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VwGH vom 09.09.2009, 2006/08/0227

VwGH vom 09.09.2009, 2006/08/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der S & H OEG in G, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 5- s26x289/10-2001, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei gegen einen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom , mit dem dieser gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 ASVG ein Beitragszuschlag von S 29.311,-- (EUR 2.130,11) vorgeschrieben worden war, keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beitragszuschlag wegen der Nichterstattung von Anmeldungen zur Pflichtversicherung für die Dienstnehmer F S. und B F. vorgeschrieben worden war. Die beschwerdeführende Partei habe vorgebracht, dass diese Personen zu keiner Zeit bei ihr beschäftigt gewesen seien und sie daher auch nicht verpflichtet gewesen sei, Anmeldungen zur Pflichtversicherung an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vorzunehmen. Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom sei ausgesprochen worden, dass F S. und B F. auf Grund ihrer Tätigkeit bei der beschwerdeführenden Partei im Zeitraum vom bis der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie Arbeitslosenversicherung unterlegen seien. Gegen diese Bescheide habe die beschwerdeführende Partei Einspruch erhoben. Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei der Einspruch betreffend die Feststellung der Versicherungspflicht als verspätet eingebracht zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom abgewiesen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass im Falle der Verletzung näher dargestellter Meldepflichten gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 bis 3 ASVG ein Beitragszuschlag vorgeschrieben werden könne. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet oder das Entgelt nicht gemeldet worden sei, könne ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgelts durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden. Die beschwerdeführende Partei habe es unterlassen, F S. und B F. zur Versicherung anzumelden. Wörtlich heißt es sodann im angefochtenen Bescheid:

"Die Grundlage für diesen Beitragszuschlag bildet ein Beitragsnachverrechnungsbescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom , Zl.: MVBl/251979-7 Dk- 287/KM, in dem die (beschwerdeführende Partei) verpflichtet wurde, für die im Spruch dieses Bescheides genannten Dienstnehmer wegen Nichterstattung von Anmeldungen zur Pflichtversicherung einen Beitragszuschlag von S 29.311,-- (EUR 2.130,11) nachzuentrichten. Der gegen diesen Bescheid ha. eingebrachte Einspruch wurde im ha. Verfahren zu GZ. (...) als verspätet zurückgewiesen."

Was die Höhe des vorgeschriebenen Beitragszuschlages betreffe, führte die belangte Behörde aus, dass Beitragszuschläge bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zum Eintreffen der verspäteten Anmeldung bzw. bis zum Eintreffen der verspäteten Meldung des Entgelts beim Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden könnten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellten die in den Z. 1 bis 3 des § 113 Abs. 1 ASVG angeführten Höchstgrenzen des Beitragszuschlages nur eine der beiden möglichen Höchstgrenzen dar. Die andere Höchstgrenze werde durch die Summe aus den Verzugszinsen und dem pauschalierten Verwaltungsmehraufwand (der dem Versicherungsträger durch die Neufeststellung und Vorschreibung von Beiträgen sowie für die Berechnung der Verzugszinsen erwachsen sei) gebildet. Der jeweils niedrigere Betrag bilde sodann für den Beitragszuschlag die mögliche Höchstgrenze. Der Beitragszuschlag dürfe jedoch gemäß § 113 Abs. 1 letzter Satz ASVG die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten. Die vorgeschriebene Ordnungsmaßnahme solle den Dienstgeber veranlassen, künftig die in Meldungen (Abrechnungsunterlagen) innerhalb der im ASVG vorgesehenen bzw. der mit ihm vereinbarten Frist vorzulegen. Aus den angeführten Gründen sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass die Verhängung des gegenständlichen Beitragszuschlages gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, dass der vorgeschriebene Beitragszuschlag ihr gegenüber nicht mehr einbringlich gemacht werden könne, da die Firma der beschwerdeführenden Partei am aus dem Firmenbuch gelöscht worden sei. Die beschwerdeführende Partei sei daher rechtlich nicht mehr existent. Dies hätte die belangte Behörde durch die amtswegige Einsichtnahme in das offene Firmenbuch feststellen können. In diesem Fall hätte sie dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei vollinhaltlich stattgeben müssen, widrigenfalls ein Bescheid betreffend die Vorschreibung des Beitragszuschlages vorliegen würde, der sich gegen eine rechtlich nicht existente Firma richte und daher auch nicht durchsetzbar bzw. exekutierbar sei.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/15/0184) beeinträchtigt die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und ihre Löschung im Firmenbuch so lange ihre Parteifähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten noch nicht abgewickelt sind. Diese im Zusammenhang mit Abgabenverbindlichkeiten ergangene Rechtsprechung ist auch auf Beitragsverbindlichkeiten von Erwerbsgesellschaften - wie im vorliegenden Fall - anwendbar. Im vorliegenden Fall ist auf Grund des offenen Verfahrens betreffend den Beitragszuschlag das vor Löschung der OEG aus dem Firmenbuch anhängig gemachte Verfahren und damit ihr Rechtsverhältnis zur mitbeteiligten Partei als Beitragszuschlagsgläubigerin noch nicht abgewickelt. Vor diesem Hintergrund kam der beschwerdeführenden Partei im gegenständlichen Verfahren trotz Löschung aus dem Firmenbuch weiterhin Parteifähigkeit zu.

3. Die beschwerdeführende Partei wendet sich auch gegen die Höhe des vorgeschriebenen Beitragszuschlages und macht geltend, es könne aus dem angefochtenen Bescheid nicht nachvollzogen werden, wie sich der geforderte Betrag zusammensetze.

Gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 ASVG (in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 283/1988) können Beitragszuschläge den in § 111 ASVG genannten Personen (Stellen) vorgeschrieben werden, wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist. In diesen Fällen kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0114) stellt der Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 ASVG eine pauschalierte Abgeltung des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsaufwandes und des Zinsentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung dar. Für die Bemessung des Beitragszuschlages sind zunächst die - der nachfolgenden Ermessensübung gesetzten - objektiven Grenzen maßgebend: Der Beitragszuschlag darf die Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschreiten; ferner darf er weder den durch den Meldeverstoß verursachten Mehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsentrichtung noch das Doppelte der im Gesetz näher umschriebenen Beiträge überschreiten. Dies setzt voraus, dass die Höhe der nachzuzahlenden Beiträge festgestellt wird, weil andernfalls die Verzugszinsenberechnung und damit die Ermittlung der oben genannten objektiven Bemessungsgrenzen nicht möglich ist.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid jede Abwägung hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Beitragszuschlages unterlassen und stützt sich diesbezüglich nur auf einen Beitragsnachverrechnungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse "vom " (mit näher angegebener Geschäftszahl). In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich jedoch lediglich ein Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom (nicht 2001), der die angegebene Geschäftszahl trägt. Dieser Bescheid spricht jedoch ausschließlich über die Pflichtversicherung betreffend F S. ab, nicht aber über die zu entrichtenden Beiträge.

Weder die erstinstanzliche Behörde noch die belangte Behörde haben ausreichend konkretisiert, aus welchen Grundlagen sich der Beitragszuschlag errechnet.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das den Ersatz der Pauschalgebühr betreffende Kostenmehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-81973