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VwGH 15.10.2014, 2013/08/0207

VwGH 15.10.2014, 2013/08/0207

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
RS 1
Für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft genügt die Mitfinanzierung der Miete für eine zur Gänze gemeinsam bewohnte Wohnung. In der Beteiligung an den Wohnkosten durch denjenigen Partner, der nicht die Notstandshilfe beansprucht, liegt genau jene finanzielle Unterstützung des Notstandshilfebeziehers, welche eine Lebensgemeinschaft kennzeichnet und die Anrechnung des Partnereinkommens sachlich rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0118).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/08/0152 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des G B in G, vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hauptplatz 14, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2013-Fa/S, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers vom auf Gewährung der Notstandshilfe gemäß § 33 AlVG und § 2 der Notstandshilfeverordnung keine Folge gegeben, weil das anrechenbare Einkommen seiner Lebensgefährtin trotz Berücksichtigung der Freigrenzen seinen Anspruch auf Notstandshilfe übersteige.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe Notstandshilfe beantragt und niederschriftlich angegeben, dass zuerst eine Lebensgemeinschaft mit S bestanden habe. Seit eineinhalb Jahren bestehe nur noch eine Wohngemeinschaft. Die Wohnung sei 55 m2 groß, bestehend aus Küche, Bad, Vorraum und zwei getrennt begehbaren Zimmern. Der Mietvertrag laufe auf seinen Namen, es gebe keinen Untermietvertrag. Die Miete und Betriebskosten würden geteilt. Lebensmittel und Pflegeprodukte kaufe man getrennt ein. Gekocht und gegessen werde getrennt. Die Reinigung der Wohnung erfolge gemeinsam. Er wasche die Wäsche, S bügle. Er habe einen Pkw, der nur von ihm genutzt werde.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen (abweisenden) Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er lebe mit S zwar in einer Wohn-, aber in keiner Wirtschafts- und keiner Geschlechtsgemeinschaft. Er und Frau S verfügten über kein gemeinsames Konto und besäßen keine gemeinsamen Wirtschaftsgüter. Das Schlafzimmer in seiner Wohnung sei an S untervermietet. Der mit datierte Untermietvertrag läge bei. Er verbringe mit S keine gemeinsame Freizeit, jeder verpflege sich selbst und die Wäsche reinige ab sofort jeder für sich. Außerdem habe S schriftlich erklärt, dass sie ihm keinen Unterhalt zahlen werde. S sei nicht seine Lebensgefährtin, sondern bloße seine Mitbewohnerin.

Die im Berufungsverfahren befragte S habe am Folgendes niederschriftlich angegeben:

"Ich kenne Hrn. B ca. seit 2004. Ab 2005 hatten wir eine Beziehung und ich bin bei Hrn. B in die X-Gasse 17, 8020 Graz, eingezogen. 2005 begann ich auch mein Studium. Die Wohnungskosten haben wir uns geteilt und den Haushalt gemeinsam geführt. Das lief recht gut bis 2010. Wir haben uns ca. ab 2010 jedoch auseinandergelebt, sodass ich seit 2010/2011 keine tieferen Gefühle mehr für Hrn. B habe. Ich einigte mich mit Hrn. B aus wirtschaftlichen Überlegungen (ich studierte und hatte wenig Einkommen), dass wir weiter zusammen wohnen. Die Wohnungskosten haben wir uns weiter geteilt. Hr. B hat die Wäsche gewaschen und ich habe gebügelt. Wir haben so wie in einer Wohngemeinschaft uns die Küche geteilt und den Kontakt auf das Wesentliche reduziert. Das Studium der Pharmazie schloss ich im Sommer 2012 ab. Im September begann ich bei der Y-Apotheke zu arbeiten. Das Dienstverhältnis ist bis August 2013 befristet und danach ist ev. ein Bundeslandwechsel erforderlich, da der Personalbedarf in den steirischen Apotheken gedeckt ist. Herr B ist seit 2005 Hauptmieter der Wohnung. Da ein Kriterium für die Ablehnung der Notstandshilfe der nicht vorhandene Untermietvertrag war, haben wir diesen jetzt auch schriftlich fixiert. Das Wohn- und das Schlafzimmer sind separat begehbar. Ich schlafe seit ca. 2011 alleine im Schlafzimmer und Hr. B im Wohnzimmer. Küche, Bad und WC nutzen wir gemeinsam. Seit ca. 4 Monaten waschen wir die Wäsche getrennt. Ich esse in der Arbeit zu Mittag und am Abend nicht mehr, so dass wir seit Herbst (Arbeitsaufnahme) weder gemeinsam essen, noch kochen. Wir reinigen unsere Zimmer getrennt und Küche, Bad und WC gemeinsam. Ich habe im Dezember EUR 1.441,35 netto; im Jänner und Feber EUR 1.472,23 netto verdient."

In ihren rechtlichen Ausführungen ging die belangte Behörde - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - davon aus, dass in einer Wirtschaftsgemeinschaft beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen. Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten liege offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens-(Wohn-)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil beitrage. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genüge für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft die Mitfinanzierung der Wohnkosten durch den Partner. Ein einklagbarer Unterhaltsanspruch sei für die Beurteilung, ob eine Lebensgemeinschaft vorliegt, nicht entscheidend. Laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister seien der Beschwerdeführer und S seit 2005 an der genannten Adresse in Graz hauptwohnsitzlich gemeldet. Das Bestehen einer Wohngemeinschaft werde nicht bestritten. Weiters liege eine Wirtschaftsgemeinschaft vor, weil eine Teilung der Wohnkosten und eine gemeinsame Haushaltsführung erfolge. Wenn der Beschwerdeführer nach Erhalt des erstinstanzlichen (abweisenden) Bescheides mit S pro forma einen Untermietvertrag abschließe und die Angaben hinsichtlich der gemeinsamen Haushaltsführung relativiere, geschehe das offensichtlich ausschließlich deshalb, um noch Notstandshilfe zu erhalten. Dass sich an den tatsächlichen Lebensverhältnissen seit Aufnahme der Niederschrift vom etwas geändert habe, werde dem Beschwerdeführer und S folglich nicht geglaubt.

Auch wenn die beiden die Geschlechtsgemeinschaft, die unbestritten bestanden habe, aktuelle verneinten, obwohl sie weiterhin auf engstem Raum lebten, schade das der Annahme einer Lebensgemeinschaft nicht, weil - wie auch in einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen könne. Die belangte Behörde komme daher zu Ansicht, dass auf Grund der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und dem langjährigen Naheverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und S eine Lebensgemeinschaft bestehe.

Nachdem der sich aus dem Einkommen von S und der vorgesehenen Freigrenze ergebende tägliche Anrechnungsbetrag rein rechnerisch den täglichen Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe übersteige, liege keine Notlage im Sinne des Gesetzes vor.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Die Voraussetzungen des Anspruches auf Notstandshilfe sind in § 33 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 geregelt. Nach dessen Abs. 1 kann Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, Notstandshilfe gewährt werden. Abs. 2 ordnet an, dass Notstandshilfe nur zu gewähren ist, wenn die arbeitslose Person der Vermittlung zur Verfügung steht und sich in Notlage befindet. Eine solche liegt vor, wenn der arbeitslosen Person die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist (§ 33 Abs. 3 leg cit). Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 63/2010 sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der arbeitslosen Person selbst sowie des (der) mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, Ehegattin, eingetragenen Partners, eingetragene Partnerin, Lebensgefährten oder Lebensgefährtin zu berücksichtigen.

2.2. In der Beschwerde wird das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft bestritten. Die von der belangten Behörde bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen seien unschlüssig und widersprächen den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut. Wie schon im Verwaltungsverfahren bringt der Beschwerdeführer vor, dass zwischen ihm und S lediglich eine gemeinsame Wohngemeinschaft bestehe und von einer Wirtschafts- oder Geschlechtsgemeinschaft keine Rede sein könne. Im Untermietvertrag vom sei festgehalten, dass S die Mietrechte an einem Schlafzimmer sowie das Mitbenützungsrecht eines anderen Zimmers und eines Kellerabteils (ausgenommen eines Bunkers) gegen ein monatliches Entgelt von EUR 132,-- habe. Sowohl vom Beschwerdeführer als auch von S werde übereinstimmend festgehalten, dass die Wäsche getrennt gewaschen werde. Auch werde getrennt gegessen. Ebenso erfolge der Einkauf der Lebensmittel und Pflegeprodukte getrennt. Zwischen dem Beschwerdeführer und S bestehe - mit Ausnahme der Tatsache, dass S für die von ihr genutzte Räumlichkeit Entgelt bezahle - keine finanzielle (bzw. wirtschaftliche) Verbindung. Der Beschwerdeführer tätige sohin seine Aufwendungen mit Ausnahme des Bestandzinses für die gesamte Wohnung wie eine alleinstehende Person, weshalb auch keine Versorgung eines Leistungsbeziehers aus einer Lebensgemeinschaft vorliege.

2.3. Das Wesen einer Lebensgemeinschaft besteht in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber - wie auch bei einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar. Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens-(Wohn-)gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der gemeinsamen Wohnkosten oder der Ernährung) beiträgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0118, mwN). Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/08/0263, und vom , Zl. 2009/08/0081).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0152, bereits ausgesprochen hat, genügt für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft die Mitfinanzierung der Miete für eine zur Gänze gemeinsam bewohnte Wohnung (zum Fall eines reinen Untermietverhältnisses vgl. hingegen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0164). In der Beteiligung an den Wohnkosten durch denjenigen Partner, der nicht die Notstandshilfe beansprucht, liegt genau jene finanzielle Unterstützung des Notstandshilfebeziehers, die eine Lebensgemeinschaft kennzeichnet und die Anrechnung des Partnereinkommens rechtfertigt.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der konkreten Umstände im vorliegenden Fall, wie dem langjährigen Naheverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und S sowie der Größe und Raumaufteilung der Wohnung (insgesamt nur zwei Zimmer, nur ein Schlafzimmer), nicht von einem reinen Untermietverhältnis, sondern von einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung ausgegangen ist, woraus nach der dargestellten Rechtsprechung folgt, dass die Mitfinanzierung der Miete durch S für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft genügt. In Anbetracht dessen hat die belangte Behörde das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zutreffend bejaht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2014:2013080207.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAE-81968