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VwGH vom 21.11.2007, 2006/08/0233

VwGH vom 21.11.2007, 2006/08/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Dipl. Ing. M K in Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt.3-, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am geborene Beschwerdeführer war im Jahre 1993 in Österreich arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Seine nächste arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung übte er vom bis zum in Deutschland aus. Im Anschluss daran bezog er in Deutschland Arbeitslosengeld. Vom bis zum bezog er erstmals Leistungen der österreichischen Arbeitslosenversicherung, wobei das Arbeitsmarktservice für die Begründung der Anwartschaft die deutschen Versicherungszeiten herangezogen hat. Vom bis zum war der Beschwerdeführer in Österreich arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Prandaugasse vom , mit dem das Arbeitslosengeld ab mit täglich EUR 15,15 festgesetzt worden ist, abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer habe am seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht. Da diese Geltendmachung in der ersten Jahreshälfte erfolgt sei, sei zur Bemessung des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes das Entgelt des Kalenderjahres 2004 aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen gewesen. Lägen diese Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, seien jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Im Falle des Beschwerdeführers seien daher die Jahresbeitragsgrundlagen aus dem Jahr 1993 heranzuziehen. Die Anwartschaft sei ohne Heranziehung ausländischer Beschäftigungszeiten erfüllt; das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers vom bis zum in Deutschland sei unbeachtlich. Die aus dem Jahre 1993 heranzuziehende Bemessungsgrundlage betrage aufgewertet EUR 935,30. Daraus ergebe sich ein tägliches Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 13,89; vermehrt um einen Ergänzungsbetrag von EUR 1,26 ergebe dies den von der erstinstanzlichen Behörde richtig errechneten Betrag von EUR 15,15.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer geht in seiner Beschwerde von einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung in Österreich vom bis zum aus, was - wie eingangs dargestellt - in den Verwaltungsakten Deckung findet. Beschwert erachtet er sich zusammengefasst durch den Umstand, dass die belangte Behörde für die Bemessung der Höhe des Arbeitslosengeldes nicht das während des genannten Zeitraumes bezogene Entgelt, sondern jenes aus dem Jahre 1993 herangezogen hat. Dies sei nach Ansicht des Beschwerdeführers deshalb rechtswidrig, weil für die erstmalige Gewährung von Arbeitslosengeld im Jahre 2004 ausschließlich die in Deutschland zurückgelegten Beschäftigungszeiten ausschlaggebend gewesen seien und somit bei der nunmehr in Rede stehenden weiteren Inanspruchnahme ebenfalls die Beschäftigungszeit in Deutschland ausschlaggebend sei. Ohne deutsche Beschäftigungszeiten hätte der Beschwerdeführer nämlich keinen Anspruch auf eine weitere Inanspruchnahme (im Jahr 2006) von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Werde aber die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld durch Heranziehung von Zeiten im Ausland erfüllt, sei bei Grenzgängern, wie dem Beschwerdeführer, das im Ausland erzielte Entgelt maßgeblich.

Nach der innerstaatlichen Rechtslage ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Nach § 14 Abs. 2 AlVG ist die Anwartschaft bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.

Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist (§ 14 Abs. 5 AlVG).

Gemäß § 14 Abs. 6 AlVG dürfen unter anderem die in Abs. 5 angeführten Zeiten bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden.

§ 21 Abs. 1 AlVG bestimmt, dass für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen ist.

Wird die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld durch Heranziehung von Zeiten im Ausland gemäß § 14 Abs. 5 AlVG erfüllt, so ist das im Inland erzielte Entgelt für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes maßgeblich, wenn der Arbeitslose nach seiner Beschäftigung im Ausland mindestens vier Wochen im Inland beschäftigt war (§ 21 Abs. 7 Z. 1 AlVG).

Der Beschwerdeführer hat erstmals im Jahre 2004 und dann am einen Antrag auf - weitere - Gewährung von Arbeitslosengeld gestellt. Er war in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches vom bis zum , somit mehr als 28 Wochen, im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Damit wurde die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 AlVG (weitere Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes) allein durch die genannten inländischen Beschäftigungszeiten erfüllt.

Die vom Beschwerdeführer in Deutschland vom Jahr 2001 bis zum Jahr 2004 zurückgelegten Beschäftigungszeiten hat das Arbeitsmarktservice bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld in Österreich im Jahre 2004 zur Begründung der Anwartschaft herangezogen. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 14 Abs. 6 AlVG dürfen ausländische Beschäftigungszeiten bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden. Nach dieser - innerstaatlichen - Anordnung sind im Beschwerdefall die deutschen Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der notwendigen Anwartschaftszeiten nicht mehr zu berücksichtigen; zudem liegen ausreichend inländische arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten für eine weitere Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 10.173/A).

Wurde aber - wie im Beschwerdefall - die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld nicht durch die Heranziehung von Zeiten im Ausland gemäß § 14 Abs. 5 AlVG erfüllt, ist die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht nach § 21 Abs. 7 Z. 1 AlVG zu bemessen. Es ist daher nicht - wie der Beschwerdeführer meint - das Entgelt der inländischen Zeiten, die nach den ausländischen Zeiten zurückgelegt worden sind, für die Bemessung maßgeblich, sondern die Bemessung ist nach den Regeln des § 21 Abs. 1 AlVG durchzuführen, weil nach dem Gesagten nur inländische Zeiten für die Anwartschaft heranzuziehen waren. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung auch schon die Beitragsgrundlagen des Jahres 2005 gespeichert waren (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0474). Mangels anderer gespeicherter Beitragsgrundlagen hat die belangte Behörde daher zurecht auf jene aus dem Jahre 1993 zurück gegriffen. Für diesen Fall hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, dass die Festsetzung des Arbeitslosengeldes rechtswidrig erfolgt sei.

Der Beschwerdeführer vertritt in der Beschwerde die Ansicht, dass diesem Ergebnis die Artikel 67 und 68 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, entgegen stünden. Diese Bestimmungen lauten - soweit im Beschwerdefall maßgeblich - auszugsweise wie folgt:

"Artikel 67

Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten

(1) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind, die Beschäftigungszeiten jedoch unter der weiteren Voraussetzung, dass sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.

(2) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Beschäftigungszeiten abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Beschäftigungszeiten, die nach eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. ..."

"Artikel 68

Berechnung der Leistungen

(1) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung der Leistungen die Höhe des früheren Entgelts zugrunde zu legen ist, berücksichtigt ausschließlich das Entgelt, das der Arbeitslose während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet dieses Staates erhalten hat. Hat jedoch seine letzte Beschäftigung dort weniger als vier Wochen gedauert, so werden die Leistungen auf Grundlage des Entgelts berechnet, das am Wohnort oder Aufenthaltsort des Arbeitslose für eine Beschäftigung üblich ist, die der Beschäftigung, die er zuletzt im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgeübt hat, gleichwertig oder mit ihr gleichartig ist. ..."

Artikel 67 der Verordnung regelt die Voraussetzungen für den Erwerb der Anwartschaft, bei deren Berechnung ausländische Versicherungs- bzw. Beschäftigungszeiten allerdings nur "soweit erforderlich" zu berücksichtigen sind. Die Erforderlichkeit kann sich nur darauf beziehen, ob genügend Versicherungs- bzw. Beschäftigungszeiten für die Begründung eines Anspruches auf inländische Leistungen der Arbeitslosenversicherung vorliegen. Liegen nach den innerstaatlichen Vorschriften genügend Zeiten vor, sind die ausländischen Zeiten nicht zu berücksichtigen. Zwar hätte der Beschwerdeführer die erforderlichen Zeiten der Anwartschaft für den ursprünglichen Anspruch auf Arbeitslosengeld im Jahre 2004 ohne ausländische Zeiten nicht erreicht, bei der vorliegenden Antragstellung begründen jedoch bereits allein die inländischen Versicherungszeiten den Anspruch auf Arbeitslosengeld, weshalb die Berücksichtigung ausländischer Zeiten nicht erforderlich war.

Waren aber allein die inländischen Zeiten für die Anwartschaft ausreichend, lagen somit auf Grund der letzten inländischen Beschäftigung die erforderlichen zeitlichen Voraussetzungen für einen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung ohnehin vor, ist für die Beantwortung der Frage nach der maßgeblichen Bemessungsgrundlage kein Raum für die Anwendung von Bestimmungen der genannten Verordnung. § 14 Abs. 2 AlVG lässt eine Anwartschaft von nur 28 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung "bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes" genügen, ohne dass es nach dieser Bestimmung darauf ankäme, ob die frühere Leistung (also die "erste Inanspruchnahme") nur unter Heranziehung ausländischer Versicherungszeiten oder ob sie allein auf Grund inländischer Versicherungszeiten zustande gekommen ist. Allein der Umstand, dass ohne ausländischen Beschäftigungszeiten die Anwartschaft für die erstmalige Gewährung von Arbeitslosengeld nicht entstanden wäre, wirkt daher nicht derart fort, dass die ausländischen Beschäftigungszeiten für jede weitere Anspruchsbegründung, die ausschließlich nach nationalen Regeln erfolgt (§ 14 Abs. 2 AlVG), zu berücksichtigen sind.

Da im Beschwerdefall die Anwartschaft somit ohne Heranziehung von Auslandszeiten erfüllt worden ist, war die Verordnung (EWG) 1408/71 nicht anzuwenden. Sowohl Grund als auch Höhe des Anspruches waren nur nach den entsprechenden Bestimmungen des AlVG zu beurteilen. Auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 8 AlVG liegen mangels Vollendung des 45. Lebensjahres beim Beschwerdeführer nicht vor. Der von der belangten Behörde ermittelten Höhe des Arbeitslosengeldes kann daher nicht entgegen getreten werden; die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am