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VwGH vom 26.11.2008, 2006/08/0237

VwGH vom 26.11.2008, 2006/08/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2006-926, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis zum gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG verloren habe und Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nicht gewährt werde.

Die belangte Behörde stellte fest, dass dem Beschwerdeführer am aufgetragen worden sei, "an der Wiedereingliederungsmaßnahme JobExpress beim WIFI teilzunehmen", die am begonnen hätte. Der Beschwerdeführer habe sich am mit diesem Tag aus privaten Gründen vom Leistungsbezug abgemeldet und an der Wiedereingliederungsmaßnahme nicht teilgenommen. Am habe sich der Beschwerdeführer wieder bei der regionalen Geschäftsstelle zurückgemeldet und es sei eine Niederschrift mit ihm aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe dabei angegeben, dass er am nicht mehr beim Arbeitsmarktservice gemeldet gewesen sei und deshalb auch "keine Strafe bekommen" könne.

Zu den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, wonach keine entsprechende Maßnahmenbelehrung erfolgt sei, führte die belangte Behörde aus, dass ihm am eine Belehrung ausgefolgt worden sei, die auch von ihm unterschrieben worden sei. Da das letzte Dienstverhältnis des Beschwerdeführers am geendet habe und keine neue Beschäftigungsmöglichkeit ersichtlich sei, sei im Fall des Beschwerdeführers "oberste Priorität, eine rasche Integration den Arbeitsmarkt, Stabilität am Arbeitsplatz und das Verfolgen einer gezielten beruflichen Karriere zu erreichen." Dabei seien bestimmte, im angefochtenen Bescheid näher ausgeführte "Feinziele" zu berücksichtigen.

Die Berufungsausführung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Abmeldung vom Leistungsbezug sei insofern zu berücksichtigen, als die Ausschlussfrist erst ab der Wiedermeldung zum Bezug der Notstandshilfe zu verhängen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:

"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

...

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

...

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.

Nach der Rechtsprechung setzt die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt voraus, dass das Arbeitsmarktservice davor seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen das Arbeitsmarktservice eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren. Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an Maßnahmen teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Dazu muss die Behörde die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung in tatsächlicher Hinsicht ermittelt und das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 AlVG ohne nähere Spezifikation und ohne Vorhalt jener Umstände zugewiesen werden, aus denen sich das Arbeitsmarktservice zur Zuweisung berechtigt erachtet, kann im Falle der Weigerung, einer solchen Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ausgeschlossen werden. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung des Arbeitslosen zur Maßnahme können im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0328, m.w.N.).

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm am ein Betreuungsplan sowie ein gesondertes Schreiben mit der Vorschreibung eines Kontrolltermins für den übergeben worden sei. In diesem Schreiben sei ihm mitgeteilt worden, dass das Arbeitsmarktservice gemeinsam mit dem WIFI ein unterstützendes Coaching durchführe, bei dem der Beschwerdeführer wertvolle Tipps und hilfreiche Anregungen für die Arbeitsuche erhalte. Der Beschwerdeführer solle am Montag, dem , pünktlich um 8 Uhr ins WIFI Trainingszentrum Wienerberg kommen. Die Schulungsmaßnahme dauere sechs Wochen. Dieser Termin sei ein Kontrolltermin gemäß § 49 AlVG. Sollte der Beschwerdeführer ohne wichtigen Grund an dieser Veranstaltung nicht teilnehmen, werde sein Leistungsbezug bis zur persönlichen Wiedermeldung eingestellt.

Die belangte Behörde hätte daher feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer nicht einer Wiedereingliederungsmaßnahme zugewiesen worden sei, sondern dass er zu einer Veranstaltung beim WIFI geladen und ihm für diesen Tag auch ein Kontrolltermin vorgeschrieben worden sei. Zudem sei auch eine individuelle Maßnahmenbelehrung nicht erfolgt.

3. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass in den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens weder ein Betreuungsplan vom noch ein Schreiben der regionalen Geschäftsstelle von diesem Tag aufgefunden werden kann. Die belangte Behörde stützt sich in ihrer Gegenschrift darauf, dass mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen worden sei, in der auch eindeutig die Sanktion wegen Nichtteilnahme an dieser Maßnahme abgehandelt werde. Auch eine derartige, vom Beschwerdeführer und (oder) einem Organ des Arbeitsmarktservice unterfertigte Niederschrift ist den vorgelegten Akten jedoch nicht zu entnehmen.

Angeschlossen an ON 29 sowie ON 37 der vorgelegten Verwaltungsakten findet sich allerdings jeweils ein (nicht unterfertigter) Ausdruck einer Niederschrift, der bis auf das - offenbar zum Zeitpunkt des jeweiligen Ausdrucks automatisiert eingesetzte - Datum (und die Uhrzeit) der Amtshandlung gleich lautet und als Gegenstand der Verhandlung "Rechtsbelehrung zur Teilnahme an der Maßnahme JobExpress bei WIFI" ausweist.

In diesen Ausdrucken einer Niederschrift wurde festgehalten, dass Vermittlungsversuche des Arbeitsmarktservice und Bewerbungsbemühungen des Beschwerdeführers in Eigeninitiative bisher ergebnislos geblieben und die aktuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Beschwerdeführers für eine Integration am Arbeitsmarkt auf Grund der eingetretenen Distanz zum Arbeitsmarkt nicht mehr ausreichend seien. Die gegenständliche vermittlungsunterstützende Maßnahme erweitere und festige die Kenntnisse des Beschwerdeführers im Bereich der Bewerbung. Zudem erfolge eine Unterstützung seines Selbsthilfepotenzials durch das zur Verfügung Stellen einer Bewerbungsinfrastruktur sowie erfahrener Trainer und eine Anpassung der Bewerbungsunterlagen an die individuelle Bewerbungsstrategie. Oberste Priorität des Kurses sei die rasche Integration in den ersten Arbeitsmarkt, Stabilität am Arbeitsplatz und das Verfolgen einer gezielten beruflichen Karriere unter Berücksichtigung folgender Feinziele: Stärkung der persönlichen, sozialen und organisatorischen Kompetenzen sowie Entwicklung von Bewerbungsstrategien und realistische "Karriereplanung" entsprechend den Qualifikationen und Kenntnissen sowie den arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten.

4. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese mit den Verwaltungsakten vorgelegten Ausdrucke tatsächlich den Inhalt einer mit dem Beschwerdeführer vor der Zuweisung zur Maßnahme "JobExpress" aufgenommenen Niederschrift wiedergeben, da auch bejahendenfalls nicht von einem ausreichenden Vorhalt jener Umstände ausgegangen werden kann, aus denen sich das Arbeitsmarktservice zur Zuweisung berechtigt erachtete und die dem Beschwerdeführer im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätten dargelegt werden müssen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0159, zu einer wörtlich gleich lautenden Belehrung im Zusammenhang mit einer Zuweisung zur Maßnahme "JobExpress" festgehalten hat, ist mit dieser allgemeinen Belehrung nicht gesagt, ob und welche konkreten Fähigkeiten und Kenntnisse gerade dem Beschwerdeführer fehlen.

Vor diesem Hintergrund war die Zuweisung des Beschwerdeführers zur Wiedereingliederungsmaßnahme unzulässig, sodass sich der von der belangten Behörde ausgesprochene Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe schon aus diesem Grunde als rechtswidrig erweist und auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das die in dieser Verordnung festgelegten Pauschbeträge übersteigende Kostenmehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-81998