VwGH vom 13.05.2009, 2006/08/0228
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Mag. Georg Meringer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/05660406/2006-10, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht seit dem Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Zuletzt wurde ihm auf Grund eines Antrags vom weiterhin Notstandshilfe gewährt. Am wurde ihm von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Gmunden (AMS) eine Beschäftigung als Museumsmitarbeiter bzw. Verwaltungsangestellter bei einem Kriminalmuseum mit einer täglichen Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr auch an Wochenenden mit einem möglichen Arbeitsantritt am zugewiesen. Am beantragte er die Weitergewährung der Notstandshilfe. An diesem Tag wurde mit ihm eine Niederschrift aufgenommen, in der er angab, zur Nichtannahme der genannten Beschäftigung sei es gekommen, weil er Zeuge Jehovas sei und am Sonntag nicht arbeiten könne. Jeden Sonntag Vormittag finde eine Zusammenkunft statt, die er nicht versäumen wolle.
Mit dem - nicht im Verwaltungsakt erliegenden - Bescheid des AMS vom wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum verloren habe. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom brachte der Beschwerdeführer vor, er habe sich über die ihm zugewiesene Beschäftigung beim Kriminalmuseum sehr gefreut. Beim Vorstellungsgespräch habe sich jedoch herausgestellt, dass an Wochenenden fast immer zu arbeiten sei und nur in den Ferien hin und wieder Wochenenden frei sein würden. Da er eine aktive religiöse Überzeugung als Zeuge Jehovas habe und seine Glaubensgemeinschaft zur Ausübung der Anbetung am Sonntag Vormittag zusammenkomme, habe er diese Arbeit nicht annehmen können. Er ersuche, auf sein Gewissen Rücksicht zu nehmen und den Entzug der Notstandshilfe rückgängig zu machen. Die ausgeschriebene Stelle wäre ohnehin nur eine Saisonarbeit gewesen.
Auf Vorhalt der belangten Behörde vom , dass die gesetzlichen Zumutbarkeitsbestimmungen (zeitliche) Einschränkungen des Arbeitslosen wegen der Ausübung religiöser Andachten nicht berücksichtigen würden, nahm der Beschwerdeführer am wie folgt Stellung:
"Jehovas Zeugen sind eine staatlich anerkannte Bekenntnisgemeinschaft und ich nehme meine Religion sehr ernst. Wir haben unsere Zusammenkunft (Gottesdienst) am Sonntag von 900 bis 1100 Uhr. Da mir der Besuch der Zusammenkünfte sehr wichtig ist und ich auch eine verantwortliche Stellung in unserer Gemeinschaft inne habe, konnte ich diese Arbeit im OÖ-Kriminalmuseum, wo Sonntagsdienst vorgesehen war, nicht annehmen. Bei Annahme dieser Arbeit, wäre meine Religionsausübung nicht möglich gewesen. Ich bitte daher nochmals Rücksicht auf meine religiöse Überzeugung zu nehmen und den Bescheid rückgängig zu machen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ab. Die dem Beschwerdeführer zugewiesene Beschäftigung sei zumindest kollektivvertraglich entlohnt gewesen und habe die Gesundheit des Beschwerdeführers (Probleme wegen seines Bandscheibenvorfalls) nicht gefährdet. Die Beschäftigung wäre an seinem Wohnort erfolgt. Er habe keine Kinder. Seine Ehefrau sei Hausfrau. Es bestünden keine Betreuungspflichten, die die Zumutbarkeit, an Wochenenden zu arbeiten, beeinträchtigen würden. Die zeitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers auf Grund der Ausübung religiöser Andachten könnten mangels gesetzlicher Grundlage keine Berücksichtigung finden. Der Beschwerdeführer habe die Annahme einer zumutbaren Beschäftigung verweigert. Die für einen Leistungsbezug notwendige Arbeitswilligkeit liege nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 verliert eine arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.
Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 ist der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung, nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auch auf die Notstandshilfe anzuwenden.
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0157, mwN).
Der Beschwerdeführer bringt vor, durch die Zuweisung einer Tätigkeit mit Sonntagsarbeit an der Zusammenkunft mit seiner Gemeinschaft (Gottesdienst) am Sonntag von 9 bis 11 Uhr gehindert zu sein, sodass bei Annahme dieser Arbeit seine Religionsausübung nicht möglich gewesen wäre. Eine solche Zuweisung müsse bei ihm (auf Dauer) unterbleiben.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Er durfte die Annahme der zugewiesenen Beschäftigung schon deshalb nicht unter Hinweis auf seine religiösen Pflichten verweigern, weil der Gesetzgeber für die Kollision von Sonntagsarbeit mit religiösen Pflichten in § 8 Arbeitsruhegesetz, BGBl. Nr. 144/1983, eine Regelung getroffen hat, in der die berechtigten Interessen des Arbeitgebers und jene des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer, der während der Wochenend- oder Feiertagsruhe beschäftigt wird, auf Verlangen Anspruch auf die zur Erfüllung seiner religiösen Pflichten notwendigen Freizeit, wenn diese Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit erfüllt werden können und die Freistellung von der Arbeit mit den Erfordernissen des Betriebes vereinbar ist. Abs. 2 leg. cit. regelt die Geltendmachung dieses Anspruches. Es kann daher weder davon die Rede sein, dass der Beschwerdeführer - wie er meint - durch die Arbeitszeit beim potentiellen Dienstgeber regelmäßig an der Erfüllung seiner religiösen Pflichten gehindert wäre, noch kann - seinem eigenen Vorbringen nach - gesagt werden, dass ihn diese religiösen Pflichten an der Erbringung von Arbeitsleistungen am Sonntag schlechthin hindern würden. Schon die Prämissen, unter denen der Beschwerdeführer die Zulässigkeit der Zuweisung einer Beschäftigung, bei der auch am Sonntag gearbeitet werden muss, an ein Mitglied der Zeugen Jehovas in Zweifel ziehen möchte, treffen daher nicht zu, sodass sich die Beschwerde schon deshalb als unbegründet erweist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war jedoch aus folgenden Gründen nicht erforderlich: Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtete eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. - Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; OJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur des Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am