VwGH vom 15.06.2010, 2010/22/0074

VwGH vom 15.06.2010, 2010/22/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Dr. Dieter Perz, Dr. Georg Wallner und Dr. Markus Warga, Rechtsanwälte in 5400 Hallein, Salzgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. E1/635/4/2010, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, inhaltlich gestützt auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus:

Der 1978 geborene Beschwerdeführer sei seit seinem 18. Lebensjahr in ganz Europa als Kraftfahrer tätig. Er habe am AR geheiratet und mit dieser ein siebenjähriges Kind. Anfang des Jahres 2006 habe er DS kennengelernt, der am die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei. Diese habe er am geheiratet, obwohl er von AR nicht geschieden gewesen sei. Er habe dem Standesamtsverband S ein Zeugnis vorgelegt, in welchem bestätigt worden sei, dass er ledig wäre. Nach der Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin habe er Aufenthaltstitel erhalten. Seit sei er durchgehend in S beschäftigt und habe gemeinsam mit seiner Ehefrau DS eine Eigentumswohnung erworben.

Diese habe am angegeben, dass sie sich erkundigt und erfahren hätte, dass der Beschwerdeführer in Bosnien noch immer verheiratet wäre. Da der Beschwerdeführer immer aggressiv und selbstmordgefährdet gewesen wäre, hätte sie sich nicht getraut, mit ihm zu reden, sondern die Polizei geholt, eine Anzeige erstattet und wäre ins Frauenhaus gegangen.

Seit Oktober 2008 lebe der Beschwerdeführer in einer Beziehung mit NA, die österreichische Staatsbürgerin sei.

Am sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB sowie des Vergehens der mehrfachen Ehe nach § 192 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, wobei die belangte Behörde auch das den Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten näher darstellte.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes S vom sei die Ehe mit DS gemäß § 24 Ehegesetz rechtskräftig für nichtig erklärt worden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass die Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z 1 und Z 6 FPG erfüllt seien. Zum einen sei der Beschwerdeführer zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, zum anderen habe er unrichtige Angaben über seine Person bzw. seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen.

Die belangte Behörde erachtete das Aufenthaltsverbot nach § 66 FPG als dringend geboten. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Mit der Begehung der Täuschungshandlung, ein total gefälschtes Zeugnis über den angeblich "freien Ehestand" vorzulegen, habe der Beschwerdeführer sein kriminelles Verhalten unter Beweis eingestellt. Durch die Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin sei es ihm möglich gewesen, als Familienangehöriger freien Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. Das öffentliche Interesse an einer Beendigung seines Aufenthaltes in Österreich sei sehr hoch, weil nur damit gesichert werden könne, dass zukünftig keine ähnlich gelagerten Delikte im Bundesgebiet begangen würden.

Bei dieser Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft lebe und sich seit durchgehend mit Hauptwohnsitz in S befinde. Weiters sei der Beschwerdeführer am österreichischen Arbeitsmarkt integriert und er habe Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Andererseits könne der Beschwerdeführer sein Privatleben in Bosnien wieder aufnehmen, zumal er dort eine Frau, ein Kind, sowie ein eigenes Haus habe. Die Täuschungshandlungen des Beschwerdeführers würden einen schweren Verstoß gegen das Fremdenpolizei- und Einwanderungsrecht darstellen.

Auf Grund der negativen Zukunftsprognose sei die Verhängung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt. Die belangte Behörde habe keine für den Beschwerdeführer positive Ermessensentscheidung treffen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann.

Nach Z 1 dieser Bestimmung ist dies der Fall, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG ist verwirklicht, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen.

Soweit er sich gegen die Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG wendet, kann der Gerichtshof nicht finden, dass der belangten Behörde dabei ein Rechtsirrtum unterlaufen wäre. Der Beschwerdeführer meint, dass durch seine Verurteilung nicht ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt werde. Damit spricht er den auf begünstigte Drittstaatsangehörige anzuwendenden Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 FPG an, der gemäß § 87 FPG auch auf Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizern und Österreichern anzulegen ist. Er übersieht dabei aber, dass seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Jänner 2010 für nichtig erklärt wurde. Die belangte Behörde hat somit zu Recht auf den Beschwerdeführer nicht die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige angewendet und die Gefährdungsprognose auf § 60 Abs. 1 FPG gegründet.

Der Beschwerdeführer verweist auf die "Einmaligkeit der zur Strafbarkeit führenden Situation". Damit vermag er aber nicht darzutun, dass eine von ihm ausgehende Gefährdung nicht mehr vorliege, stellt er doch nicht konkret dar, worin diese "Einmaligkeit" bestanden hätte. Dass er nunmehr in einer Lebensgemeinschaft mit NA lebe, ist für sich genommen nicht ausreichend, um vom Wegfall einer von ihm ausgehenden Gefährdung sprechen zu können. Die Gefährdungsprognose ist daher gerechtfertigt.

Auch das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

§ 66 FPG lautet auszugsweise:

"§ 66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
(3)…"
Der Beschwerdeführer verfügt nicht über eine eigene Kernfamilie in Österreich und es ist sein inländischer Aufenthalt noch nicht von so langer Dauer, dass seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes überwiegen würden. Dazu kommt, dass dem Beschwerdeführer als Fernfahrer eine Berufstätigkeit außerhalb Österreichs möglich und zumutbar ist und dass keine Anhaltspunkte für eine Entwurzelung von seinem Heimatland erkennbar sind, zumal dort seine Ehefrau und sein Kind leben.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß §
35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am