen im Inland habe, liege nicht an ihrer Arbeitsunwilligkeit oder - unfähigkeit, sondern an der Rechtslage, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit rechtlich unzulässig mache.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten in Ansehung der zu lösenden Rechtsfragen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0480, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die in diesem Erkenntnis enthaltene Begründung (Punkt II.2.2.) verwiesen.
Da die Beschwerde nicht dargetan hat, dass nach der Erlassung des Rückkehrverbotes gegen die Beschwerdeführerin eine wesentliche Änderung in sachverhaltsmäßiger oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist, die zu einer für sie günstigen Beurteilung unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK hätte führen müssen, war die Beschwerde, soweit sie sich gegen den erstangefochtenen Bescheid wendet, als unbegründet abzuweisen.
B. Zur Zurückweisung des Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung:
1. Ein bei der Fremdenpolizeibehörde eingebrachter Antrag auf Feststellung nach § 51 Abs. 1 zweiter Satz FPG ist wegen entschiedener Sache (als unzulässig) zurückzuweisen, wenn insoweit bereits die Entscheidung der Asylbehörde über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht. Den Fremdenpolizeibehörden steht jedoch die Kompetenz zur Abänderung eines "negativen" Ausspruches der Asylbehörde nach § 8 AsylG 1997 (bzw. § 8 AsylG 2005) zu, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich des im Bescheid genannten Staates anders zu lauten hat (§ 51 Abs. 5 FPG). Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0494, mwN).
2. Die Beschwerdeführerin begründet ihren Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung mit dem Hinweis auf einen nicht sie betreffenden Bescheid des UBAS und führt dazu aus, dass sie bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht bei Angehörigen wohnen könnte, sodass sie im Fall einer Abschiebung in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, weil eine alleinstehende Frau mangels irgendeiner staatlichen sozialen Vorsorge auf den Straßen Nigerias nicht überleben könne. Daher überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Weiterverbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen.
Mit diesen Behauptungen hat die Beschwerdeführerin aber nicht in der geforderten substantiierten Weise dargetan, inwieweit sich in den etwa sieben Monaten zwischen der Entscheidung des UBAS vom und der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Juli 2008 für sie die Lebenssituation in Nigeria und damit die für die rechtliche Beurteilung des Feststellungsantrages insbesondere in Ansehung des Art. 3 EMRK maßgeblichen Sachverhaltselemente wesentlich geändert hätten, sodass die Entscheidung hinsichtlich Nigeria anders zu lauten hätte.
3. Die Beschwerde war daher - auch soweit sie sich gegen den zweitangefochtenen Bescheid wendet - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
C. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2009.
Wien, am