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VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0727

VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0727

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des NB, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/855/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen des Kosovo, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Oktober 1998 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe in der Folge einen Asylantrag eingebracht. Das Asylbegehren sei in erster Instanz mit Bescheid vom abgewiesen worden. Unter einem sei festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG) nicht zulässig sei. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom sei dem Beschwerdeführer daher eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 AsylG, die bis zum gültig gewesen sei, erteilt worden. Gegen die Abweisung des Asylbegehrens habe der Beschwerdeführer zwar Berufung erhoben, in der Folge aber seinen Asylantrag zurückgezogen. Deswegen sei der in erster Instanz erlassene Bescheid mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom aufgehoben worden.

Dem Beschwerdeführer sei sodann im Dezember 2002 eine bis gültige "humanitäre Aufenthaltserlaubnis" erteilt worden. Anschließend habe er über eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "jeglicher Aufenthaltszweck, § 13 Abs. 2 Fremdengesetz 1997", welche bis gültig gewesen sei, verfügt. Die Niederlassungsbewilligung sei ihm - für den Aufenthaltszweck "unbeschränkt" - mit Gültigkeit bis verlängert worden. Am habe er einen Verlängerungsantrag eingebracht. Seine - nach wie vor in W wohnhafte - Ehegattin und Kinder verfügten über eine in ihrer Gültigkeit zuletzt bis verlängerte Niederlassungsbewilligung.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Eisenstadt wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 2, Abs. 4 erster Fall und Abs. 5 erster Fall FPG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil von zehn Monaten bedingt nachgesehen worden sei. Der Beschwerdeführer habe in D, W, S und anderen nicht näher feststellbaren Orten gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren Mittätern die rechtswidrige Einreise von insgesamt zumindest 14 Fremden, vorwiegend "Angehörigen der albanischen Minderheit im Kosovo", die über keinen Aufenthaltstitel im Schengenraum verfügten, von Serbien-Montenegro nach Österreich, Belgien, Italien und Deutschland und somit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich und Dritte durch ein dafür geleistetes Entgelt (in der Höhe von EUR 300,-- bis EUR 600,-- für sich selbst und weitere EUR 100,-- für die Mittäter) unrechtmäßig zu bereichern. Im Weiteren stellte die belangte Behörde noch weitere, die Tatausführung betreffende Umstände dar.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, es sei nach § 60 Abs. 1 FPG eine Gefährdungsprognose dahingehend vorzunehmen, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder allfälligen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Unter Bezugnahme auf die konkreten Tathandlungen des Beschwerdeführers, insbesondere dass er die Schleppungen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und in der Absicht begangen habe, sich einen Vermögensvorteil zu erwirtschaften, ging die belangte Behörde davon aus, das vom Beschwerdeführer gesetzte Fehlverhalten sei als sehr schwerwiegend einzustufen. Die begangenen Straftaten stellten eine immens große Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Die Verhinderung von Straftaten, wie sie der Beschwerdeführer begangen habe, habe zudem eine enorme Bedeutung für ein funktionierendes Fremdenwesen. An die vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht sei die Fremdenpolizeibehörde bei ihrer Beurteilung nicht gebunden. Die Gefährdungsprognose sei eigenständig und unabhängig von gerichtlichen Überlegungen zur Strafbemessung vorzunehmen. Aus dem festgestellten Fehlverhalten und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers sei auf eine "ausgeprägte sozialschädliche Neigung" des Beschwerdeführers "zur Missachtung von österreichischen Rechtsvorschriften" zu schließen. Der Beschwerdeführer sei bei der Durchführung der Schleppungen arbeitsteilig vorgegangen und verfüge über "die notwendigen Verbindungen zur Wiederaufnahme" der "kriminellen Machenschaften".

Weder § 55 noch § 61 FPG stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegen. Vor Verwirklichung des für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes sei der Beschwerdeführer noch keine zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Zwar sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen sei, jedoch ergebe sich aus § 55 Abs. 2 FPG keine Unzulässigkeit betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Aber selbst im Fall einer ununterbrochenen und rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet in einer Dauer von zehn Jahren wäre nach § 55 Abs. 3 FPG in einem Fall, wie dem vorliegenden, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes infolge der Verurteilung wegen Schlepperei nicht unzulässig.

Im Rahmen der Beurteilung nach § 66 FPG ging die belangte Behörde davon aus, es liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Er habe während seines Aufenthalts im Bundesgebiet gemeinsam mit seiner Ehefrau und den fünf minderjährigen Kindern einen gemeinsamen Wohnsitz genommen. Insoweit lägen auch enge familiäre Beziehungen vor. Es sei aber auch zu beachten, dass der Beschwerdeführer durch die Anwesenheit seiner Familie und das Zusammenleben mit seinen Angehörigen im gemeinsamen Haushalt nicht von der Begehung des Verbrechens habe abgehalten werden können. Das Gewicht der aus der bisherigen Erwerbstätigkeit und dem bisherigen Aufenthalt abzuleitenden Integration sei durch die Delinquenz des Beschwerdeführers entscheidend gemindert worden. Ausgehend davon könnten die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1565/08-3, ablehnte und die Beschwerde über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Gefährdungsprognose und bringt dazu vor, dass er in die Begehung der der Verurteilung zugrunde liegenden Taten lediglich aus Unbesonnenheit verwickelt worden sei und seine Taten zu seinem bisherigen Leben in völligem Widerspruch stünden.

Mit diesem Vorbringen entfernt sich der Beschwerdeführer allerdings von den behördlichen Feststellungen, wonach er als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren anderen Tätern in gewerbsmäßiger Weise, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Schleppungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, gehandelt hat. Das strafbare Verhalten wurde zudem mit den anderen Tätern in arbeitsteiliger Weise gesetzt. Warum diese Feststellungen der belangten Behörde unrichtig oder in gesetzwidriger Weise zustande gekommen wären, legt der Beschwerdeführer aber überhaupt nicht dar. Das Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten, die durch die soeben erwähnten Umstände gekennzeichnet waren, begegnet die Annahme der belangten Behörde, es gehe vom Beschwerdeführer eine die Zulässigkeit der die Erlassung des Aufenthaltsverbotes begründende maßgebliche Gefahr aus, keine Bedenken.

Das Beschwerdevorbringen, das Strafgericht habe die verhängte Freiheitsstrafe bedingt ausgesprochen, führt - worauf schon die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - angesichts des gravierenden Fehlverhaltens schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil die Fremdenpolizeibehörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts zu treffen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0939, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG und verweist auf seine in Österreich lebende Ehefrau sowie die fünf gemeinsamen minderjährigen Kinder und seine frühere "geregelte Beschäftigung".

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände hat die belangte Behörde, die vom Bestehen enger familiärer Beziehungen ausging, im Rahmen ihrer Beurteilung aber ausreichend berücksichtigt. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zum Verhalten des Beschwerdeführers, wonach er als Mitglied einer kriminellen Organisation in gewerbsmäßiger Weise Schleppungen beging, kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Hintanhaltung weiterer derartiger Straftaten gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet ausging. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, es fehlten zur Beurteilung seiner Integration "entsprechende Sachverhaltsfeststellungen", so ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, welche konkreten Feststellungen vermisst werden. Mit dem bloß allgemeinen Hinweis auf "seine Lebensverhältnisse, insbesondere auch jene Umstände, die ihn im Kosovo erwarten würden", wird dies in keiner Weise konkret dargelegt. Vor diesem Hintergrund wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers für den Ausgang des Verfahrens nicht aufgezeigt. Es ist aber auch die - indem die belangte Behörde ausführte, der Beschwerdeführer könne einer allfälligen Unterhaltspflicht auch vom Ausland aus nachkommen und es stünde seinen Familienangehörigen frei, ihn allenfalls ins Ausland zu begleiten - im Ergebnis vertretene Ansicht der belangten Behörde, die Trennung des Beschwerdeführers von seinen Familienangehörigen sei hinzunehmen, letztlich ausgehend vom gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Ebenso hat der Beschwerdeführer allfällige Schwierigkeiten im Rahmen der Wiedereingliederung in sein Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung - im begehrten Ausmaß - gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-81976