VwGH vom 22.02.2011, 2008/18/0724
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der K T in W, geboren am , vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/287.049/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, aus Österreich ausgewiesen.
Dem Akteninhalt zufolge sei die Beschwerdeführerin im September 2004 illegal in das Bundesgebiet gelangt, habe am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und anschließend einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehemann eingebracht. Dieser Antrag sei im Instanzenzug mit Bescheid vom abgewiesen worden.
Seitens der Erstbehörde durchgeführte Erhebungen hinsichtlich des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hätten nicht zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG geführt. Die Beschwerdeführerin sei auch von "Organen der KIAB" (am ) bei einer Beschäftigung betreten worden, die sie nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht hätte ausüben dürfen. Dennoch sei von der Erstbehörde auch kein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG verhängt worden.
Die Beschwerdeführerin verfüge über keinen Aufenthaltstitel, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.
Die Beschwerdeführerin mache geltend, seit mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet zu sein, einer Beschäftigung nachzugehen und bei der Wiener Gebietskrankenkasse pflichtversichert zu sein. Gegen die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei derzeit eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.
Vor diesem Hintergrund sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet. Unter den gegebenen Umständen sei die Beschwerdeführerin auch trotz des Umstandes, dass sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei, nicht in der Lage, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei somit dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom , B 1402/08-7, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie im September 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist und noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Sie verfügt auch sonst nicht über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet.
Mit Verweis auf das C- 127/08 (Metock u.a.), bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdeführerin wegen "'Inländerdiskriminierung' in Bezug auf den nicht freizügigen Ehegatten mit österreichischer Staatsbürgerschaft" nach dem auch für sie anwendbaren § 54 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und die Ausweisung somit jedenfalls unrechtmäßig sei.
Dieses Beschwerdevorbringen ist nicht zielführend. Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich den diesbezüglichen gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht gefolgt (vgl. die Erkenntnisse vom , B 1462/06, und vom , Zl. G 244/09 ua). Sohin begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Die Beschwerde bekämpft den Bescheid auch im Grunde des § 66 FPG und bringt dazu vor, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit der bisher erfolgten Integration der Beschwerdeführerin in die österreichische Gesellschaft auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerin sei nicht nur schon seit mehreren Jahren "aufrecht verheiratet", sondern gehe auch einer rechtmäßigen Beschäftigung nach. Unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom , Sisojeva gegen Lettland, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom ,
B 16/08, hätte die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK die Unzulässigkeit der Ausweisung der Beschwerdeführerin ergeben müssen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG berücksichtigt, dass sich die Beschwerdeführerin seit September 2004 im Bundesgebiet aufhält, im November 2004 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet hat und einer Beschäftigung nachgeht. Zutreffend ist sie von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausgegangen. Die aus dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht dadurch zu relativieren, dass dieser nicht einmal vier Jahre währende Aufenthalt zur Gänze unrechtmäßig war und auch nach rechtskräftiger Abweisung ihres Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Februar 2008 fortgesetzt wurde. Auch die familiären Bindungen entstanden während ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes. Weiters wurde die Beschwerdeführerin am - somit weniger als drei Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - bei einer Beschäftigung betreten, die sie nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht hätte ausüben dürfen.
Diesen relativierten persönlichen und familiären Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass ihr Aufenthalt in Österreich zur Gänze unrechtmäßig war, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung der Ausweisung auch unter Bedachtnahme auf die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinem Einwand.
An diesem Ergebnis vermag auch der Verweis auf das Urteil des EGMR im Fall Sisojeva und das Erkenntnis des , nichts zu ändern, weil die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem gegenständlichen Fall schon auf Grund der Aufenthaltsdauer (im Fall Sisojeva hielten sich die Beschwerdeführer etwa 30 Jahre bzw. seit ihrer Geburt in Lettland auf, im zweiten Fall rügte der VfGH, dass nicht geprüft worden sei, wie lange sich die Beschwerdeführerin nach ihrer erstmaligen Einreise im Jahr 1994 rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe) überhaupt nicht vergleichbar sind.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
VAAAE-81971